<lieber Herr Ulmer,
(wenn Sie es eilig haben, lesen Sie die Schlusssaetze zuerst..)
1.
Kernpunkt des Dissenses bleibt doch:
eine Koordination der Interessen durch gegenseitige Information über
Interessenlagen, ein Ausloten des Machbaren.
und dazu gehoeren eben die Dienstleister und! die Betroffenen, in einer
ordentlichen Demokratie natuerlich nur die Betroffenen; der Gesetzgeber
setzt dann den Rahmen, der die Anforderungen der Forschung bestmoeglichst
sicherstellt; in diesem Rahmen haben dann die kommerziellen
Service-Provider eine gesicherte Basis, ihre Geschaeftsmodelle zu
entwickeln, und die von der Wissenschaft geforderten Dienste (die alle
jeweils verfuegbaren technischen Moeglichkeiten ausschoepfen) als
Service-Provider zu entwickeln und anzubieten.
2.
Solche Gespräche führt man ja nur mit Personen oder Institutionen,
gegenüber denen man ein gewisses Vertrauen hat.
Dass die Dienstleister (VG-Wort, Verlage) unter sich verwandte Interessen
haben, naemlich Geld zu verdienen, ist ja fein. Aber die Nutzer/Autoren
und deren Vertretungen auszuschliessen, ist absurd.
Und dass Sie sagen, die Verlage und VG-Wort haetten kein Vertrauen in die
Nutzervertretungen ihrer Dienstleistungen, spricht Baende.
Dass in einer Lobby-Gruppe eines Industriezweiges, und darum handelt es
sich ja hier, untereinander 'ein gewisses Vertrauen' herrscht, glaube ich
Ihnen.
3.
Die Urheber sind an den Gesprächen indirekt beteiligt, durch die Verlage
und die VG Wort.
Das ist der Kernpunkt: 'indirekt beteiligt durch die Dienstleister'.
Soll mein Baecker mich jetzt 'indirekt an meiner Kaufentscheidung
beteiligen', indem er mit dem Gesetzgeber zusammen ohne mich beraet, was
ich zu bekommen habe und wann?
Eine Lobbygruppe, die sich als Vertretung der Kunden darstellt: starkes
Stueck.
4.
Ich empfinde das Aktionsbündnis nicht als repräsentative Vertretung für
Autoreninteressen. Es drückt viel eher Nutzerinteressen aus
Empfinden ist gut: Tatsache ist, dass in der Wissenschaft im Gegensatz zur
Belletristik oder Gartenbuechern alle aktiven Wissenschaftler sowohl
Autoren wie Nutzer sind.
Im AB haben sich die wissenschaftlichen Vertretungen/Institutionen
in Deutschland zusammengeschlossen, die Sie, verstaendlicherweise als
Lobbyist, aus Angst ausgrenzen wollen.
5.
die vom Aktionsbündnis vertretene Wissenschaft nur ein
kleiner Teil des gesamten Urheberspektrums ist, kommerziell gesehen im
Buchhandel etwa gerade noch 6,8% ausmacht, weiter abnehmend.
Auch das betrifft den Kern: sie wollen uns Wissenschaftler, mit ihren
Notwendigkeiten fuer eine effektive Forschung hier marginalisieren,
weil sie kommerziell nicht so essentiell seien.
Mein Vorschlag hiess ja nicht, die belletristischen Autoren
auszuschliessen, sondern keine der Nutzergruppen auszuschliessen,
und jedenfalls: jede Diskussion ueber Marktrahmenbedingungen, die das
wiss. Informartionsmanagement
betrifft, so sie serioes ist, verlangt die gleichrangige Teilnahme und
aktive Hinzuziehung der Autoren/Nutzer-Vertretungen, genauer: erst die
Betroffenen, AUtoren/Nutzer/Leser, soweit sie Wissenschaftler sind, dann,
wenn ueberhaupt, die Verlage (s.o.).
6.
Das sind Parikularinteressen
eben, jeder der Beteiligten, auch Ihr Verlag hat seine Partikularinteressen.
Die 'Partikulargruppe' der Wissenschaft in Deutschland ist in ihrem
'Arbeitskreis' ueberhaupt nicht vertreten.
7.
Und ich vermute, dass beim Thema verwaiste Werke
das wissenschaftliche Schrifttum keine besonders große Rolle spielt.
Leider doch, das ist Ihnen als Nichtwissenschaftler, und Verlag, fuer den
wiss. Publizieren eher randstaendig ist und auch nur einen sehr kleinen
Marktanteil da hat, nur nicht klar.
8.
Zur Vergütung:
Fuer die Belletristik etc. haben Sie Recht.
Fuer den wissenschaftlichen Sektor ist das einfacher:
bei verwaisten Werken kann der Staat davon ausgehen, (der letzte
Privatgelehrte war wohl Dr. de Broglie), dass das Werk von einem Autor in
staatlichem Dienst oder von ihm finanziert entstanden ist mit dem Ziel,
die Wissenschaft zu foerdern, verfuegbar zu bleiben, barrierefrei
zugaenglich und lesbar zu bleiben, dass der Wille des Autors (und der
seines Auftraggebers/Finanziers) war, gelesen zu werden und dadurch in den
wiss. Nachkommen und deren Werken Wirkung zu erzeugen, also
wissenschaftlich 'beruehmt' zu werden. Das geht so weit, dass viele
Autoren ihre Werke nicht einmal bei VG-Wort anmelden, wie ich und die mir
bekannten Kollegen.
9.
naheliegend, dass die Vergütung irgend wann beim Rechteinhaber ankommt.
Auch hier haben Sie - fuer den Staat eben kein marginaler Sektor
'wissenschaftliche Forschung' nicht verstanden, was in diesem Sektor
entscheidend ist und von den Erben i.A. auch als Wille des Autors
respektiert wird: gelesen zu werden, zum Lesen gefunden zu werden; wenn
dies eingeschraenkt wird, damit einige Dienstleister damit mehr Geld
verdienen koennen, versuendigt sich dieser an dem Willen des wiss. Autors,
an dem Staatswillen nach effektiver Forschung (Wissen aus kommerziellen
Interessen der Forschung vorzuenthalten).
Fazit: Ihre 'AG' aufloesen und eine offene Diskussion mit Allen fuehren,
wie sich das in einer Demokratie gehoert.
Nichts fuer ungut, Ihr Eberhard Hilf, http://www.isn-oldenburg.de/~hilf
P.S.: als Abendlektuere empfehle ich Ihnen das sehr genaue Studium von
1. http://www.iupap.org/wg/communications/ethics/index.html
Workshop on Scientific Misconduct and the Role of Physics Journals in its
Investigation and Prevention; IUPAP International Union for Pure and
Applied Physics; da waren uebrigens die relevanten wiss. Verlage
vertreten..
2. dass uebrigens wir, im Gegensatz zu Ihnen, offen und konstruktiv das
Gespraech der Wissenschaft mit den Dienstleistern von Anfang an gesucht
und organisiert haben, sehen Sie aus der offenen Mitgliederliste der AG
ElFiKom on Electronic Information and Communication (1995).