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Re: [InetBib] Urheberrechtsreform - Planungen
- Date: Mon, 15 Aug 2011 13:27:38 +0200
- From: Matthias Ulmer <mulmer@xxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Urheberrechtsreform - Planungen
Lieber Herr Umstätter,
Ihrer Aussage wird sicher jeder schnell zustimmen:
Ob Lobbyarbeit schlecht ist, ist eine Frage der Definition. Wenn Lobbyisten
berechtigte Interessen vertreten und verdeutlichen, ist das höchst positiv.
Aber wenn sie, wie immer wieder beobachtbar, rücksichtslos egoistische
Interessen durchsetzen, auch wider besseren Wissens, ... , nur um eigene
Vorteile zu erzielen, dann ist das durchaus anzuprangern, insbesondere dann,
wenn schon so manche Partei damit ihre Wahl gewonnen hat.
Dennoch möchte ich gerne widersprechen. Subjektiv fällt es leicht, zu bewerten,
welche Interessen berechtigt sind und welche nicht, wo ich jemanden als
rücksichtslos empfinde usw. Das zu objektivieren ist aber fast immer unmöglich
und alleine deshalb als unmöglich zu akzeptieren.
Dass die Interessen, die jemand vertritt egoistisch sind, sollte der Normalfall
sein. Auch das schon per Definition, weil er sie vertritt. Auch angeblich
altruistische Motive sind letztlich egoistisch.
Dass jemand Interessen wider besseres Wissen vertritt ist eine gefährliche
Annahme. Hier akzeptiert man nicht mehr, dass der andere berechtigterweise eine
andere Meinung hat, sondern unterstellt ihm, dass er eine andere Meinung hat
als er vorgibt. Das untergräbt die Grundlage jeder Demokratie und
Meinungsfreiheit. Das sollte man nicht weiterverfolgen.
Die Grundidee, dass wir statt dem Lobbyismus, bei dem Interessen an kompetente
Vertreter delegiert werden eine Gesellschaft haben, bei der alle gleichermaßen
kompetent sind, ist eine Idee, die für unsere Demokratie zwar grundlegend und
notwendig ist, die aber nichtsdestotrotz erhebliche Mängel hat. Gerade in der
Verbandsarbeit muss man frustriert zur Kenntnis nehmen, dass sich die große
Mehrheit der Mitglieder für die Themen persönlich überhaupt nicht interessiert
und ganz unbedingt will, dass das jemand für sie macht.
Wir haben nach meiner Vermutung spannende Jahre vor uns, in denen sowohl
erkannt werden muss, dass die Bürger sich verstärkt für Privates und noch
weniger für Öffentliches interessieren als auch gleichzeitig das politische
System ein verstärktes Engagement der Bürger für Öffentliches erforderlich
machen wird, weil die aktuelle Organisation des Interessenausgleichs über
weitgehende Delegation problematisch wird. Die Parteien werden die Antwort
darauf nicht geben können aber geben müssen. Dieser Prozess wird auch das
Verbandswesen und die Lobbyarbeit neu prägen.
Bei Lichte betrachtet stelle ich der Lobbyarbeit heute kein so schlechtes
Zeugnis wie SIe aus. Wenn wir ein sehr schwieriges Thema wie die Neuregelung
für verwaiste Werke nehmen, dann ist die Vielzahl der Aktivitäten, die
Beteiligung so ziemlich aller Gruppierungen, die zahlreichen Anhörungen und
Befragungen, die Diskussion auf internationaler, europäischer und nationaler
Ebene eine gute Grundlage, auf der die Regierung dann einen Gesetzesentwurf
vorlegen wird. Die Thematik ist so schwierig, dass ohne die vorherigen
Anhörungen und Diskussionen kaum ein kompetenter Vorschlag vorgebracht werden
kann. Und das Ministerium hält sich zur Thematik mit Aussagen sehr lange
zurück, was den Vorteil hat, dass die unterschiedlichen Gruppen viel Zeit
bekommen. Denn Diskussionen wie die hier geführte bewirken hoffentlich, dass
aus den ursprünglich festgefahrenen Positionen durch Gespräche eine Annäherung
und Verständnis entsteht, wodurch die am Ende vorgeschlagenen Lösungen
erheblich mehr Zustimmung gewinnen, als wenn sie zu Beginn des Prozesses von
einem superkompetenten allwissenden Gesetzesformulierer vorgelegt worden wären
und sich alle Gruppen dann heulend daran abgearbeitet hätten.
Dass alle fürchterlich schreien und klagen um ihre Interessen als viel
wichtiger zu bezeichnen und durch Mitleid beim Gesetzgeber mehr Beachtung zu
erreichen versuchen bzw. durch wüste Beschimpfungen den Gegner zu diffamieren
versuchen, das ist wohl Bestandteil des Spiels, auch wenn es der dümmste und
infantilsteTeil der Lobbyarbeit ist. Aber auch den hält man tunlichst klein,
denn Gehör finden basiert eben auch auf Vertrauen. Und Vertrauen erwirbt sich
in der Lobbyarbeit eine Organisation vor allem durch Glaubwürdigkeit. Das ist
das mächtigste Regulativ, dass Politiker Lobbyisten eben nicht zuhören MÜSSEN.
Man muss sich das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit erst verdienen.
Herzliche Grüße
Matthias Ulmer
--
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