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[InetBib] Unchristliche Sonntagsöffnung



Liebe Liste,

die Sonntagsöffnung ist hier anscheinend ein weites Feld fröhlichen Meinens und ein Ort, um seine "Monstranz christlicher Gesinnung" vor sich her zu tragen, um eine bereits verwendete Formulierung einmal aufzugreifen. Dabei lassen sich in dieser Frage, sofern man ein wenig Zeit in die aktive Betätigung seiner professionellen Informationskompetenz zu investieren bereit ist und sofern man noch nicht verlernt hat, auch einmal ältere, bloß gedruckt vorliegende Literatur zur Kenntnis zu nehmen, relativ leicht eine recht klare Antwort finden, jedenfalls was die "Christlichkeit" solcher Sonntagsarbeit angeht.

Das Staatskirchenrecht und seine Ausprägungen im Feiertagsrecht sind hier ein denkbar schlechter Ratgeber, weil der religiös-weltanschaulich neutrale Staat keine eigenen religiösen Wertungen kennt und lediglich im Sinne einer allgemeinen Religionsfreundlichkeit im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung dem Religiösen Raum gibt, wenn und sofern dieses Religiöse eine gewisse Relevanz besitzt. Da insbesondere die beiden Großkirchen in den letzten Jahrzehnten ihre institutionelle Energie in die Festigung ihrer Position als steuereinziehende Behörden investiert haben und dabei die innere Mitgliederbindung gerade in die Zone einer allgemeinen Erosion abgleitet, dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, inwieweit, rechtlich gesehen, religiöse Begründungen im Feiertagsrecht und anderswo noch tragen werden.

Um hier aber nicht den Anschein des Liberalen zu erwecken, der klammheimliche Freude am Niedergang der kirchlichen Religion empfindet, möchte ich die Sonntagsarbeit in Bibliotheken einmal vom rigosoren Standpunkt des traditionellen Katholiken aus betrachten und die Manualien der älteren Moraltheologie zu Rate ziehen, Literatur also, die mit Blick auf Laxheit und leichtfertige Standpunkte sicher ganz unverdächtig ist.

Um es vorweg zu nehmen, vom Standpunkt der Moral ist die Sonntagsöffnung von Bibliotheken zweifelsfrei zulässig. Aus dem Gebot der Sonntagsheiligung folgt allein das Verbot der opera servilia (körperliche Arbeit) und der opera forensia (Gerichtsverfahren und dergleichen). Erlaubt sind dagegen alle opera liberalia, wozu alle geistigen Tätigkeiten gerechnet werden, wie etwa lesen, studieren, lehren, cf. Jone, Katholische Moraltheologie, 5. Aufl., Paderborn 1934, S. 155 sowie Busquet/Garcia-Bayon, Thesaurus Confessarii seu brevis et accurata summula totius doctrinae moralis, ed. 9, Madrid 1934, nr. 312. Dabei spielt es gar keine Rolle, ob die opera liberalia anstrengend sind oder ob sie gegen Entlohnung ausgeführt werden: "talia opera remanent liberalia, etsi cum magna defatigatione perficiuntur et pro mercede obtinenda suscipiuntur. Hinc e. gr. licet diebus dominicis ... etsiamsi hoc fit remunerationis causa.", cf. Prümmer, Manuale Theologiae Moralis secundum Principia S. Thomae Aquinatis, tom. II, 4./5. Aufl, Freiburg 1928, S. 400. Hier gilt der Grundsatz: "intentio operantis non potest opus mutare". In diesem Zusammenhang ist interessant, dass auch Drucker und Typographen, weil dies als opus liberale gilt, sonntags arbeiten dürfen, was immerhin eine gut begründete Ansicht des großen Moraltheologen und Kirchenlehrers Alfons von Ligouri ist, vgl. Theologia Moralis, liber IV, nr. 279. Wenn aber nun der Druck, die Lektüre und sogar das bezahlte Vorlesen und Dozieren statthaft sind, so besteht kein Grund, die Arbeit in der Bibliothek als Verstoß gegen das Gebot der Sonntagsheiligung anzusehen. Im Sinne der traditionellen Kasuistik löst sich die "Unchristlichkeit" der sonntags geöffneten Bibliothek in Wohlgefallen auf.

In diesem Zusammenhang sei ein kurzer Blick auf die Regula Benedicti gestattet. Immerhin waren es ja die Benediktiner, die Heiden zu nennen sicher nicht ansteht, die in unserem Kulturkreis Bibliotheken überhaupt erst installiert haben. In der Regula heißt es in XLVIII, 22 f. trocken: "Dominico item die lectioni vacent omnes ... si quis vero ita ... desidiosus fuerit, ut non velit ... legere, iniungatur ei oprus quod faciat ..." frei übersetzt: Am Sonntag wird gelesen. Wer dazu zu faul ist, soll was Anständiges arbeiten.

In diesem Sinne wünscht ein schönes Wochende
Eric Steinhauer

P.S.: Für den Kenner und Liebhaber: Wie sehen eigentlich die Siebenten-Tags-Adventisten den Samstagsdienst? Hintergrund: https://de.wikipedia.org/wiki/Siebenten-Tags-Adventisten#Sabbat. Offenbar ist bei denen, die sicher keine Heiden sind, Sonntagsarbeit total in Ordnung: http://www.thh-friedensau.de/bibliothek/ :))

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