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[InetBib] DNB, die "schlechteste Nationalbibliothek der Galaxis" (Graf), laesst einmal mehr URN-Links ins Leere laufen
- Date: Fri, 26 May 2023 20:12:03 +0200
- From: Klaus Graf via InetBib <inetbib@xxxxxxxxxx>
- Subject: [InetBib] DNB, die "schlechteste Nationalbibliothek der Galaxis" (Graf), laesst einmal mehr URN-Links ins Leere laufen
Auf den letzten Metern von INETBIB, das es sehr bald "per ordre de
Mufti" unter diesem Namen nicht mehr geben darf (weil der
Listenwaechter sich ein Denkmal setzen will?), serviert uns die
"schlechteste Nationalbibliothek der Galaxis" (so nannte ich sie aus
gleichem Anlass im April diesen Jahres) noch einen mehr oder minder
grossen Aufreger.
Heute um 9 Uhr 59 trudelte die Aufforderung in meiner Mail ein, einen
Kommentar in Archivalia freizugeben, in dem darauf hingewiesen wurde,
dass
https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bvb:384-uba007808-5
(Digitalisat der UB Augsburg) eine 404-Meldung liefere. Ursache ist
nicht die leidige Verzoegerung bei der Meldung von URNs, die dazu
fuehrt, dass Digitalisate bis zu 24 Stunden nach Freischaltung nicht
unter ihrer URN erreichbar sind. Dazu verweise ich auf eine Mail der
DNB aus dem Jahr 2011, zitiert in:
https://archivalia.hypotheses.org/13334
Ursache ist wieder einmal, dass der Server von nbn-resolving.org down
ist, und dieser Fehler besteht bis zum jetzigen Augenblick (18 Uhr 16)
fort. Es gibt Dinge, die nicht vorkommen sollten, aber trotzdem
passieren. Die Umarmung des Bundeskanzlers durch einen Wildfremden
gehoert dazu, aber sicher auch der erneute Ausfall einer fuer die
deutschen Digitalen Bibliotheken zentralen Permalink-Infrastruktur. Die
Frage, was schlimmer ist, haengt von der persoenlichen Betroffenheit
ab.
das Argument "Es gibt doch wichtigere Probleme auf der Welt" kann man
mit guten Recht als sogenanntes Totschlag-Argument oder als
Killerphrase bezeichnen.
Wenn ich nichts uebersehen habe, setzen meine Beobachtungen zum Ausfall
des Resolving-Dinstes der DNB am 30. August 2009 ein:
https://archivalia.hypotheses.org/20078
"Sieht so die digitale Zukunft Deutschlands aus? Dürfen die Stümper in
der Nationalbibliothek am Wochenende einen zentralen Dienst der
wissenschaftlichen Kommunikation lahmlegen? Ich finde das
ungeheuerlich."
Am 7. November 2009 schrieb ich: "Nationalbibliothek macht wieder
Wochenende mit URN-Resolver"
Damals kam es auch zu heftigen Diskussion in INETBIB. Dank der
"Kompetenz" unserer Listenadministration funktionieren die damaligen
Links, die auf den Server der UB Dortmund zielten, nicht mehr.
Halten wir fest: Herr Schaarwaechter, der Listenadmin, und ich, die
Listengeiszel, haben voellig unterschiedliche Auffassungen ueber die
Rolle des Listenarchivs fuer die juengere Geschichte des
Bibliothekswesens und der Digitalisierung im deutschsprachigen Raum.
Auch die unbrauchbare Google-Suche belegt, wie wenig der Listenadmin
den Wert dieser nun leichthin, ohne Mitgliederbefragung geopferten
Mailingliste einzuschaetzen weiss. Man kann nur hoffen, dass das meiste
im Internet Archive ueberdauert, auch wenn der Mufti mitzuteilen
geruhte, dass die Website vorlaeufig bestehen bleibt.
Bernd-Christoph Kaemper widersprach damals Kay Heiligenhaus:
""... arbeite(n) ... kontinuierlich an der Verbesserung des
Resolving-Dienstes"
Danke für dies Musterbeispiel an beschönigender Sprache aus dem
Baukasten des Beschwerdemanagements. Hilft aber alles nichts, manchmal
müssen 0/1 Entscheidungen her: betreibe ich einen zweiten Server oder
nicht?
Oder wie es schon ladislaus treffend auf Archivalia kommentiert hat:
"Dass die URN nur über einen einzigen zentralen Server aufgelöst wird,
ist
natürlich der EDV-Stand von 1980. Eine Bibliothek, die zwei
Pflichtexemplare
anfordert, sollte auch zwei Server betreiben können... ""
https://inetbib.de/listenarchiv/msg40901.html
Und nochmals:
"Die Frage der backup-Services ist für solch einen Dienst ja wohl
absolut essentiell."
Heiligenhaus nahm auch zu der folgenden Aussage von mir Stellung:
"Wenn die DNB als Staatsmonopolist einen vor allem fuer die
Wissenschaft
entscheidend wichtigen nationalen Netzdienst anbietet und
grotesk scheitert, dann sehe ich das sehr wohl als eine
"nationale Tragoedie", die einmal mehr zeigt, wie verkommen
das Bibliothekswesen inzwischen ist."
https://inetbib.de/listenarchiv/msg40906.html
Juergen Fenn konnte nicht widerstehen und verlinkte einen bezeichnenden
Comic:
https://xkcd.com/386/
Michael Muehlenhort betonte:
"Sehr geehrter Herr Heiligenhaus,
eigentlich finde ich den Diskussionsstil von Herrn Graf nicht
verteidigenswert. Aber Ihre Art der Argumentation liefert dafür
nachträglich die Rechtfertigung.
hier kein "groteskes Scheitern" erkennen. Sie fahren z.T. sehr
schwere
Geschütze auf und reden dabei über eine Ausfallzeit von
wahrscheinlich >
1%. Ihre technischen Anmerkungen sind dilettantisch -
Mich würde interessieren, ob Sie bei Ihrer persönlichen Trinkwasser-
und
Stromversorgung die gleiche Großzügigkeit an den Tag legen würden. Oder
bei der Bereitschaft der Feuerwehr ... oder weniger dramatisch:
Öffentlicher Nahverkehr, Taxidienste oder Tankstellen. Die Liste ließe
sich beliebig verlängern. "Weniger als 1 %" ("> 1 %" dürfte ein
Tippfehler sein) mag umgangssprachlich ja überwältigend zuverlässig
klingen, aber jede Waschmaschine und jeder Kühlschrank muß deutlich
bessere Werte erreichen. Und wenn das nicht der Fall wäre, würde kaum
jemand diese Geräte kaufen.
Wenn ich einen Dienst anbiete, der vor Unsicherheiten schützen soll
(und
zwar rund um die Uhr), dann muß dieser auch funktionieren, sonst ist er
sinnlos (oder eben bestenfalls "Beta") und das kann man nicht hinter
imposant klingenden Prozentzahlen verstecken. In dem Moment, in dem der
Link nicht funktioniert, fällt der Dienst nicht mit weniger als einem,
sondern zu einhundert Prozent aus. Und wenn ich als Wissenschaftler
URNs
verwenden soll, möchte ich, daß diese nicht nur im Glücksfall aufgelöst
werden. Nicht funktionierende URNs, die bei Lesern meiner Texte
eventuell
sogar (in diesem Fall ungerechtfertigte) Zweifel an meiner Sorgfalt und
Glaubwürdigkeit erwecken, kann (darf) ich nicht gebrauchen. Mir reichen
die Versehen und Fehler, die wirklich meinem Unvermögen zuzurechnen
sind.
Denn ich möchte nicht behaupten, es sei möglich, Fehler und Pannen zu
vermeiden. Aber diejenigen, die von diesen ereilt werden, vorrangig
darauf
zu verweisen, daß in der Regel alles gut funktioniere, ist schon
ziemlich
dickfellig. Da umweht mich ein Hauch von Telekom und Deutscher Bahn."
https://inetbib.de/listenarchiv/msg40909.html
Adrian Pohl fragte (und erhielt meines Wissens nie eine Antwort):
"Wieso stellt die DNB nicht die jeweils aktuelle Version der
URN-URL-Zuordnungsliste (eine solche dürfte ja den Kern des
Resolvingdienstes ausmachen) öffentlich zur Verfügung, so dass sie von
anderen Diensten geharvested werden kann? Dann wäre es ein Leichtes,
zusätzliche dezentrale Resolving-Dienste aufzubauen, wodurch die
Ausfallzeiten minimiert werden könnten. Wurde so etwas schon in der
Anfangszeit des DNB-URN-Resolvings diskutiert? Und womöglich
verworfen? Wenn ja, warum?"
https://inetbib.de/listenarchiv/msg40914.html
Ich könnte noch mehr berechtigte Fragen aus der damaligen Diskussion
zitieren. Am darauffolgenden Montag entschuldigte sich jedenfalls die
DNB und versprach Besserung:
https://inetbib.de/listenarchiv/msg40922.html
Am Folgetag meldete sich noch Katja Mruck zu Wort:
"Wir haben fuer unsere Einrichtung einen Namensraum fuer URNs fuer die
bei uns betriebenen Zeitschriften reserviert, und fuer uns ist es
essenziell wichtig, dass dieser Dienst kuenftig funktioniert und auch
bei evtl. Problemen am Wochenende entsprechende organisatorische
Sicherungen gewaehrleistet werden.
Im Falle des Ausfalls letztes Wochenende hatte eine unserer
Zeitschriften ihre Leser/innen am Freitag ueber die neue Ausgabe mit
Angabe der URNs informiert. Dass auf die Artikel dann nicht zugegriffen
werden konnte, wurde zumeist der Redaktion als "unsauberes Arbeiten"
angelastet und kostete sehr viel Erklaerungsaufwand, da bei
Seitenaufruf
nicht einmal ein entsprechender Hinweis Ihrerseits erschien, sondern
nur
eine Fehlermeldung. Und natuerlich betrifft es nicht nur die
Neuausgabe,
sondern alle Texte unserer Zeitschriften, da wir immer bitten, ueber
die
URN zuzugreifen.
Dieser Dienst muss natuerlich stabil sein, da sonst auch das Misstrauen
aufseiten der Redaktionen gegen die URN-Nutzung, fuer die wir uns sehr
einsetzen, erheblich waechst."
https://inetbib.de/listenarchiv/msg40930.html
Man sollte annehmen, dass der URN-Resolver fortan stabil lief. Oder?
Nimmt der DNB-Resolver wieder sein freies Wochenende? Fragte ich am 4.
Maerz 2011
https://archivalia.hypotheses.org/13690
Nein, "schon" am fruehen Nachmittag des Samstags war der Fehler
behoben.
Nbn-Resolving nimmt sich wieder eine Auszeit, warf ich am 28. Januar
2018 der "schlechteste[n] Nationalbibliothek der Welt" vor.
https://archivalia.hypotheses.org/70126
Im September 2018 berichtete ich ueber andere Probleme des Resolvers:
https://archivalia.hypotheses.org/83246
Am 20. April 2023 hiess es in Archivalia:
"URN-Resolver der DNB wieder einmal down
Natürlich kümmert es die schlechteste Nationalbibliothek der Galaxis
nicht, dass dergleichen ein No-Go ist."
Es ist nicht auszuschliessen, dass es weitere Auszeiten dieser Art gab,
da ich kein technisches Monitoring des Fehlers betrieb und darauf
angewiesen war, dass ich eher zufaellig (und zwar nur dann, wenn ich
wach war) auf die Auszeit stiess.
Halten wir rein sachlich fest:
* Die von mir dokumentierten Auszeiten des Nbn-Resolving-Dienstes
zeigen, dass die DNB ihr implizites Versprechen von 2009 bis heute
nicht einhalten kann.
* Die "Grosskopfeten" des Bibliothekswesens haben offenbar nichts
getan, was eine dauerhafte Loesung des Problems ermoeglicht haette. Was
ich wiederholt beanstandet habe, war "dem" offiziellen Bibliothekswesen
eher wurscht.
* Meines Wissens habe nur ich den Ausfall einer zentralen
Permalink-Infrastruktur oeffentlich dokumentiert, obwohl dies
sinnvollerweise von einer neutralen Stelle lueckenlos haette geleistet
werden muessen.
Nun zur persoenlichen Dimension der Kritik.
Man darf mich, ohne dass ich widersprechen wuerde, einen
Permalink-Fetischisten nennen. Unzaehlige Beitraege in Archivalia
thematisieren Probleme im Zusammenhang mit dauerhaften
Internetadressen.
Nach https://archivalia.hypotheses.org/page/23?s=permalink muessten es
an die 700 Beitraege sein, in denen der Begriff Permalink vorkommt -
sicher nicht alles kritische Beitraege.
Nicht ohne Grund steht PER in meinem Kriterienkatalog PERSONAVINO
(2019) fuer Permalink:
https://archivalia.hypotheses.org/98939
Staendig aergere ich mich bei der Lektuere von Fachliteratur darueber,
wie wenig verbreitet die Kenntnis von Permalinks bei
Wissenschaftler*innen ist.
Ein Aussenseiter (bekanntlich bin ich nicht Bibliothekar, sondern
Archivar) greift die vornehmste deutsche Bibliothek in Sachen
Permalinks an - letztlich erfolglos.
Von daher erklaert sich die Eskalation. Von der schlechtesten
Nationalbibliothek sprach ich in diesem Kontext erst 2018, in anderem
schon frueher:
https://archivalia.hypotheses.org/?s=schlechteste+nationalbibliothek
Da es noch keine Bibliotheken auf dem Mond etc. gibt, muss man zwingend
ein Ironie-Smiley bei der Titulierung als schlechteste
Nationalbibliothek der Galaxis hinzudenken.
Die unzaehligen Menschen, die sich seit langem ueber meinen
Ton/Diskussionsstil (in INETBIB bin ich seit 1997 aktiv) aufregen,
werde ich kaum mit dem Hinweis beschwichtigen koennen, dass derlei
natuerlich scherzhafte Uebertreibungen sind.
Wenn ich vom verkommenen/verrotteten Bibliothekswesen oder der
schlechtesten Nationalbibliothek der Welt spreche, dann ist es, das
muss ich selbstkritisch eingestehen, fuer Menschen, die mich ohne
Beschaeftigung mit meinen Positionen wahrnehmen, schwierig, den
ironischen Gehalt solcher vermeintlichen Beleidigungen zu messen. Und
natuerlich gilt das auch fuer mich selbst.
2009 sah ich das URN-Problem als "eine "nationale Tragoedie", die
einmal mehr zeigt, wie verkommen das Bibliothekswesen inzwischen ist"
(loco citato). Selbstverstaendlich koennte ich mir, selbst wenn ich
mich an meine mentalen Daten von damals "erinnern" wuerde, nicht
wirklich sicher sein, was ich damit "gemeint" habe. Ich gehe davon aus,
dass ich diese Zeilen aus Aufregung darueber schrieb, dass das Problem
in INETBIB von Kay Heiligenhaus verharmlost wurde. Bei besonnener
Beurteilung (und ich bin, was viele verwundern mag, ein grosser Fan von
Besonnenheit, die uebrigens, wofuer ihm Dank gebuehrt, der
Listenwaechter vielfach bewiesen hat, nicht nur, wenn es um meinen
mehrfach diskutierten Rauswurf aus INETBIB ging) kann man doch wirklich
nicht von nationaler Tragoedie sprechen!
Wer Missstaende und Institutionen angreift, trifft unweigerlich immer
auch Menschen. Man kann immer alles noch hoeflicher formulieren und nur
noch mit Wattebaeuschchen werfen - hach! Aber soweit ich Menschen
tatsaechlich verletzt habe, tut mir das leid, denn mir ging es immer um
die Sache. (Ob diese Selbstwahrnehmung zutrifft, kann ich selbst am
allerwenigsten beurteilen ...)
Man kann mein mehr oder minder segensreiches Wirken in dieser Liste als
penetrant-unangenehmes digitales Oberlehrertum (siehe den oben
verlinkten Comic) verurteilen oder als Ausdruck im Kern berechtigter
Kritik - mit allen moeglichen Grautoenen dazwischen. Je ne regrette
rien, das ist ebenso falsch wie das Gegenteil.
Dr. Klaus Graf
PS: Nun ist es 20 Uhr 11 und der Resolver nach wie vor down. Quousque
tandem, DNB?
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.