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Re: [InetBib] Alternde Türsteher der Wissenschaft
- Date: Sat, 30 Mar 2013 00:41:40 +0100 (CET)
- From: "Eberhard R. Hilf" <hilf@xxxxxxxxxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Alternde Türsteher der Wissenschaft
Lieber Herr Ulmer,
ich will doch kurz auf Ihre Bemerkungen eingehen.
Na, da w?rden mir die Gesellschafter ganz sch?n die Ohren lang ziehen
eben, die verstehen was vom Markt der Buecher ueber Rosen, aber nix von
der harten Wissenschaft. Ein verstaendiges und verstaendliches Buch mit
praktischen Beispielen ueber Dimensionen, Schreibweisen, einer Einfuehrung
in die Normen und Grunddefinitionen und Festlegungen der Dimensionen in
der Physik ist hoch ueberfaellig, zeitlos, braucht jeder, braucht es
laufend, ein riesiger Markt, -tja, aber eben auch nur, wenn der Leser es
auch nutzen kann, d.h. runterladen, Formeln direkt in code transferieren
und einbauen. Schliesslich will der Leser seine eigenen Formeln hin-und
ruecktransformieren koennen bzw. lassen, ohne lange per Hand zu fummeln.
wenn ich Ihr Geld so versenke.
Sie meinen, Sie wuerden was versenken, weil sie das Fach und den Markt
nicht kennen.
Ein Lehrbuch OA muss von irgend jemandem gesponsert werden.
Das ist nicht so. OA Lehrbuecher gibts, haben ihr eigenes Geschaeftsmodell
(muessten Sie als Verleger natuerlich kennen). Kluge Verleger haben und
werden mit OA-Lehrbuechern richtig gut Geld verdienen. Und die Experten
wissen, wie es geht.
Und je ideologischer das Lehrbuch ist,
nee, mit Ideologie hat das inhaltliche Thema nix zu tun. Sondern mit einer
Handreichung fuer das taegliche Arbeiten in der Physik. In der
Theoretischen Physik ist es in vielen Fachrichtungen seit langem ueblich
(auch in fast allen Publikationen etwa zur Kosmologie,
Elementarteilchenphysik, etc.), c=1, G=1 zu setzen. Die
Experimentalphysiker brauchen dann fuer die Ergebnisse oft die Umrechnung
in z.B. das cgs-System. Das macht man bisher per Hand (aus E=m wird im
cgs: E=mc^2, und das schoene ist, es gibt nur genau eine Moeglichkeit, c,G
so 'zu verteilen', dass es stimmt. Oder in der allgemeinen
Relativitaetstheorie der Schwartzschild-Nenner: 1-M/R (M Sternmasse, R
Sternradius) muessen Sie natuerlich G,c so einsetzen im cgs. dass es
passt. Dies online tun zu koennen, waere ein grosser Gewinn, verlangt aber
einen verstaendigen Verleger, der weiss, wie man mit OA-Buechern ohne
Staatssubventionen Geld verdient.
desto wahrscheinlicher wird die OA Ausgabe.
Eine voellige Verkennung der Anforderungen des Marktes der
wissenschaftlichen Buecher in der jetzigen Zeit: OA heisst: das Buch kann
aktuell gehalten werden, math.Formeln sind lokal ausfuehrbar, man hat von
ueberall in der Welt aus mit Sicherheit Zugriff. Daher werden in den
exakten Naturwissenschaften ernsthafte Buecher nur OA ueberleben, fuer den
riesigen Pool an marginalen Buechern bleibt das bisherige magere
Geschaeftsmnodell.
Das ist nicht meine Welt, aus dem staatlichen Subventionswesen h?lt man
sich besser raus, das
sind finstere Abgr?nde, in die man sonst ger?t.
Ein finsterer Abgrund ist das mangelnde Verstaendnis der Anforderungen aus
der Wissenschaft an Lehrbuecher heute bei einigen Verlegern. Gerade in der
Mathematik gibt es aber auch andere.
Zur Peripherie: Frau Mruck hat natuerlich voellig recht. In meinem Fach
ist die gaengige Praxis, dass die Autoren einen fertigen latex-Text
abliefern. Nie hat in diesen ein Gutachter/editor eine Korrektur verlangt.
Einzige Ausnahme: bei einem Buch in englischer Sprache hat der Verlag ein
kluges editing unseres gehobenen Broken english durchgefuehrt. Schlimmer
noch, als wir bei einem Grossverlag den Setzer das Differential d unter
einem Integral in /roman setzen sahen statt in /italic, und ihn darauf
hinwiesen, dass /roman(d) ein Faktor, eine Variable, aber /italic ein
Differential ist, da sah man, er wusste von nix. 'Sieht doch so
einheitlicher aus.' Viele Verlage sind zu aengstlichen
Vertriebs-und-Setzmaschinen verkuemmert, dabei haetten sie nun gerade in
so einer Umbruchszeit die grossen Chancen, langfristig ihre Zukunft zu
sichern.
Da findet in anst?ndigen Verlagen die konzeptionelle Vorarbeit, die
Qualit?tssicherung und die Formatierung statt.
Aus der Praxis eines sehr anstaendigen Lehrbuchverlages: konzeptionelle
Vorarbeit, fachliche Qualitaetsarbeit = 100% durch die Autoren, in einem
anderen Fall: 90% Autoren, 10% ein (unbezahlter) Kollege, der hier als
Editor wirkte. Formatierung: ok, der fertige Latex-Text wurde im .pdf
umformatiert und mit Kopf und Fuss versehen.
Kleine Bemerkung noch: was mich wirklich aergert, ist, dass es so viele
Buchverlage gibt, die bei ihren Formatierungen (im Gegensatz zu dem
Standard vor der Einfuehrung von Computern in den verlagen) dauernd
Wortzwischenstaende nicht ausgleichen, Zeilen-endtrennungen nicht korrekt
machen, Ligaturen nicht mehr respektieren usf. Es gibt also einen
Rueckschritt bei den Verlagsleistungen! Und das im jetzigen goldenen
Zeitalter, in dem ein Fachverlag wirklich nuetzliche Zusatzdienste rund um
die OA-Fassung anbietet, Hinweise auf relevante Literatur online, die nach
Erscheinen des Buches herauskommt, z.B. Fach-Foren, FAQ, Tutorien,
Formel-und Literaturverknuepfungen, Experten-fragen, Verknuepfung mit
Datenbanken, mit neueren Experimenten (nach Erscheinen), usf. ---
Alles Dienste, die sich nur fuer ein ernsthaftes Buch lohnen, fuer solche
suchen wir ernsthafte Verleger, die nicht Argumente als 'unzustellbar'
zuruecksenden, und die sich eben nur mit OA-Buechern realisieren lassen
(zur Erinnerung: OA heisst eine digitale Fassung mit Quelltext und alle
Daten online zur beliebigen (erhofften) Nachnutzung. Die nicht so
wichtigen Buecher, die den Autor und den Verlag freuen moegen, sowie eben
Belletristik und Rosenbuecher: dafuer braucht man moeglichst schoenes
Papier, und die haben auch beste
schoenes Papier, und die haben auch beste
Verlagsleistungen.
Schliesslich: Ihre seltsame Argumentation:
Gemeint war: wenn ein Werk OA ver?ffentlicht werden soll, dann m?ssen
die Gestehungskosten von einem Dritten ?bernommen
werden. Das kann nicht der Autor sein. Man muss jemanden suchen, der
das Lehrbuch sponsort. Und
das sind dann Institutionen, die keinen ?konomischen sondern einen
ideologischen Zweck
verfolgen. Und das wirkt sich zwingend auf den Inhalt aus, weil damit
eine inhaltliche Beeinflussung verbunden ist.
Einnahmen fuer Buecher kommen immer von Dritten. Einnahmen fuer OA-Buecher
nicht anders. Die weltweite umfangreiche Erfahrung mit ernsthaften
OA-Buechern lehrt, dass die Einnahmen aus der Druckfassung, und aus
anderen zugeordneten Diensten, ja sogar aus Online angebotenen
Zusatzdiensten (z.B. Verkauf von math.Programm-Paketen, die latex Formeln
aus Buechern verarbeiten koennen, Graphikpakete, die beides nutzen,
Tutormaterialien, usf.) gute und zukunftsfaehige Einnahmen fuer den Verlag
generieren, wenn er denn mit den Autoren zusammenarbeiten (kann und will).
Schliesslich: in meinem Fach kenne ich nach all den Berufsjahren nun
wirklich nicht ein einziges Buch, das 'ideologisch' oder gar ideologisch
gesponsert worden waere. Mit Theoretischer Physik kann man eben keine
Politik betreiben.
vom Autor selbst 'gebastelte' Layout und Satz ist heutzutage in vielen Faellen,
mein Buecherschrank ist voll davon, besser, als viele Verlagsbeispiele.
Grund: es gibt professionelle Latex-book Programme. Lassen Sie uns doch
einen Wettbewerb machen: Sie nennen nach Ihrer Meinung 'anstaendige
Verlage', und ich nenne Ihnen konkrete Einzelbeispiele.
Wo ich Ihnen Recht gebe, ist: der Buchmarkt wissenschaftlicher Buecher
liegt im Argen. Honorare von 200,- pro Buch bei den Margen der Verlage
sind nichts als eine Missachtung der Autorenleistungen. Und die o.g.
zusatzleistungen fehlen. Da lobe ich mir doch den Herrn Elsevier, der 1865
eben die damaligen Wissenschaftler gefragt hatte, was sie brauechten, und
Kammerling-Onnes und andere sagten damals: referierte Fachzeitschriften.
Heute gibt es kaum Verleger, die diesen Schritt tun, jedenfalls nicht
hier.
Ihnen ein nachenklichen Abend wuenschend und weiter auf der Suche nach
einem wagemutigeren Verleger,der mit uns kooperieren will,
Ihr Eberhard R. Hilf
--
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