4.Diskussion und Empfehlungen
Plagiate stellen nicht in jedem Fall Urheberrechtsverletzungen dar.
Es können auch Werke und Schöpfungen plagiiert werden, die
mittlerweile urheberrechtsfrei sind.
Wenn das Urheberrecht etwa in Dissertationen durch Plagiarismus
verletzt worden ist, so hat dies geringeres Gewicht als die
Verletzung der Informationsfreiheit, die einträte, wenn das Werk des
Plagiierenden aus dem Bestand entfernt würde.[1] <#_ftn1>
Es besteht ein hohes Interesse der Öffentlichkeit, die Vorgänge, die
zum Entzug eines akademischen Titels geführt haben, auch später
überprüfen und nachvollziehen zu können. Dies ist nur zu
gewährleisten, wenn Bibliotheken die entsprechenden Werke in ihrem
Bestand bewahren und zugänglich machen.[2] <#_ftn2>
Bücher und Dokumente können, gerade weil sie im Nachhinein des
Plagiarismus überführt worden sind, besonderes Forschungsinteresse
hervorrufen. Sie spiegeln zudem einen (nicht akzeptablen, aber
dennoch vorhandenen) Teil wissenschaftlicher Praxis.[3] <#_ftn3>
Derartige Bücher und Dokumente können jenseits der plagiierten
Passagen, wissenschaftlich relevante Aussagen enthalten.
Insbesondere akademische Abschlussarbeiten wie Dissertationen und
Habilitationen werden von den Fachcommunities (zumindest in den
meisten Disziplinen), schnell und intensiv rezipiert. D.h. die
Bezugnahme darauf in weiteren Arbeiten setzt rasch ein. Auch solche
Dissertationen und Habilitationen, in denen Plagiate nachgewiesen
werden konnten, sodass die damit erworbenen akademischen Grade
aberkannt werden mussten, werden zwischen dem Zeitpunkt der
Publikation und der Aberkennung in wissenschaftlichen Publikationen
zitiert. Sie sind damit zum Bestandteil der wissenschaftlichen
Informationszirkulation geworden und haben in Fußnoten,
wissenschaftlichen Apparaten und Literaturverzeichnissen Spuren
hinterlassen, die spätere Rezipienten zurückverfolgen wollen und
müssen. Auch aus diesem Grund ist von einer Entfernung dieser Werke
aus den Bibliotheksbeständen abzusehen.
*Es werden folgende Empfehlungen ausgesprochen:*
oEine Entfernung aus den Beständen wissenschaftlicher Bibliotheken
sollte in jedem Fall unterbleiben.
oEin Verbleib im Bestand sollte begleitet werden von einem
Zusatzvermerk im Katalog (Metadaten), der darauf hinweist, dass das
Werk ursprünglich als Dissertation angenommen worden ist, der
Doktorgrad aber mittlerweile entzogen worden ist. Ein gleichlautender
Hinweis sollte im Dokument selbst, d.h. im gedruckten Buch bzw. im
digitalen Äquivalent angebracht werden.
Ein Verbleib im Bestand ohne weitere Maßnahme sollte keinesfalls
erfolgen. Uninformierte Nutzer müssen einen Hinweis darauf erhalten,
wie es um die von ihnen konsultierte Quelle bestellt ist. Dies stellt
keinen Bruch des Neutralitätsgebotes dar, sondern gehört zu den
Metadaten hinzu wie der Hochschulschriftenvermerk.
Es ist im Gegenteil als unverantwortliche Fehlinformation und
Verletzung des Neutralitätsgebotes zu werten, wenn ehemalige
Dissertationen in Katalogen auch weiterhin im
Hochschulschriftenvermerk ohne weiteren Zusatz als Dissertation
gekennzeichnet werden. (vgl. im Fall Guttenberg z.B. im Katalog der
DNB, des WorldCat, Stand 15.4.2013)
Der Zusatzvermerk im Katalog sollte in den Bibliothekskatalogen
standardisiert werden. (Z.B.: Entzug des Doktorgrades am 23.
Februar 2011).
Ferner sollte der Vermerk an einer gut sichtbaren Position innerhalb
der Metadaten erfolgen. Gegenwärtig sind entsprechende Anmerkungen an
verschiedenen Stellen, oft nur nach Scrollvorgängen oder Zusatzclicks
zu finden
-vgl. z.B. UB Bayreuth: Klick unter "Mehr zum Titel" notwendig
-im Ansatz gute Lösung: SWK-Katalog: Hinweis bereits in
Kurztitelaufnahme; Hss-Vermerk hier allerdings nicht ergänzt
oEine weitere Option besteht darin, den Verbleib im Bestand und mit
einer Einschränkung der Nutzung zu verbinden:
-Nutzung nur im Lesesaal:
Falls es sich bei den Persönlichkeiten, denen der Doktorgrad entzogen
worden ist, um Prominente handelt, ist eine Einschränkung der Nutzung
auf Präsenznutzung im Lesesaal aus Gründen der Diebstahlsprävention
nachvollziehbar.
-Nutzung nur auf Antrag unter Angabe der spezifischen Gründe:
Eine solche Restriktion würde eine Einschränkung des Rechts auf
Informationsfreiheit bedeuten und ist daher aus ethischen Gründen
nicht akzeptabel.
Zu prüfen ist, ob Ausnahmen dann zu rechtfertigen sind, wenn die
Plagiate etwa in der Übernahme besonders geschützter Inhalte bestehen
(Betriebsgeheimnisse, Markenschutz, Verfahren usw.). Restriktionen
müssen für den Nutzer nachvollziehbar begründet werden.
Vgl. Praxis der DNB: http://d-nb.info/985761806/about/html
Grundsätzlich sollten Bibliotheken zum Thema Plagiarismus darauf
verweisen, dass ihre Aufgabe nicht darin bestehen kann, Fälle von
Plagiarismus aufzudecken. Dafür sind in erster Linie die
Fachcommunities zuständig. Bibliotheken können (in vielen Fällen
geschieht dies bereits) hingegen präventiv tätig werden, in dem sie
im Rahmen ihrer Angebote zur Vermittlung von Informationskompetenz
auch das Thema Plagiarismus und den ethischen Gebrauch von
Informationen gründlich behandeln.
Im IFLA-Ethikkodex heißt es dazu:
"Sie (= die Bibliotheken) fördern außerdem den ethischen
Gebrauch von Informationen, um Plagiate und sonstige Arten von
Informationsmissbrauch zu unterbinden."[4] <#_ftn4>
Köln, im April 2013 Prof. Dr. Hermann Rösch
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[1] <#_ftnref1>Vgl. dazu aus rechtlicher Sicht Eric Steinhauer:
Guttenberg aussondern? In: Bibliotheksrecht. Virtueller Zettelkasten
mit Hinweisen und Anmerkungen zu bibliotheksrechtlichen Themen.
2.3.2011
http://www.bibliotheksrecht.de/2011/03/02/guttenberg-aussondern-10740355/(Zuletzt
aufgesucht am 15.4.2013)
[2] <#_ftnref2>Vgl. dazu Arne Upmeier: Plagiate als Herausforderung
für Bibliotheken? Ein Gespräch mit Arne Upmeier. In: Goethe-Institut.
Bibliotheken in Deutschland -- Fachdiskussion. Januar 2012.
http://www.goethe.de/wis/bib/fdk/deindex.htm(Zuletzt aufgesucht am
15.4.2013)
[3] <#_ftnref3>/Burchard, Amory: Plagiate in der Wissenschaft
/Guttenberg & Co. bleiben im Regal. In: Der Tagesspiegel.
27.11.2012.**http://www.tagesspiegel.de/wissen/plagiate-in-der-wissenschaft-guttenberg-und-co-bleiben-im-regal/7440060.html**Zuletzt
aufgesucht am 15.4.2013)
[4] <#_ftnref4> Vgl. Anm. 3