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AW: [InetBib] Klartext: Suppenküche Öffentliche Bibliothek
- Date: Sat, 20 Oct 2012 13:06:24 +0200
- From: Fischer Sebastian <sebfischer@xxxxxx>
- Subject: AW: [InetBib] Klartext: Suppenküche Öffentliche Bibliothek
Liebe Frau Ecks, lieber Herr Müller,
da muss ich Frau Ecks rechtgeben und die Antwort noch etwas ausbauen.
«Ehrenamt» in allen Ehren ;) Aber aus diesem verqueren Euphemismus
einen nachahmenswerten Sozialstandard abzuleiten, halte ich nicht für
richtig. Eigentlich nämlich ist das Ehrenamt (neben den Praktika) ein
weiterer Baustein der Kostenlosmentalität im Job. Nur weil über dem
Ehrenamt in grossen Lettern «zum Wohle der Allgemeinheit» prangt, ist
es nichts anderes als Arbeitsleistung ohne Vergütung.
Ich will das Ehrenamt nicht klein reden. Natürlich hat die_derjenige,
die_der ein solches Amt bekleidet, ein anderes Anliegen als Menschen,
die ein Praktikum machen. Zweitere sehen wohl meist ihre Gratis-
Arbeitskraft als notwendiges Opfer für eine spätere Arbeitsstelle.
Durch Ehrenämter und Praktika werden aber
sozialversicherungspflichtige Jobs überflüssig. Nicht das Ehrenamt
selbst ist schlecht, sondern die Struktur, in der Bibliotheken ohne
diese kostenlosen Hilfen schliessen oder einen eingeschränkten
Service bieten müssen. Das kann (und muss) man (wohl) als Realität
hinnehmen, als Herausstellungsmerkmal gegenüber Verlagen sollte es
hingegen nicht dienen. Vor allem aber fördern diese Ehrenämter (vor
allem in kleinen Gemeinden) imho genau dieses falsche Bild der
Bibliothek als Sozialstation (Suppenküche), dem wir uns ja eigentlich
entgegenstellen wollen.
Sehr geehrter Herr Ulmer, wieviele Personen arbeiten eigentlich in
Verlagen ohne finanzielle Vergütung?
Da wird es nicht wenige geben! In Zeiten von Minijobs und unbezahlten
Praktika müssen sich oftmals sehr gut ausgebildete Absolvent_innen
heute schon unter Wert verkaufen. Welche Angebote gibt es denn im
Verlagswesen? Bevor eine «richtige» Stelle in Aussicht steht, heisst
es erst einmal: Praktikum. Gern ein halbes Jahr. Auch wenn die_der
Bewerber_in vorher schon zur genüge welche gemacht hat. Danach, wenn
man Glück hat: ein schlecht bezahltes Volontariat (manchmal nur ein
Titel ohne Ausbildungscharakter). Man nennt es heute auch gern
Traineeship. Mit einer Ausbildung hat das aber meist gar nichts zu tun.
Die Richtlinien des Börsenvereins für Volontariate sind bei vielen
Stellenangeboten gar nicht das Papier wert, ausgedruckt zu werden.
Bei Klett Cotta darf man sich auf ein halbjähriges Volo bewerben
(http://www.klett-cotta.de/verlag?subsubnavi_verlag=11646), beim
Herder-Verlag in Freiburg über 1144 Euro brutto freuen (http://
www.herder.de/jobs/volontariat_html). Aber anscheinend gibt es genug
Bewerber_innen, die in Freiburg mit 872 Euro netto im Monat leben
können. Ich habe auch schon von Volontariaten in Verlagen gehört, bei
denen nur 500 Euro gezahlt werden. Das ist ja schon fast Gratis-Arbeit.
Bei Verlagen regen wir uns auf und bei Bibliotheken benutzen wir das
elegante Wort «Ehrenamt»? Nunja.
Beste Grüsse aus dem sonnigen Berlin
Sebastian Fischer
On 20.10.2012, at 11:46, Silke Ecks wrote:
Und auch das Ehrenamt ist eine zwiespältige Sache in diesen Tage
der Abgreife, wenn qualifizierten Menschen keine bezahlte Arbeit
mehr angeboten wird bzw. solche Angebote nicht mehr notwendig
erscheinen. Ehrenamt zahlt keine Miete.
On 20.10.2012, at 11:31, Müller, Harald wrote:
In deutschen Bibliotheken arbeiten hunderte von Menschen
ehrenhalber, d.h. ohne Vergütung, zum Wohl der Allgemeinheit. Ohne
diese Personen müßten viele Bibliotheken schließen oder ihren
Service erheblich einschränken. Sehr geehrter Herr Ulmer, wieviele
Personen arbeiten eigentlich in Verlagen ohne finanzielle Vergütung?
--
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