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Re: [InetBib] Keine Sonntagsöffnung mehr für Bibliotheken?



Nachtrag zum Stichwort  Αγορά:

Die niederländischen Bestrebungen, aus der Bibliothek eine Αγορά machen zu 
wollen, bedeutet zugleich, diese Einrichtung zu einer politischen Institution 
und damit zu einem Entscheidungsgremium  machen zu wollen, gleich dem 
germanischen Thing. ἁγορεύειν (sich in der Versammlung betätigen/ öffentlich 
reden) ist eher mit ἑκκλησία als eigentliche Bezeichnung für die Kirchen 
(Herausrufen) in Beziehung zu setzen. Dies jetzt auf die βιβλιοθήκη (wörtlich 
übersetzt: "Bücher-Aufbewahrungsort"/ „Bücherbehälter“.) zu beziehen, halte ich 
für schief. Will man dann die Bibliothek zum Gegenstand eines öffentlichen 
politisch bedeutsamen Entscheidungsortes machen? Das wäre tatsächlich eine 
interessante Bedeutungsverschiebung. Die Verbindung zum Μουσεῖον ist auch im 
Rahmen der forcierten Intention der niederländischen Bibliotheksschaffenden 
gewinnbringender. 



Am 28.11.2014 um 11:03 schrieb Mathis Holzbach <m.holzbach@xxxxxxx>:

Also, das Sie den Gottesdienst nur auf das Biblesen bzw. Bibelvorlesen 
reduzieren wollten, wurde von Ihnen deutlich gesagt. Aus der Sicht der  
Katholischen Kirche stimmt das rein rechtlich nicht. 
Die Behauptung, dass allgemein die Bibliothek als antiken Versammlungsort zu 
bezeichnen sei, ist nach meiner Kenntnis nicht unproblematisch. 

Ich bin mal eine Arbeit von Frau Verch zu diesem Thema durchgegangen und habe 
nach dieser Lektüre festgestellt, dass im Bezug zum Urteil des 
Bundesverwaltungsgerichtes gerade die eingeschränkte Erlaubnis von 
Tätigkeiten, die nur am Sonntag gemacht werden dürfen, auch weiterhin die 
sonntägliche Nutzung des Präsenzbestandes von Bibliotheken  rechtfertigen 
würde. Ob mit dieser Öffnung in Zukunft auch die Dienstleistung verbunden 
werden sollte, ist ein interessanter Gedanke: ich habe Sonntags dort noch nie 
einen Fachreferenten angetroffen ;-) . 

Die Argumentation,  Bibliotheken und damit auch Stadtbibliotheken neben dem 
Museum und dem Theater als kulturelles Begegnungszentrum wahrzunehmen, bleibt 
ein interessanter Diskussionspunkt. Andererseits sollte man sich auch fragen, 
ob die Sonntagsöffnung in diesen städtischen Einrichtungen sich überhaupt 
lohnt. Das bedeutet, ob die Nutzer die städtischen Bibliotheken überhaupt als 
kulturelle Einrichtung wahrnehmen bzw. nutzen wollen. Während die 
wissenschaftliche Bibliothek ob ihres Präsenzbestandes als Arbeitszentrum, m. 
E. weniger als Begegnungszentrum, genutzt werden, werden die städtischen 
Bibliotheken -abgesehen von ein paar Ausnahmen- doch wohl eher als 
"Ausleihzentrum" wahrgenommen. (Ich vergesse nicht die Wenigen, die sowohl in 
Universitätsbibliotheken als auch in städtischen Bibliotheken regelmäßig die 
Tageszeitungen, ggf.  Magazine lesen. Eine kulturelle Bedeutung des Begegnens 
kann ich auch hier nicht erkennen.) 

Fazit: Das Urteil bestätigt nach meiner Sicht, dass alles bleibt, so wie es 
ist.   
MH 

Von meinem iPad gesendet

Am 27.11.2014 um 23:59 schrieb h0228kdm <h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxxx>:

Am 2014-11-27 19:32, schrieb Mathis Holzbach:
Lieber Herr Umstätter,
hier ging es nicht um eine historische Begründung der Frage, ob
Sonntags die Bibliotheken geöffnet werden sollen oder nicht, sondern
nur um die rechtliche Einordnung des jüngsten Urteils.

Lieber Herr Holzbach,

ich befürchte, Sie haben meine Zeilen missverstanden. Ich wollte lediglich 
darauf hinweisen, dass eine solche rechtliche Einordnung, auch für die 
Zukunft des Bibliothekswesens in Deutschland Konsequenzen haben dürfte. Ich 
hoffe, dass das hier erlaubt ist. Wobei ich nicht sicher bin, ob 
Bibliotheken auch in Zukunft von Juristen, Kirchen, Gewerkschaftlern und 
Politikern so eingeschätzt werden wie heute. Mir sagte vor längerer Zeit ein 
englischer Kollege, dass er eine Gefahr darin sehe, dass Public Libraries zu 
sehr als leisure activities gesehen werden. Bei uns hieß das des öfteren 
Lesecafe, etc. Seit den PISA-Studien konzentrieren sich die Öffentlichen 
Bibliotheken darum hier in Deutschland immer öfter auf die Leseförderung. 
Zur Zeit von E. Ackerknecht und M. Dewey, sollten es eher 
Bildungseinrichtungen sein. Ebenso wie bei den zahlreichen kleinen 
kirchlichen Bibliotheken, die früher extra sonntags öffneten (was der 
Kollege Steinhauer bereits andeutete). Da ist seit Jahrzehnten ein Wandel, 
der für die Zukunft der Digitalen Bibliothek (z.B. mit den LibraryLabs s. 
www.ib.hu-berlin.de/~wumsta/infopub/BAK14b_Vortrag.pdf) sicher wichtig sein 
wird - auch für deren rechtliche Einordnung.

Wenn die Bibliotheken weiter privatisiert werden (s. GATS) zählen sie 
möglicherweise bald zu den Vergnügungsparks ;-)

Hier geht es
doch nicht nur um die Kirchen. (Außerdem: die katholische Kirche
bezieht sich nicht auf Luther, obwohl er katholisch war ;-)).

Wie weit Luther noch katholisch bzw. schon Protestant war, dürfte weitgehend 
klar sein. Aber hier ging es "nicht nur um die Kirche" es geht um die 
Öffnung von Bibliotheken und das Lesen in Bibliotheken an Sonntagen.

Es geht
allein um die Frage, wie es Herr Steinhauer hervorgehoben hat, ob die
öffentlichen Bibliotheken rechtlich als kulturelle Begegnungszentren
angenommen werden können oder nicht und ob im Bezug auf das jüngste
Urteil dieser Stellenwert Sonnta

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