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Re: [InetBib] Der VDM - DNB Reihe O - Notationen
- Date: Thu, 21 Jul 2011 07:39:44 +0200
- From: "Rupert Rompel" <Rupert.Rompel@xxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Der VDM - DNB Reihe O - Notationen
Schrott bleibt Schrott, das ist anscheinend das einzige,
wobei wir uns einig sind.
„Wir sind uns einig, dass wir uns uneinig sind“ ist bei manchen Diskussionen
schon der erste hilfreiche Ansatz.
(i) Die Praxis der formalen und informellen
Qualitaetsbewertung wissenschaftlicher Publikationen ist
disziplinabhaengig.
Uneingeschränkte Zustimmung.
(ii) Die sich in Erwerbungsvorgaengen niederschlagenden
Bewertungen von BibliothekarInnen als Vermittlern und die
Bewertung durch ForscherInnen koennen sich ebenfalls
erheblich unterscheiden.
Nochmals uneingeschränkte Zustimmung.
(iii) Ich wende mich gegen den Fetisch Peer Review.
Bei ueber 200 eigenen wissenschaftlichen
Veroeffentlichungen habe ich kein einziges Mal Erfahrungen
mit dem bei STM-Zeitschriften ueblichen Peer Review
gemacht, das in den Geisteswissenschaften bis vor kurzem
unueblich war. Geisteswissenschaftler machen nicht
schlechtere, sondern andere Wissenschaft. Man mag bestimmte
insbesondere literaturwissenschaftliche Ansaetze als
"Schamanismus" verspotten, siehe
http://archiv.twoday.net/stories/34622178/
Das fordert die Frage heraus, wem Sie die Kompetenz eines Urteils über ein
vorgelegtes Papier zutrauen. Ex-cathedra- Entscheidungen eines Einzelnen haben
sich in der Vergangenheit oft selbst disqualifiziert und gehören m.E. mehr in
den Bereich religiöser Weltanschauungen. Ihren Ausführungen in
http://www.db-thueringen.de/servlets/DocumentServlet?id=4165 konnte ich auch
kein überzeugendes Allheilmittel entnehmen. Und eine Empfehlung sui generis ist
eher im politischen Tagesbetrieb üblich. Also, was schlagen Sie als ultimativen
Beurteilungsalgorithmus für die Bewertung einer wissenschaftlichen Leistung
vor? Meinetwegen zunächst im geisteswissenschaftlichen Bereich, für den Sie
noch besondere Regeln reklamieren.
(iv) Ich wende mich gegen eine vom Publikationsort
abgeleitete "Zitierfaehigkeit" und die generelle
Vernachlaessigung oder schlechte Bewertung von
Online-Quellen.
Wenn die Wikipedia in einem Artikel bessere Informationen
bietet als ein als zitierfaehig angesehenes
Fachnachschlagewerk, ist die Wikipedia selbstverstaendlich
zitierfaehig. Sie ist es sogar dann, wenn sie das gleiche
Niveau wie ein fachliches Nachschlagewerk hat.
Man kann das als stark kommerzlastig verfluchen, aber es gibt eben historisch
gewachsene Publikationsorte, wo „man“ erschienen sein muss, um in der
jeweiligen Fachwelt nachhaltig wahrgenommen zu werden. Dass Wikipedia einmal
diesen Status erreichen wird, will ich nicht ausschließen. Allerdings ist dort
die Gefahr von Gefälligkeitsadressen noch um einiges größer als bei
einigermaßen gut organisierten Peer-Reviews. Und zugegebenermaßen ist auch die
Aussagefähigkeit eines Citation Index begrenzt, solange dort grundlegende
Regeln der deskriptiven Statistik negiert oder die Crawler durch verschleierte
Tags zu Mehrfachzählungen veranlasst werden.
(v) Der Publikationsort (wo?) ist neben dem Prestige des
Autors (wer?) ein wichtiges Indiz, das ich auch bei meinen
Lehrveranstaltungen beruecksichtige, wenn es um die
Bewertung von Onlinequellen geht.
Nach dem "Quod licet Jovi non licet bovi"-Prinzip ist es
vernuenftig, wenn Studierende strengere Maßstaebe bei dem
Ausfiltern insbesondere von Online-Publikationen anlegen
muessen, da es ihnen schwerer faellt, die Spreu vom Weizen
zu scheiden. Frueher nannte man das: quellenkritische
Kompetenz. Bei gedruckter Literatur nehmen ihnen
Bibliothekare weitgehend das Vorfiltern ab, da Hochschul-
und Seminarbibliotheken nur zum Teil Schrott enthalten.
Ich habe in meinen Seminaren den Zuhörern versucht nahe zu bringen, sich vor
Päbsten, Ordenssammlern, Maulhelden, Protagonisten, Maulwürfen u.ä. in
Programmausschüssen in acht zu nehmen. Deren – oft nicht unwesentlicher -
Einfluss auf die Bewertung von eingereichten Papieren hat unmittelbare
Auswirkung auf die Qualität der nachgeschalteten Publikationsorte. Insofern
sind wir uns über das Aneignen einer quellenkritischen Kompetenz durchaus einig!
Zur Ehrenrettung der anderen 99% an einem Peer-Review beteiligten Personen sei
gesagt, dass sie sich in der Regel ehrlich bemühen, einer eingereichten Arbeit
und ihrem Autor gerecht zu werden!
(vi) WissenschaftlerInnen haben einen Anspruch darauf, dass
BibliothekarInnen ihnen einen zumutbaren Zugang zur
gesamten wissenschaftlichen Produktion, einschließlich
Pruefungsarbeiten verschaffen (ggf. via Fernleihe).
Die Entscheidung, keine Buecher von VDM anzuschaffen, ist
daher ein Verstoß gegen bibliothekarische Grundprinzipien.
Durch Einbindung von Rezensionen via Kataloganreicherung
oder andere Bewertungssysteme koennen Nutzer ggf. "gewarnt"
werden.
(Nebenbemerkung: Ich habe soeben der UB Freiburg eine
Beschwerde uebermittelt, da in den normalen OPAC-Rechnern
externe Quellen, also DNB und SWB, mit
Inhaltsverzeichnissen und Rezensionen gesperrt sind.
Studierende werden in der Bibliothek sich ganz und gar
nicht wegen einem solchen Anreicherungstext auf
internetfaehigen Rechnern einloggen.)
Klaus Graf
Hier gefällt mir der Begriff des „zumutbaren Zugangs“ im Sinne einer
ressourcenschonenden Verwendung des zur Verfügung stehenden Etats. So wie der
Bibliotheksnutzer Anspruch auf den „zumutbaren Zugang“ hat, so hat auch der
Finanzier dieser Einrichtung Anspruch auf eine zumutbare Belastung durch diese
Einrichtung. Mit „Nice-to-have“ lassen sich keine nachhaltigen Strukturen
verwirklichen.
Freundlicher Gruß
Rupert Rompel
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