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Re: [InetBib] Der VDM - DNB Reihe O - Notationen





Schrott bleibt Schrott, das ist anscheinend das einzige,
wobei wir uns einig sind.

„Wir sind uns einig, dass wir uns uneinig sind“ ist bei manchen Diskussionen 
schon der erste hilfreiche Ansatz.

(i) Die Praxis der formalen und informellen
Qualitaetsbewertung wissenschaftlicher Publikationen ist
disziplinabhaengig.

Uneingeschränkte Zustimmung.

(ii) Die sich in Erwerbungsvorgaengen niederschlagenden
Bewertungen von BibliothekarInnen als Vermittlern und die
Bewertung durch ForscherInnen koennen sich ebenfalls
erheblich unterscheiden.

Nochmals uneingeschränkte Zustimmung.

(iii) Ich wende mich gegen den Fetisch Peer Review. 

Bei ueber 200 eigenen wissenschaftlichen
Veroeffentlichungen habe ich kein einziges Mal Erfahrungen
mit dem bei STM-Zeitschriften ueblichen Peer Review
gemacht, das in den Geisteswissenschaften bis vor kurzem
unueblich war. Geisteswissenschaftler machen nicht
schlechtere, sondern andere Wissenschaft. Man mag bestimmte
insbesondere literaturwissenschaftliche Ansaetze als
"Schamanismus" verspotten, siehe

http://archiv.twoday.net/stories/34622178/

Das fordert die Frage heraus, wem Sie die Kompetenz eines Urteils über ein 
vorgelegtes Papier zutrauen. Ex-cathedra- Entscheidungen eines Einzelnen haben 
sich in der Vergangenheit oft selbst disqualifiziert und gehören m.E. mehr in 
den Bereich religiöser Weltanschauungen. Ihren Ausführungen in 
http://www.db-thueringen.de/servlets/DocumentServlet?id=4165 konnte ich auch 
kein überzeugendes Allheilmittel entnehmen. Und eine Empfehlung sui generis ist 
eher im politischen Tagesbetrieb üblich. Also, was schlagen Sie als ultimativen 
Beurteilungsalgorithmus für die Bewertung einer wissenschaftlichen Leistung 
vor? Meinetwegen zunächst im geisteswissenschaftlichen Bereich, für den Sie 
noch besondere Regeln reklamieren.

(iv) Ich wende mich gegen eine vom Publikationsort
abgeleitete "Zitierfaehigkeit" und die generelle
Vernachlaessigung oder schlechte Bewertung von
Online-Quellen.

Wenn die Wikipedia in einem Artikel bessere Informationen
bietet als ein als zitierfaehig angesehenes
Fachnachschlagewerk, ist die Wikipedia selbstverstaendlich
zitierfaehig. Sie ist es sogar dann, wenn sie das gleiche
Niveau wie ein fachliches Nachschlagewerk hat.

Man kann das als stark kommerzlastig verfluchen, aber es gibt eben historisch 
gewachsene Publikationsorte, wo „man“ erschienen sein muss, um in der 
jeweiligen Fachwelt nachhaltig wahrgenommen zu werden. Dass Wikipedia einmal 
diesen Status erreichen wird, will ich nicht ausschließen. Allerdings ist dort 
die Gefahr von Gefälligkeitsadressen noch um einiges größer als bei 
einigermaßen gut organisierten Peer-Reviews. Und zugegebenermaßen ist auch die 
Aussagefähigkeit eines Citation Index begrenzt, solange dort grundlegende 
Regeln der deskriptiven Statistik negiert  oder die Crawler durch verschleierte 
Tags zu Mehrfachzählungen veranlasst werden.  

(v) Der Publikationsort  (wo?) ist neben dem Prestige des
Autors (wer?) ein wichtiges Indiz, das ich auch bei meinen
Lehrveranstaltungen beruecksichtige, wenn es um die
Bewertung von Onlinequellen geht.

Nach dem "Quod licet Jovi non licet bovi"-Prinzip ist es
vernuenftig, wenn Studierende strengere Maßstaebe bei dem
Ausfiltern insbesondere von Online-Publikationen anlegen
muessen, da es ihnen schwerer faellt, die Spreu vom Weizen
zu scheiden. Frueher nannte man das: quellenkritische
Kompetenz. Bei gedruckter Literatur nehmen ihnen
Bibliothekare weitgehend das Vorfiltern ab, da Hochschul-
und Seminarbibliotheken nur zum Teil Schrott enthalten.

Ich habe in meinen Seminaren den Zuhörern versucht nahe zu bringen, sich vor 
Päbsten, Ordenssammlern, Maulhelden, Protagonisten, Maulwürfen u.ä. in 
Programmausschüssen in acht zu nehmen. Deren – oft nicht unwesentlicher  - 
Einfluss auf die Bewertung von eingereichten Papieren hat unmittelbare 
Auswirkung auf die Qualität der nachgeschalteten Publikationsorte. Insofern 
sind wir uns über das Aneignen einer quellenkritischen Kompetenz durchaus einig!
Zur Ehrenrettung der anderen 99% an einem Peer-Review beteiligten Personen sei 
gesagt, dass sie sich in der Regel ehrlich bemühen, einer eingereichten Arbeit 
und ihrem Autor gerecht zu werden! 


(vi) WissenschaftlerInnen haben einen Anspruch darauf, dass
BibliothekarInnen ihnen einen zumutbaren Zugang zur
gesamten wissenschaftlichen Produktion, einschließlich
Pruefungsarbeiten verschaffen (ggf. via Fernleihe).

Die Entscheidung, keine Buecher von VDM anzuschaffen, ist
daher ein Verstoß gegen bibliothekarische Grundprinzipien.
Durch Einbindung von Rezensionen via Kataloganreicherung
oder andere Bewertungssysteme koennen Nutzer ggf. "gewarnt"
werden.

(Nebenbemerkung: Ich habe soeben der UB Freiburg eine
Beschwerde uebermittelt, da in den normalen OPAC-Rechnern
externe Quellen, also DNB und SWB, mit
Inhaltsverzeichnissen und Rezensionen gesperrt sind.
Studierende werden in der Bibliothek sich ganz und gar
nicht wegen einem solchen Anreicherungstext auf
internetfaehigen Rechnern einloggen.)

Klaus Graf

Hier gefällt mir der Begriff des „zumutbaren Zugangs“ im Sinne einer 
ressourcenschonenden Verwendung des zur Verfügung stehenden Etats. So wie der 
Bibliotheksnutzer Anspruch auf den „zumutbaren Zugang“ hat, so hat auch der 
Finanzier dieser Einrichtung Anspruch auf eine zumutbare Belastung durch diese 
Einrichtung. Mit „Nice-to-have“ lassen sich keine nachhaltigen Strukturen 
verwirklichen.  


Freundlicher Gruß

Rupert Rompel
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