Lieber Herr Mittermaier,
eigentlich zeigt Ihre Substitution doch nur, dass in der Logik daraus
Fehlschlüsse entstehen.
Aber das spielt letztlich auch keine Rolle, wer wann wo Konkurrenz
bekommen hat.
Wir haben eine technische Entwicklung, die das Leser- bzw. besser
Nutzerverhalten verändert.
Und wir haben einen Trend, der weg von Besitz und hin zu Zugriff geht. Für
die Rechteinhaber bedeutet das, dass sie von Print zu Digital und von
Verkauf zu Vermietung wechseln.
Das ist kein Buchtrend, das ist ein allgemein gesellschaftlicher Trend.
Weiter gibt es seit Jahrzehnten eine Veränderung im Verständnis des
Bibliotheksauftrags. Um mal das Extrem zu nehmen: die Unesco formuliert die
Versorgung aller Bevölkerungsgruppen mit Information, Kultur, Medien als
Auftrag der Bibliotheken.
Wer jetzt wann welche Erstgeburtsrechte auf Verleih hat ist irrelevant.
Dass es einen Konflikt gibt, den sich niemand, weder Bibliotheken noch
Rechteinhaber wünschen ist klar.
Dass das kommerzielle Geschäftsmodell der Ausleihe beginnt ist jetzt auch
offensichtlich. Gerade heute hat Amazon die Ausleihe in Deutschland
gestartet, siehe Pressemeldung in Buchreport etc.
Damit Bibliotheken das Angebot an E-Book Ausleihe ausbauen können
benötigen sie Medien. Die bekommen sie entweder von Verlagen, wenn die
beiden Ausleihmodelle nicht zu sehr miteinander konkurrieren. Oder sie
müssen auf die nächste Schranke im nächste Korb hoffen. Ich halte es
angesichts der ökonomischen Bedeutung der Ausleihe für unrealistisch hier
viel zu erwarten, da der Eingriff in die Eigentumsrechte der Rechteinhaber
in diesem Konflikt bei der angedeuteten Marktentwicklung zu massiv wäre.
Realistisch ist vielleicht die Bindung an die Räumlichkeiten der Bibliothek
und an spezielle Lesegeräte. Aber bis das soweit ist vergehen Jahre.
Das finde ich sind ausreichend Gründe gemeinsam nach einer Lösung zu
suchen und nicht historische Feindschaften zu beschwören.
Gruss
Matthias Ulmer
Am 12.10.2012 um 08:53 ngschrieb "Mittermaier, Bernhard" <
B.Mittermaier@xxxxxxxxxxxxx <javascript:;>>:
Lieber Herr Ulmer,
wenn man Ihre Argumentation bei den E-Books akzeptiert, dann sehe ich
keinen Grund, sie für den print-Bereich nicht zu akzeptieren. Und so wird
vielleicht deutlich, dass Sie letztlich aussagen, dass die Bibliotheken den
Verlagen das Geschäft kaputt machen (gestern war ich bei einer
Veranstaltung in Frankfurt, bei der viele Verlage *mit* vielen Bibliothek
Geschäfte machen, aber das nur nebenbei).
Ich erläutere Ihnen dies durch die Methode des Substitution: Wenn ich in
dem Zitat aus boersenblatt.net "E-Book" durch "Buch", "zu speichern"
durch "ins Regal zu stellen" und "Onleihe" durch "Ausleihe" ersetze, dann
ergibt sich:
Matthias Ulmer nimmt an, dass künftig mehr *Buch*-Leser dazu übergehen
werden, Titel nicht dauerhaft *ins Regal zu stellen*, sondern nach Bedarf
auf sie zuzugreifen. In diesem Zusammenhang erwachse den Verlagen eine
Konkurrenz aus den *Ausleihe*-Angeboten der öffentlichen Bibliotheken, die
auf Dauer das Geschäftsmodell der Verlage gefährden könnten. Längst
sprächen die Bibliotheken nicht mehr ihre ursprüngliche, eher
einkommensschwache Zielgruppe an, sondern einen wesentlich größeren
Nutzerkreis. Hier steuere man auf einen Konflikt zu.
Vereinfacht gesagt, war das Geschäftsmodell der Verlage bislang die
Publikation und der Verkauf von Büchern; Bibliotheken haben Bücher gekauft
und verliehen. Wer erzeugt denn nun eine Konkurrenzsituation?
Herzlichen Gruß
Bernhard Mittermaier
###########################################
Dr. Bernhard Mittermaier
Forschungszentrum Jülich
Leiter der Zentralbibliothek / Head of the Central Library
Tel ++49-2461-613013
Fax ++49-2461-616103
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Date: Thu, 11 Oct 2012 19:24:48 +0200
From: Matthias Ulmer <mulmer@xxxxxxxx>
Subject: Re: AW: [InetBib] Klartext: Suppenküche Öffentliche
Bibliothek
To: Internet in Bibliotheken <inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Message-ID: <C1A275F3-EB4B-41F5-A944-7FA335F65B37@xxxxxxxx>
Content-Type: text/plain; charset=utf-8
Lieber Herr Müller,
mit der E-Book Ausleihe bzw. Vermietung hat das nichts zu tun, oder? Nur
sicherheitshalber, damit ich nichts falsch verstehe...
Sie wollen partout eine große ewige Feindschaft zwischen Verlagen und
Bibliotheken. Wenns Spaß macht... Aber dem müssen ja nicht alle folgen.
Wenn die Bibliothekstantieme Ihr Beweis dafür ist, dass die Verlage die
Bibliotheken als Konkurrenz betrachten, kann sein, dass das eine Diskussion
war. Man muss aber tief in den Archiven kramen um das als Beleg heran zu
ziehen.
Wie hoch die Bibliothekstantieme oder unser jährlicher Anteil daran ist?
Keine Ahnung. Dass Verlage und Urheber in den Gremien seit Jahren
problemlos zusammenarbeiten und beide Seiten das Urteil des LG München
absurd finden können Sie gerne ignorieren. Auch die von Ihnen gewünschte
allgemeine Feindschaft zwischen Autoren und Verlagen gibt es nicht.
In Ihren Augen wäre ja jede Geschäftsbeziehung zwischen Bibliothek und
Verlag ein Beweis für Konkurrenzdenken und aus der Welt wäre das erst, wenn
die Verlage den Bibliotheken alles umsonst geben. Sehr eigenwillig.
Das mit den Prozessen: obwohl es sinnlos ist erlaube ich mir den Hinweis
auf die eigenartige Argumentation, nach der man zum Vorwurf bekommt sich
gegen eine Rechtsverletzung zu wehren. Ich weiß von drei Verfahren, eins zu
52b und zwei zu 52a. Ein wirklich unglaublicher Vorgang, dass hier drei
Musterverfahren zu zwei neuen Paragrafen gemacht wurden. Und ob Klagen
berechtigt sind kann man doch auch am rechtsverbindlichen Urteil ablesen.
Und Heidelberg ist doch Kurpfalz und nicht Baden?
Na ja, aber vielleicht haben Sie zum Thema E-Book-Ausleihe doch noch
eine Anmerkung?
Freundliche Grüße
Matthias Ulmer
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