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Re: [InetBib] Urheberrechtsreform - Planungen



Lieber Herr Umstätter,

Ihrer Aussage wird sicher jeder schnell zustimmen:

Ob Lobbyarbeit schlecht ist, ist eine Frage der Definition. Wenn Lobbyisten 
berechtigte Interessen vertreten und verdeutlichen, ist das höchst positiv. 
Aber wenn sie, wie immer wieder beobachtbar, rücksichtslos egoistische 
Interessen durchsetzen, auch wider besseren Wissens, ... , nur um eigene 
Vorteile zu erzielen, dann ist das durchaus anzuprangern, insbesondere dann, 
wenn schon so manche Partei damit ihre Wahl gewonnen hat. 

Dennoch möchte ich gerne widersprechen. Subjektiv fällt es leicht, zu bewerten, 
welche Interessen berechtigt sind und welche nicht, wo ich jemanden als 
rücksichtslos empfinde usw. Das zu objektivieren ist aber fast immer unmöglich 
und alleine deshalb als unmöglich zu akzeptieren.

Dass die Interessen, die jemand vertritt egoistisch sind, sollte der Normalfall 
sein. Auch das schon per Definition, weil er sie  vertritt. Auch angeblich 
altruistische Motive sind letztlich egoistisch.

Dass jemand Interessen wider besseres Wissen vertritt ist eine gefährliche 
Annahme. Hier akzeptiert man nicht mehr, dass der andere berechtigterweise eine 
andere Meinung hat, sondern unterstellt ihm, dass er eine andere Meinung hat 
als er vorgibt. Das untergräbt die Grundlage jeder Demokratie und 
Meinungsfreiheit. Das sollte man nicht weiterverfolgen.

Die Grundidee, dass wir statt dem Lobbyismus, bei dem Interessen an kompetente 
Vertreter delegiert werden eine Gesellschaft haben, bei der alle gleichermaßen 
kompetent sind, ist eine Idee, die für unsere Demokratie zwar grundlegend und 
notwendig ist, die aber nichtsdestotrotz erhebliche Mängel hat. Gerade in der 
Verbandsarbeit muss man frustriert zur Kenntnis  nehmen, dass sich die große 
Mehrheit der Mitglieder für die Themen persönlich überhaupt nicht interessiert 
und ganz unbedingt will, dass das jemand für sie macht.

Wir haben nach meiner Vermutung spannende Jahre vor uns, in denen sowohl 
erkannt werden muss, dass die Bürger sich verstärkt für Privates und noch 
weniger für Öffentliches interessieren als auch gleichzeitig das politische 
System ein verstärktes Engagement der Bürger für Öffentliches erforderlich 
machen wird, weil die aktuelle Organisation des Interessenausgleichs über 
weitgehende Delegation problematisch wird. Die Parteien werden die Antwort 
darauf nicht geben können aber geben müssen. Dieser Prozess wird auch das 
Verbandswesen und die Lobbyarbeit neu prägen.

Bei Lichte betrachtet stelle ich der Lobbyarbeit heute kein so schlechtes 
Zeugnis wie SIe aus. Wenn wir ein sehr schwieriges Thema wie die Neuregelung 
für verwaiste Werke nehmen, dann ist die Vielzahl der Aktivitäten, die 
Beteiligung so ziemlich aller Gruppierungen, die zahlreichen Anhörungen und 
Befragungen, die Diskussion auf internationaler, europäischer und nationaler 
Ebene eine gute Grundlage, auf der die Regierung dann einen Gesetzesentwurf 
vorlegen wird. Die Thematik ist so schwierig, dass ohne die vorherigen 
Anhörungen und Diskussionen kaum ein kompetenter Vorschlag vorgebracht werden 
kann. Und das Ministerium hält sich zur Thematik mit Aussagen sehr lange 
zurück, was den Vorteil hat, dass die unterschiedlichen Gruppen viel Zeit 
bekommen. Denn Diskussionen wie die hier geführte bewirken hoffentlich, dass 
aus den ursprünglich festgefahrenen Positionen durch Gespräche eine Annäherung 
und Verständnis entsteht, wodurch die am Ende vorgeschlagenen Lösungen 
erheblich mehr Zustimmung gewinnen, als wenn sie zu Beginn des Prozesses von 
einem superkompetenten allwissenden Gesetzesformulierer vorgelegt worden wären 
und sich alle Gruppen dann heulend daran abgearbeitet hätten.
Dass alle fürchterlich schreien und klagen um ihre Interessen als viel 
wichtiger zu bezeichnen und durch Mitleid beim Gesetzgeber mehr Beachtung zu 
erreichen versuchen bzw. durch wüste Beschimpfungen den Gegner zu diffamieren 
versuchen, das ist wohl Bestandteil des Spiels, auch wenn es der dümmste und 
infantilsteTeil der Lobbyarbeit ist. Aber auch den hält man tunlichst  klein, 
denn Gehör finden basiert eben auch auf Vertrauen. Und  Vertrauen erwirbt sich 
in der Lobbyarbeit eine Organisation vor allem durch Glaubwürdigkeit. Das ist 
das mächtigste Regulativ, dass Politiker Lobbyisten eben nicht zuhören MÜSSEN. 
Man muss sich das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit erst verdienen. 

Herzliche Grüße
Matthias Ulmer





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