Am 23.03.2015 um 17:10 schrieb Annette Kustos
<Annette.Kustos@xxxxxxxxxxxxxxxx>:
Lieber Herr Graf,
siehe auch z. B. hier http://www.digitaler-semesterapparat.de/ mit einem
Angebot namens Booktex.
Im Grunde geht es hier um den E-Book Zwangsvertrieb.
Bibliotheken, die gar keine E-Books lizensieren können oder wollen, sollen
hier von den gesetzlich über §52 a verbrieften Recht im Umgang mit ihrem
Printbestand, nämlich dem Einscannen geringer Teile eines *gedruckten
Werkstückes* aus dem Bestand einer Bibliothek für ein Angebot am Leseplatz
oder auch im elektronischen Semesterapparat ausgeschlossen und zur
Lizensierung gezwungen werden.
Nur wenn der Verlag geneigt ist, Lizenzen anzubieten (wie nett!, denn das
gilt ja häufig nicht für die gewünschten Titel), darf die Bibliothek ihren
Bestand nutzen...
HALLO????
Und mehr noch: Man versucht auch damit die Bibliotheken als Verantwortliche
für Bestandsbildung und Literaturversorgung gleich ganz rauszukicken, in dem
der "Lehrkörper" gezielt angesprochen wird, der sich vielleicht gerne mal der
Bürde einer von anderen gesteuerten Erwerbung entziehen möchte und "mal eben
was hochladen will". Die Vernetzung E-Learning und Bibliothek ist äußerst
schwierig - weil ich es versuche, weiß ich das...
Somit findet natürlich weder Vorakzession noch eine Kontrolle der
Mittelverwendung statt mit dem Ergebnis, dass als Kollateralschaden sogar
bereits lizensierte E-Books im Bibliotheksbestand und wohlmöglich parallel in
einer Lernumgebung doppelbezahlt herumdümpeln, weil der ein oder andere
Dozent vielleicht nicht erst in den Bibliothekskatalog guckt.
Mir ist insgesamt schleierhaft wie es sein kann, dass die Existenz von
Angeboten unkörperlicher Art, die mit Lizenzen umgeben sind, dazu führen
soll, dass sich seine Rechtsumgebung auf das Sachenrecht eines physischen
Gegenstandes überträgt. Das gedruckte Werkstück ist schlicht eine Sache, die
man gekauft hat, und damit etwas ganz anderes als das angebotene E-Book
eines Verlages.
Die Übertragung des Rechtesystems E-Book auf eine Sache, die dem Verlag gar
nicht mehr gehört, ist aus meiner Sicht ein Eingriff in das Eigentum.
Wieso muss sich jemand nun darum kümmern, was ein Verlag sonst noch anbietet,
wenn er sein Recht nach Kauf des physischen Buches ausübt? Zumal mit Zahlung
von Abgaben die Vergütung der Urheber sichergestellt ist, die Nutzung im
elektronischen Bereich ja nun gesetzlich geregelt ist und bzgl. "Buch" der
Erschöpfungsgrundsatz gilt?
Mal sehen, ob uns die Gerichte nun auch noch Zwangsverträge zum "Schutz des
Urhebers" angedeien lassen.
Demnächst weiter in diesem Theater.
Freundliche Grüße
Annette Kustos, M.A. MA-LIS
Bibliotheksleiterin der Hochschulbibliothek hsg-Bochum
Hochschule für Gesundheit Bochum
Universitätsstr. 105
44789 Bochum
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Annette.Kustos@xxxxxxxxxxxxxxxx
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