[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]
AW: [InetBib] Klartext: Suppenküche Öffentliche Bibliothek
- Date: Tue, 16 Oct 2012 16:09:04 +0000
- From: Barbara Schleihagen <Schleihagen@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx>
- Subject: AW: [InetBib] Klartext: Suppenküche Öffentliche Bibliothek
Sehr geehrter Herr Ulmer,
Ihre Bemerkungen im Börsenblatt und Ihre Statements hier auf inetbib haben beim
dbv Befremden ausgelöst. Damit auch die hier mitlesenden Kolleginnen und
Kollegen sich eine Meinung bilden können, möchte ich einige Punkte klarstellen:
Der Vorstand des Deutschen Bibliotheksverbandes hat die Gespräche mit dem
Börsenverein nicht abgebrochen.
Richtig ist vielmehr, dass es sich genau umgekehrt verhält: Am 27. April 2012
teilte Herr Dr. Sprang, Justiziar des Börsenvereins, per Email mir als
Vorsitzender des dbv mit, dass er "den seit langem für den 15. Mai geplanten
Gesprächstermin zwischen einer Delegation des dbv und Vertretern des
Börsenvereins über E-Book-Leihmodelle ABSAGEN (sic)" müsse.
Als Begründung schrieb er weiter :"Hintergrund ist, dass ein von Herrn Ulmer
vorbereitetes Papier zu möglichen Geschäftsmodellen für das "E-Book-Lending",
das die Teilnehmer auf Verlegerseite intern abstimmen wollten, im Hinblick auf
die aktuell laufenden Kartellverfahren zu E-Book-Vertriebsmodellen Fragen
hinsichtlich der kartellrechtlichen Zulässigkeit aufgeworfen hat. Wir haben das
Dokument daraufhin unseren Kartellrechtsanwälten vorgelegt und von diesen
gerade erfahren müssen, dass die in dem Dokument angedachten Möglichkeiten in
der Tat zu einem erheblichen Teil aus kartellrechtlichen Gründen von uns nicht
bzw. nicht ohne weiteres angeboten werden können. Daraufhin haben wir uns
entschieden, uns zunächst intern eingehend kartellrechtlich beraten zu lassen,
bis zu welchen Grenzen wir als Verband überhaupt mit dem Ziel der Vereinbarung
branchenweiter Standards für E-Book-Leihmodelle in öffentlichen Bibliotheken
mit dem dbv sprechen können bzw. wo man gegebenenfalls zunächst ein
Angebotskartell genehmigen lassen müsste."
Daraufhin wurde im gegenseitigen Einvernehmen beschlossen, dass sich ein
einzelner Verleger (Herr Ulmer) und eine Bibliotheksdirektorin (Frau Lison,
Bremen) sowie ein Bibliotheksdirektor (Herr Dr. Schmid-Ruhe, Mannheim) zu
einer Beratung darüber treffen, welche Lizenzangebote dieser Verleger den
beiden betreffenden Bibliotheken grundsätzlich machen könne. Nachdem Sie in
dieser Beratung Ihr Verständnis von den Zielgruppen der öffentlichen
Bibliotheken ("für die, die sonst von Information, Kultur und Bildung
ausgeschlossen wären") vorgestellt hatten, sahen die beiden
Bibliotheksdirektoren allerdings keine Grundlage mehr für eine weitere
Verständigung.
Auch zwischen Vertretern von wissenschaftlichen Bibliotheken und Vertretern des
Börsenvereins hatte es am 07.02.2012 ein Gespräch über Lizenzen für
E-Lehrbücher gegeben. Auch hier kam es seitens des Börsenvereins zu einem
Abbruch der Gespräche. Herr Dr. Frank Simon-Ritz, als einer der Vertreter der
wissenschaftlichen Bibliotheken im dbv-Vorstand, wartet seit dem 25. April 2012
auf eine Antwort von Ihnen auf seine letzte Mail.
Selbstverständlich müssen Bibliotheken E-Books anbieten. E-Books sind auch für
Öffentliche Bibliotheken unverzichtbare Ergänzungen ihres medienübergreifenden
Angebotsspektrums (das neben Büchern auch Musik- und Videocassetten, CD-ROMs,
DVDs sowie Internet-Zugänge umfasst), und die nach neuesten Zahlen der ekz
bibliotheksservice GmbH mittlerweile in deutlich mehr als 500 Bibliotheken
vorgehalten werden - mit steigender Tendenz. Selbstverständlich sollen Verlage
weiterhin ihre E-Book-Geschäftsmodelle testen und das Geschäft entsprechend der
Nachfrage gestalten. Bibliotheken waren bereits in der Vergangenheit eine
wichtige Kundengruppe von Verlagen (399 Mio Euro wurden in 2011 in allen
Bibliotheken zusammen für Erwerbungen ausgegeben) und werden dies auch in
Zukunft gerne sein. Mit Kunden geht man allerdings anders um.
Ihre "Definition" der "ursprünglichen Zielgruppe" von öffentlichen
Bibliotheken geht ganz und gar an dem vorbei, was wir unter Bibliotheken
verstehen. Der dbv möchte hier nur auf die demokratischen Prinzipien der
allgemeinen Zugänglichkeit, die der Arbeit der öffentlichen Bibliotheken zu
Grunde liegen, verweisen. In unmissverständlichen Worten werden die Aufgaben
der Bibliotheken für alle Bürger auch in den drei Landesbibliotheksgesetzen in
Thüringen, Hessen und Sachsen-Anhalt festgehalten, beispielhaft sei hier das
erste Bibliotheksgesetz Deutschlands vom 16. Juli 2008 aus Thüringen zitiert:
§ 2 Bibliotheken in Thüringen
(3) Die von den Gemeinden und Landkreisen unterhaltenen allgemein zugänglichen
Bibliotheken (öffentliche Bibliotheken) dienen der schulischen, beruflichen und
allgemeinen
Bildung und Information.
§ 3 Bildung und Medienkompetenz
Bibliotheken sind Bildungseinrichtungen und als solche Partner für lebenslanges
Lernen. Sie sind Orte der Wissenschaft, der Begegnung und der Kommunikation.
Sie fördern Wissen und gesellschaftliche Integration und stärken die Lese-,
Informations- und Medienkompetenz ihrer Nutzer durch geeignete Maßnahmen sowie
durch die Zusammenarbeit mit Schulen und anderen Bildungseinrichtungen
Der dbv wird sich verstärkt beim Gesetzgeber dafür einsetzen, dass Bibliotheken
alle auf dem Markt erschienenen E-Books ohne Einschränkungen und ohne
Vorauswahl durch Verlage für die Ausleihe lizenzieren können. Es wäre im Sinne
des dbv, wenn die Bibliothekstantieme, die Rechteinhaber für die Ausleihe von
gedruckten Werken in Öffentlichen Bibliotheken entschädigt, auch auf E-Books
ausgedehnt werden.
Monika Ziller
Vorsitzende des Deutschen Bibliotheksverbandes e.V.
Deutscher Bibliotheksverband e.V. (dbv)
Tel: 030/644 98 99-10
Fax:030/644 98 99-29
www.bibliotheksverband.de
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von Matthias Ulmer
Gesendet: Sonntag, 14. Oktober 2012 15:49
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] Klartext: Suppenküche Öffentliche Bibliothek
Lieber Herr Hilf,
ich folge Ihrer Argumentation gerne, wenn Sie die Lehrbücher von der
Wissenschaft trennen. Alle, denen das nicht plausibel erscheint, lade ich zu
uns in den Verlag ein, damit Sie lernen wie Lehrbücher entstehen.
Gruss
Matthias Ulmer
Am 14.10.2012 um 12:42 schrieb "Eberhard R. Hilf" <hilf@xxxxxxxxxxxxxxxx>:
lieber Herr Ulmer,
der Konflikt, den ich befürchte - der Verleih von E-Books über
Bibliotheken den wirtschaftlichen Interessen des Autors widerspricht,
damit haben wir ja den perfekten Loesungsvorschlag:
Die wissenschaftlichen Bibliotheken sind wissenschaftliche Bibliotheken.
Die Autoren aus der Wissenschaft haben als berufliches Interesse,
gelesen zu werden. Bezahlt werden sie ja bereits vom Staat. Sie haben
also keine 'wirtschaftlichen Interessen', sondern ein primaeres
wissenschaftliches Interesse.
Daher also folgere ich, dass die wissenschaftlichen Bibliotheken vom
Staat mit Mitteln versehen werden muessen, um fuer alle ihre Kunden
E-Books kostenlos bereitzuhalten. Der Mehrwert fuer den Staat entsteht
ja erst durchs Lesen.
Die wissenschaftlichen Buchtexte werden ja von den Verlagen ohnehin
zunehmend OA gestellt, wenn der Autor auf sein Honorar verzichtet (das
sind auch 'keine wirtschaftlichen Interessen des Autors' sondern
peanuts, was die Verlage bieten: bei meinem letzten Abenteuer als
Buchautor gabs den Ladenpreis von zwei Buechern als Gegenwert...
Davon kann sich ein Wissenschaftler nichtmal ein Fahrrad kaufen.
Bei Belletristik oder den von Ihrem Verlag auch von mir
hochgeschaetzten Foto-reichen Gartenbuechern mag ihr 'Lending' (nicht
mal ein deutsches
Wort) Sinn
machen.
Alles Gute trotz des ueber die Wissenschaft dann nicht mehr
finanzierbaren Maserati. (Dieser kleine Scherz ist ja nun schon Kult
geworden, darf hier also nicht fehlen gegenueber dem o.g. Fahrrad).
Ihr Eberhard Hilf
--
http://www.inetbib.de
--
http://www.inetbib.de
--
http://www.inetbib.de
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.