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Re: [InetBib] MwSt und andere Themen



Liebe Liste,

bevor die Spekulationen noch weiter gehen ein paar Infos von Verlegerseite:

Verleger bemühen sich seit langem um den reduzierten MwSt Satz für E-Books. 
Auch sind wir seit langem darüber in Kontakt mit dem dbv. Auch der Gedanke 
„Eine Hand wäscht die andere“ wurde uns von Seiten des dbv schon vor einem Jahr 
vorgetragen.
Eine Änderung der MwSt erreichen wir aber nicht, indem wir uns auf irgend etwas 
einigen. Es mangelt auch nicht an Lobbyarbeit bei der Politik. Wir haben von 
der Politik klare Absichtserklärungen zum Thema. Leider reicht es aber auch 
nicht, wenn die Bundesregierung das will. Auch die Kommissare mit denen wir 
sprechen unterstützen das in Brüssel. Die Aussage ist jedoch klar: die aktuelle 
europäische Richtlinie gibt den reduzierten MwSt Satz für E-Books nicht her 
(siehe EuGH). Eine Änderung der Richtlinie ist notwendig. Für diese ist aber 
das Votum der Finanzminister entscheidend, und zwar aller. Das ist in Zeiten 
knapper Kassen in einigen Ländern schwer zu erreichen. Immerhin können aber die 
Länder bei einer geänderten Richtlinie auch trotzdem für den höheren MwSt Satz 
votieren, das ist ein Wahlrecht. So etwa sieht es gerade in Österreich aus, wo 
die Regierung die MwSt auch für Bücher auf den vollen Satz heben will. Das ist 
aktuell eigentlich die größere Katastrophe als das EuGH Urteil…

Die Thematik E-Book = Buch ist ebenfalls Gegestand der Diskussion zwischen den 
Verbänden. Eine Gleichbehandlung von Ungleichem kann man aber auch nicht 
einfach beschließen. Wir müssen uns schon damit auseinandersetzen für jeden 
Aspekt eine angemessene Lösung zu finden. Dass die Nutzerseite da nicht immer 
identisch mit der Anbieterseite ist überrascht ja auch nicht. Dass Verlage Geld 
verdienen wollen finden manche empörend - so klingt das aus einigen Mails hier 
heraus. Aber ich gehe jetzt mal davon aus, dass die wenigsten Bibliothekare 
umsonst arbeiten sondern auch ihre monatliche Überweisung als Gegenleistung für 
ihre Arbeit angemessen finden und unbezahlte Mehrarbeit auch nur in Grenzen 
begeistert aufnehmen.

Die Umsatzentwicklung bei E-Books beobachten wir schon mit Skepsis. Nicht nur 
hier in Deutschland, sondern auch in USA, wo zwar der Marktanteil erheblich 
höher ist, es aber ebenfalls Zeichen der Stagnation gibt. Aus USA höre ich die 
Befürchtung, dass das in Zusammenhang mit Flatrate und E-Lending steht. Die 
Datenlage ist aber noch viel zu ungenau, als dass es eindeutige Aussagen gibt. 
Da wir Verlage bei Investitionen auch Investitionsrechnungen machen müssen, ist 
die Prognose der Entwicklung des Marktsegmetns E-Books entscheidend. Die 
möglichen Gründe für die Stagnation (8% sind eine Stagnation im Vergleich zur 
Erwartung) sind zahlreich. Da kann man auch Piraterie oder die 
Bundle-Besteuerung oder die MwSt dazu zählen. Da kann Amazon eine Rolle 
spielen, aber möglicherweise auch ein Hype, der an Schwung verliert. Oder es 
sind Phänomene einer Erstbeschaffung, bei der Reader mit vielen E-Books befüllt 
wurden und jetzt wollen die Nutzer erst mal was Lesen, bevor sie weiter munter 
shoppen. Da wird sicher auch DRM und E-Lending und Flatrate eine Rolle spielen. 
Weitere Argumente sind gerne willkommen, wir müssen ja ran gehen und das 
untersuchen.

Zu DRM: der Buchhandel fordert die Abschaffung, sehr viele Verlage wollen das 
auch oder haben es schon gemacht. Etliche Auslieferungen sind leider noch nicht 
in der Lage ein Wasserzeichen anzubieten, das sollte bis Jahresmitte erledigt 
sein. In der Belletristik gib es viele Agenten, die im Namen ihrer Autoren DRM 
vertraglich fordern. Das bremst die großen Publikumsverlage etwas aus. Im April 
wird es dazu Verbandsdiskussionen geben und ich hoffe, dass im Laufe des 
Sommers eingies in Bewegung gerät.

Herzliche Grüße
Matthias Ulmer

_________________________________________________________________
Verlag Eugen Ulmer
Matthias Ulmer
Postfach 700561 - 70574 Stuttgart
Wollgrasweg 41 - 70599 Stuttgart-Hohenheim
Tel: +49 (0)711-4507-164
FAX: +49 (0)711-4507-225
mulmer@xxxxxxxx
www.ulmer.de 


 
Eugen Ulmer KG
Sitz Stuttgart
Registergericht Stuttgart, HRA 581
Geschäftsführer: Matthias Ulmer





Am 09.03.2015 um 11:55 schrieb h0228kdm <h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxxx>:

Lieber Herr Flimm, lieber Herr Hinte,

ich habe weiterhin Zweifel, dass die Verlage an der reduzierten 
Mehrwertsteuer wirklich interessiert sind. Das erscheint mir mehr ein 
Scheingefecht zu sein, denn sie wollen ja gerade, dass das E-Book kein Buch 
ist.

Auch die Lobbyarbeit des Börsenvereins sollten wir nicht mit der Realität 
verwechseln. So sind wir seit Jahrzehnten daran gewöhnt, dass vor der 
fortschreitenden Digitalisierung gewarnt wird, verständlicherweise 
insbesondere von denen, die dadurch finanzielle Einbußen befürchten. Sie 
schreitet trotzdem ungebrochen fort – wenn auch langsamer als in den USA.

Dass ist doch schon klassisch: Da heißt es: „E-Book-Verkaeufe stagnieren“, im 
Titel heißt es genauer: „E-Books finden kaum noch neue Käufer“ (eine Dreiste 
Behauptung, weil die Zielgruppe gar nicht untersucht wurde), dann der 
„Aufwärtstrend ist jäh abgebrochen“, und etwas später erfahren wir, der 
„Umsatz stieg im Vergleich zum Vorjahr um 7,6 Prozent, nachdem er 2013 noch 
bei 60% ! lag.

Ansonsten muss man die AGBs immer seltener lesen, wenn die DRM ohnehin alles 
regelt. Das Problem sind darum nicht die AGBs, sondern die massiven 
Behinderungen, durch die DRM. Eigentlich konnten die Verlage doch von Anfang 
an Texte verfügbar ins Netz stellen, so wie es doch auch für viele Klassiker 
geschah. Statt dessen haben sie komplizierte Softwarebarrieren und 
juristische Tricks (ein E-Book ist kein Buch sondern eine Dienstleistung, bei 
Bedarf auch eine Datei) eingebaut, um die Verwertung für sich zu sichern. Mit 
Urheberschaft hat das insofern nichts zu tun, weil die ohnehin beim Urheber 
bleibt. Es klingt aber besser, wenn die Rechteverwerter für die "Urheber" 
kämpfen.

Es ist richtig, wir brauche für unsere Interessenvertretung einen 
„Schulterschluss“, dazu ist aber zunächst ein gemeinsames Ziel notwendig. Und 
für die reduzierte MwST müsste ein E-Book  wieder zum Buch werden – aus 
meiner Sicht eine Selbstverständlichkeit, für die man eigentlich einen 
Konsens hinbekommen müsste.

MfG

Walther Umstätter


Am 2015-03-09 10:19, schrieb Oliver Hinte:
Lieber Herr Flimm,
und genau was schlagen Sie jetzt vor?
Gar nichts tun und auf den Börsenverein, die Politik, die Verlage, die
Juristen, die Verbände
und das Wetter schimpfen und sich mit den Resultaten abfinden?
Wir müssen schon versuchen,  mit der Politik und den anderen
Interessenvertretern konstruktiv
zusammen zu arbeiten.
Aus diesem Grund ist es besonders wichtig den Schulterschluss mit den
Verbraucherschutzverbänden zu suchen.
Den letztendlich sind auch die Bibliotheken Verbraucher und für mich
ist es sowohl als Bibliotheksmitarbeiter
als auch als Endverbraucher nicht nachvollziehbar, warum ich beim
Erwerb eines E-Books erst einmal in die AGBs
schauen soll, um heraus zu finden, was ich damit tun darf und was nicht...
Viele Grüße
Oliver Hinte
Hallo,
On Sat, Mar 07, 2015 at 01:36:49PM +0100, Harald Müller wrote:
   Warum sollte sich für E-Books nicht auch ein angemessenes Modell
   finden lassen, in dem die Interessen Aller (Autoren, Leser,
   Bibliotheken, Verlage) gleichermaßen berücksichtigt werden?
warum sollten sie das tun. Durch jahrelange Lobbyarbeit ist es ihnen -
gerade bei E-Books - perfekt gelungen, ihre Interessen ueber die der
Autoren, Leser und Bibliotheken zu stellen.
Und machen wir uns nichts vor. Die Unzufriedenheit mit der
EUGH-Entscheidung zur Mehrwertssteuer ruehrt wohl weniger daher, dass
die Verlage die finanziellen Noete und Sorgen der Leser und
Bibliotheken im Blick haben, sondern eher daher, dass sie E-Books
billiger anbieten koennen, ohne auf ihren bisherige Gewinnmarge
verzichten zu muessen ;-)
Dazu passt die Meldung, dass E-Book-Verkaeufe stagnieren bzw. nur noch
geringe Zuwachsraten haben:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/e-book-umsatz-waechst-nur-noch-langsam-13461197.html
http://www.heise.de/newsticker/meldung/E-Book-Markt-waechst-in-Deutschland-nur-noch-einstellig-2565570.html
Es gibt fuer sie also offenbar Handlungsbedarf. Warum sich also nicht
einfach eine moegliche Loesung aus der Stagnations-Misere durch die
Allgemeinheit bezahlen lassen?
Denn die Ermaessigung des MwSt-Satzes zahlen eben letztlich wir
alle...
Die Verlage koennten auch ganz einfach:
a) bei Belassung der E-Book-Nachteile fuer den ehrlichen Kaeufer
(hartes DRM, Wasserzeichen, persoenliche Haftung bei E-Book-Diebstahl,
kein Verleihen, Verkaufen, Vererben) die E-Book-Preise generell senken
nach dem Motto: "Ihr bekommt eine Ware, mit der ihr deutlich weniger
machen koennt, als mit dem gedruckten Aequivalent, da muesst ihr auch
deutlich weniger zahlen". Fuer Belletristik sehe ich hier z.B. eine
Obergrenze bei 5 EUR.
oder
b) die E-Book-Nachteile aufheben und weiterhin vergleichbare 'hohe' Preise 
zu
verlangen.
Aber ist das realistisch? Nein.
Gruss
O. Flimm
--
Oliver Hinte
Geschäftsführer
Fachbibliothek Rechtswissenschaft
Rechtswissenschaftliches Seminar
Universität zu Köln
Albertus-Magnus-Platz
50923 Köln
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