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Re: [InetBib] Keine Sonntagsöffnung mehr für Bibliotheken?



Am 28.11.2014 12:06, schrieb Mathis Christian Holzbach:
Nachtrag zum Stichwort  Αγορά:

Die niederländischen Bestrebungen, aus der Bibliothek eine Αγορά machen zu wollen, bedeutet zugleich, diese Einrichtung zu einer politischen Institution und damit zu einem Entscheidungsgremium  machen zu wollen, gleich dem germanischen Thing. ἁγορεύειν (sich in der Versammlung betätigen/ öffentlich reden) ist eher 
mit ἑκκλησία als eigentliche Bezeichnung für die Kirchen (Herausrufen) in Beziehung zu setzen. Dies jetzt auf die βιβλιοθήκη (wörtlich übersetzt: "Bücher-Aufbewahrungsort"/ „Bücherbehälter“.) zu beziehen, halte ich für schief. Will man dann die 
Bibliothek zum Gegenstand eines öffentlichen politisch bedeutsamen Entscheidungsortes machen? Das wäre tatsächlich eine interessante Bedeutungsverschiebung. Die Verbindung zum Μουσεῖον ist auch im Rahmen der forcierten Intention der niederländischen Bibliotheksschaffenden gewinnbringender.




Wir kommen jetzt hier ein wenig vom Thema ab. Allerdings zeigt mir die Diskussion, dass es keine gute Idee ist, historisches Wissen in der bibliothekarischen Ausbildung zu sehr zugunsten vorgeblich modernerer Themen zu ersetzen.

Wenn wir hier über Öffentliche Bibliotheken reden, über die früher so genannten "Volksbüchereien", so sind diese vor allem ein Kind des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Sie haben einen ihrer Ursprünge in meist aus privater Initiative entstandenen "Lesegesellschaften", die sehr wohl ein Ort der politischen Auseinandersetzung und Debatte waren. Nicht umsonst spielen diese Gesellschaften etwa in der Zensurgeschichte oder der frühen "Kulturpolizei" eine gewisse Rolle, weil sie von der Obrigkeit beargwöhnt wurden.

Wenn wir heute die Öffentliche Bibliothek weniger als ein "Medienlager", sondern als einen vor dem Hintergrund medialer Inhalte (von wo auch immer diese herkommen mögen: Buch, Netz, etc.) arbeitenden Begegnungs- und Kommunikationsraum verstehen, so ist das nicht nur nicht ohne Vorbild in der Geschichte, sondern fast schon eine Wiederbelebung eines vergessenen Gründungsimpulses für das Öffentliche Bibliothekswesen.

Hier ein willkürlicher Beleg zum Weiterlesen: http://books.google.de/books?id=00YSUEuzHPUC&pg=PA7&lpg=PA7&dq=lesegesellschaft+%C3%B6ffentliche+bibliotheken+vorl%C3%A4ufer&source=bl&ots=Boa_m5-JbH&sig=lUtKHI4oFYFYptxrYquVTJaT3mk&hl=de&sa=X&ei=jV94VPShCYncPdnXgZAF&ved=0CD0Q6AEwBQ#v=onepage&q=lesegesellschaft%20%C3%B6ffentliche%20bibliotheken%20vorl%C3%A4ufer&f=false

Dieser Beleg zeigt überdies sehr schön, wie entbehrlich die lokale Büchersammlung und die Mitgliedschaft in einer konkreten Institution für den Zugang zu publizierten Informationen mittlerweile ist. Um es deutlich zu sagen: Mir wäre noch Mitte der 90 er Jahre dieses Buch vermutlich nie über den Weg gelaufen. Als Einwohner einer mittleren Kreisstadt hätte ich vielleicht durch das VLB oder eine Buchbesprechung von dessen Existenz erfahren und es mir dann über die Fernleihe besorgen müssen. Ohne die Mitgliedschaft in der Institution Bibliothek aber hätte ich keinen Zugang zu solchen Inhalten gehabt. Das hat sich heute grundlegend gewandelt. Darauf muss man nicht nur aus fachlichen Gründen konzeptionell reagieren. Hier liegt auch keine geringe finanzpolitische Notwendigkeit, die Einrichtung "Öffentliche Bibliothek" neu auszurichten, will man sie als altbackenen "Mediencontainer" nicht nahezu verlustfrei durch das Internet ersetzen ... Ein bloßes "Haus der Information" ist im Online-Zeitalter sinnlos. Als Bürgermeister würde ich so eine Einrichtung sofort schließen und das Geld besser in der Musikschule oder im Schwimmbad anlegen. DAS sind die Probleme um die es geht, weniger etymologische Überlegungen oder dergleichen ...


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Prof. Dr. Eric W. Steinhauer
Dezernent für Medienbearbeitung
Fachreferent für Allgemeines, Rechts-, Staats- und Politikwissenschaft
Fernuniversität in Hagen - Universitätsbibliothek
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Tel: 02331 / 987 - 2890
Fax: 02331 / 987-346


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