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Re: [InetBib] DSP - Schleichende Bibliotheksenteignung



Herzlichen Dank für diese Erfahrungen, da sie die Aussage „das 
scheinbar Wichtigste“ unterstreicht.

Ich befürchte, dass die Verluste in Bibliotheken, durch Brände, Kriege, 
Wasserschäden, Schädlingsbefall oder Vandalismus weitaus größer sind, 
als weithin angenommen. Hinzu kommt, dass die Gefahr bei heutigen 
Freihandbibliotheken, insbesondere bei alten teuren Rara, besonders 
stark wächst, ohne dass das immer bekannt wird, weil Gesamtrevisionen 
immer zeitaufwändiger, teurer und seltener werden.

„Darum bietet es sich heute zunehmend an, Verluste, nicht auffindbare 
Dokumente oder sonstige Negativmeldungen in Online-Katalogen nicht nur 
zu erfassen, sondern auch immer wieder stichprobenartig zu ermitteln. 
Nur eine kontinuierliche Stichprobenanalyse kann die wachsende Gefahr, 
dass wertvolle Bestände von Benutzern, Dienstpersonal oder auch von 
Bibliotheksmitarbeitern entwendet werden, verringern.“ (Lehrbuch des 
Bibliotheksmanagements S. 115/116)

Eine solche Datei könnte durch Negativmeldungen wie den Ihnen 
zugestellten mit gefüttert und dann mit den Antiquariatskatalogen 
verglichen werden. Möglicherweise verringert man die Diebstahlsgefahr 
schon dadurch, dass absichtlich verstellte Bücher oder 
Zeitschriftenhefte entdeckt werden, bevor sie vollständig verschwinden.

MfG

Walther Umstätter


Am 20.09.2012 18:26, schrieb Klaus Graf:
On Thu, 20 Sep 2012 17:08:13 +0200
 h0228kdm <h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxxx> wrote:

Bezüglich des Eigentums, hatten wir bisher die
vereinfachte und damit
falsche Vorstellung, dass wir in den Bibliotheken der
Welt deren
Eigentum in die Regale stellen und für die Nachwelt
aufheben. Wenn dabei
des Eine oder andere verloren ging wuch ser Wert in den
restlichen
Bibliotheken und wir hatten genug Redundanz, um das
scheinbar Wichtigste
archivarisch zu erhalten.

Zum Thema, inwieweit es gelungen ist, die gedruckte
Produktion in Bibliotheken abzubilden, habe ich nur sehr
anekdotische eigene Erfahrungen und waere fuer
weiterfuehrende praezise Literaturhinweise dankbar, gern
auch von jemand anderem als Herrn Umstaetter ...

Vor langer Zeit stellte ich fest, dass die in meinem
Eigentum befindliche Ausgabe 1888 eines Buchs ueber meine
Heimatstadt Schwaebisch Gmuend

http://commons.wikimedia.org/wiki/Gm%C3%BCnd_und_seine_Umgebung

in deutschen Bibliotheken nicht nachgewiesen war.
Inzwischen ist ein Exemplar in der UB Eichstaett bekannt.

Aus einem Aufsatz von mir ueber Johann Gottfried Pahl
http://edocs.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2010/14550/
"Gern wüsste man, was der Rezensent der in Köthen (bei
Dessau) erschienenen "Kritischen
Bibliothek der schönen Wissenschaften" 1795 auf den Seiten
275 bis 278 des zweiten Halbbands
über den "Uhich von Rosenstein" zu sagen hatte. Allein, ein
Exemplar des einschlägigen
Hefts des gelehrten Journals ist zur Zeit nirgends
greifbar, Die vergebliche Recherche
präsentiert schlaglichtartig ein unerwartetes Sittenbild
ostdeutschen Bibliothekswesens nach
1989, Die Zeitschriftendatenbank weist zwei Standorte für
die gesuchte Zeitschrift nach:
Greifswald und Halle, In der Universitätsbibliothek
Greifswald wird der Band velmisst, und
in der Universitäts- und Landesbibliothek Halle sind nur
die ersten beiden Hefte des Jahrgangs
1795 greifbar, Der alte Gesamtkatalog Sachsen-Anhalt half
nicht weiter, Nachfragen bei einigen wichtigen
Altbestandsbibliotheken in Sachsen-Anhalt (Landesbibliothek
Dessau, Francisceum Zerbst, Marienbibliothek Halle,
Schulbibliothek Schulpforta und andere) erbrachten
ebenfalls nur Fehlanzeigen. Wenn die Bibliothek in Halle
nicht auf die Idee kommt, die verbliebenen zwei Hefte zu
kopieren, wird wohl in einigen Jahren auch dieser dürftige
Rest nicht mehr greilbar sein, da die Zeitschrift
Rückgabeansprüchen eines früheren Alteigentümers
unterliegt. Vor wenigen Jahren war der Jahrgang noch
komplett, denn das - an
seinem Besitzstempel eindeutig erkennbare - Hallenser
Exemplar wurde nach Innsbruck an
das Projekt "Historischer Roman" ausgeliehen, wo ein
Beitrag über den historischen Roman
kopiert wurde. Handschriftliche Notizen der Innsbrucker
Bearbeiter über einen Paginierfehler
beweisen, dass anscheinend der gesamte zweite
Halbjahresband, in dem die Rezension
des Buchs von Pahl stand, vorhanden war. Hat womöglich ein
unterbezahlter Bibliothekar
nach 1989 die restlichen Hefte geklaut?"

Etwa ein Jahrhundert spaeter sieht es auch nicht besser
aus. Die "Mitteilungen aus dem Antiquariat" (von Max
Harrwitz) waren - spaetestens als der Faelscher FWE Roth
1891 die Schriftleitung uebernahm - als wissenschaftliches
Organ konzipiert, sind aber in der ZDB nur fragmentarisch
nachgewiesen. Von 1889 bis 1891 Nr. 3 fand ich einen
gebundenen Band der Ausgaben im Nachlass von Roth in
Darmstadt, noch nicht beruecksichtigt in:
http://de.wikisource.org/wiki/Ferdinand_Wilhelm_Emil_Roth

Noch viel krasser: In Frankfurt (!) erschien ab 1874 der
Allgemeine Anzeiger für Druckereien, den die ZDB auch nur
extrem fragmentarisch belegt. Eine Fernleihe zu einem
Aufsatz von Roth blieb ergebnislos, aus nicht genannter
Quelle wollte FIZ AutoDoc die eine (in Zahlen: 1) gesuchte
Seite fuer nicht weniger als 70 US-Dollar besorgen (einen
Scan uebermittelte dann die Wiener Grafische Bundesanstalt
netterweise kostenlos, aber leider stellte sich heraus,
dass das nur der Schlussteil des Aufsatzes war). Nicht ganz
unbeachtlich sind in diesem Fall die Bestaende der
Columbia-University, die mir freundlicherweise detailliert
aufgelistet wurden:

"Jahrg. 6 (nos 21-24) - 7 (Nov. 1, 1879 - Dec 15, 1880),
bound in 1 volume
Jahrg. 8 - 13 (1881 - 1886), in 6 volumes

Jahrg. 19, nos 1-6, 8-15, 18, 20-22, 24-25, 27-28, 30-37,
39-45, 47, 51 (1892)
Jahrg. 20, nos. 2,4,6,20,24,27-29, 31 (Jan - Aug 3, 1893)
Jahrg. 21, nos 44-45 (Nov 1-8, 1894)
Jahrg. 26, no. 42 (Oct 19, 1899)
Jahrg. 27, no. 13 (Marz 29, 1900)
-- the above unbound, in one portfolio

Jahrg. 25 no. 29, 33-37 (Juli 21, Aug 18 - Sept 15, 1898)
in a portfolio"

Eine doch wohl ziemlich zentrale Fachpublikation des
Druckereiwesens, die ueber einen langen Zeitraum erschien,
 ist in deutschen Bibliotheken - soweit sie denn in der ZDB
erfasst sind - viel zu lueckenhaft dokumentiert!

Klaus Graf

-- 
http://www.inetbib.de

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