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Re: [InetBib] Urheberrechtsreform - Planungen



Lieber Herr Lackhoff,

vielleicht teilen wir die  betroffenen Werke zum besseren Verständnis  mal in 
drei Gruppen ein: 
1. Verwaiste Werke nach der alten diligent Search: hier ist mit recht großer 
Sicherheit kein Verlag mehr beteiligt, die Fälle werden vermutlich unter 5% 
liegen.
2A. Verwaiste Werke nach neuer diligent Search: das sind Werke, die bei 
bisheriger Suche als nicht verwaist gegolten hätten, bei denen wir diese Suche 
aber als unzumutbar bezeichnen. Bei denen dürfte der Anteil der  noch 
bestehenden Verlagsrechte deutlich höher liegen. Der Sinn der aktuell 
diskutierten Lösung liegt darin, dass die Qualität der Recherche-Datenbank 
bestimmt, wie groß die Zahl der verwaisten Werke ist. Je besser ein Verlag 
seine Daten einpflegt, desto weniger seiner Werke werden bei der 
automatisierten Suche nicht gefunden und als  verwaist bezeichnet.
3. nicht verwaiste Werke, bei denen die Rechteinhaber kontaktierbar sind.

Der im Börsenverein diskutierte Vorschlag erweitert also die bisherige 
Situation um die Gruppe 2A und formuliert dafür  ein effizientes und schnelles 
Verfahren, bei dem die  Sorgfalt nicht mehr in der Suche steckt, sondern in der 
Pflege der Datenbanken.

Der von Aktionsbündnis vorgeschlagene Weg, die zu digitalisierenden Werke als 
Liste ins Internet zu stellen und ein zeitlich befristetes Opt out zu machen 
(ich hoffe, das habe ich so richtig verstanden), ergänzt die drei Gruppen um 
eine vierte, ich nenne sie mal 2B: aus den Werken, die in der dritten Gruppe 
stehen, also eindeutig nicht verwaist sind, werden zahlreiche Werke nach diesem 
Verfahren als verwaist deklariert, weil Verlag und Autor nicht rechtzeitig in 
die  Liste geschaut haben.

Wenn Sie  also fragen, warum ich mich als  Verleger mit der Thematik befasse, 
dann deshalb, weil für viele Verlage die Frage, wie viele ihrer Werke in die 
Gruppe 2A und 2B fallen doch einige Bedeutung hat.

Ob nun ein Verlag die Rechte zur Digitalisierung hat, das hängt nicht davon ab, 
ob der Verlag zum Zeitpunkt des Erscheinens sich die Rechte gesichert hat, 
sondern ob er sie  sich damals oder nachträglich gesichert hat. Und in den 
vergangenen Jahren haben meines Wissens die meisten Verlage  sich die Rechte 
zur Digitalisierung nachträglich eingeholt, nicht über 137l sondern direkt. Wir 
etwa haben das für  alle noch lieferbaren Werke gemacht, was auch sehr weit 
zurück reicht, weil viele der Lehrbücher oder Fachbücher in erster Auflage aus 
den Nachkriegsjahren kommen, teilweise aber auch älter sind. Bei 
geisteswissenschaftlichen Verlagen oder belletristischen dürfte die 
Rechteeinholung zur Digitalisierung erheblich weiter zurück reichen und nicht 
nur lieferbare Werke betreffen, sondern jeweils bei den Autoren auf das 
Gesamtwerk gehen.

Bei den verwaisten Werken vor 1966 ist die Situation recht eindeutig, dass 
Verlage an der Digitalisierung keine Rechte haben. Aber es geht ja genau um die 
Frage, was verwaist ist. Und bei Werken der oben als 2A  bezeichneten Gruppe 
ist der Verlagsanteil nicht unerheblich und bei der Gruppe 2B wäre er 
vermutlich erheblich.

Als Verlag beauftragen uns Autoren mit der Nutzung ihrer Rechte, und die 
Autoren erwarten auch, dass  wir uns für den Schutz ihrer Rechte einsetzen. 
Wenn Urheberrechtsverletzungen auftreten, dann wenden sich die Autoren gleich 
an den Verlag und erwarten, dass wir aktiv werden, auch wenn in vielen Fällen 
die Verlagsrechte gar nicht verletzt sind. Das gehört eben zu den Dingen, die 
Autoren von ihren Verlagen oft erwarten.
Dass die Autoren mit der Übertragung der Digitalisierungsrechte an die Verlage 
meist einverstanden sind hatte ich in dieser Liste vor längerer Zeit am 
Beispiel unseres Verlages genannt. Bei vielen tausend angeschriebenen Autoren 
hat eine Hand voll keine Übertragung an uns gewünscht, alle anderen haben 
zugestimmt. DIe Hauptsorge der Autoren, die in vielen Briefen immer wieder 
angesprochen wurde, war, dass wir das Werk aber nicht kostenlos ins Netz 
stellen dürfen. Wir mussten erläutern, dass das zur Verwendung in Suchmaschinen 
und Programmen wie SITB in Auszügen notwendig ist.
Ich kann wieder nur von meinen rund 5000 Autoren sprechen. Diese fühlen sich 
von ihrem Verlag nicht so schlecht vertreten und ich denke, ich habe ein 
besseres Gefühl dafür, was ihre Interessen sind, als SIe annehmen.

Herzliche Grüße
Matthias Ulmer




Am 13.08.2011 um 07:19 schrieb Michael Lackhoff:

Genau das zu bezweifeln war Hauptanliegen meiner Mail und Sie haben
bisher nichts aufgefuehrt, das die These stuetzen wuerde, dass Verlage
von dem Problem real betroffen sind.
Verlage duerften doch nach meiner durchaus begrenzten Kenntnis nur dann
Rechteinhaber sein, wenn die digitale Nutzung schon eine bekannte
Nutzungsart war und die Rechte daran zusaetzlich wirksam auf einen
Verlag uebertragen wurden. Das koennen naturgemaess nur recht neue Titel
sein, bei denen sich die Anzahl der Waisen in Grenzen halten wird. Und
selbst wenn tatsaechlich einmal ein Verlag Rechteinhaber sein sollte,
hat er ja ueberhaupt kein Problem automatisiert zugaengliche Listen von
Digitalisierungskandidaten mit vertretbarem Aufwand gegen das eigene
Verlagsprogramm abzugleichen. Selbst wenn ein Verlag viele andere
Verlage aufgekauft hat, sollte er schon wissen, welche Namen bzw. ISBNs
betroffen sind. D.h. im seltenen Fall der Schein-Waisen mit einem Verlag
als Rechteinhaber ist die Situation leicht zu klaeren und es sind eben
sehr schnell keine Waisen mehr.


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