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Re: [InetBib] DSP - Schleichende Bibliotheksenteignung



Liebe Frau Kustos,

auch nur ganz kurz.



Am 21.09.2012 10:54, schrieb Annette Kustos:
Sehr geehrter Huni-dortmund.de
Betreff: Re: [InetBib] DSP - Schleichende Bibliotheksenteignung

Liebe Frau Kustos,

nur ein paar Randgedanken, die mir zu Ihrer Argumentation gekommen sind.

<<a) Wenn Bibliotheken für sich eine Archivaufgabe definieren, gilt das auch 
für elektronsche Medien. Das Fehlen einer Archivstrategie heisst dann erst 
einml nur, dass man versäumt hat, eine solche für sich zu entwickeln und sich 
bemühen muss, das baldmöglichst nachzuholen. Ich fürchte, dass für uns, die 
wir es uns mit den Lizenzen bequem gemacht haben, viel Nachholbedarf gibt. 
Die Argumentation, wenn ich Sie recht verstehe, es gäbe keine 
Archivierungsstrategie, also muss ich nicht archivieren, empfinde ich als 
seltsam - vor allem angesichts der Perspektive, dass wir es vermehrt mit 
e-only zu tun haben werden.>>
Antwort: ich bin ein "Archivfan", aber man muss die Leistbarkeit sehen. Es 
kann nicht jede Einrichtung für die verschiedenen E-Ressourcen eine eigene 
Archivierungsstrategie für sämtliche insbesondere elektronische Dokumente 
aufbauen, die in der übergeordneten Institution durchsetzen, selbst mit 
Fachexpertise absichern und langfristig durchziehen. Das heißt keinesfalls, 
dass die Archivierung nicht notwendig sei! Im Gegenteil, das will ich ja 
gerade ansprechen. Ich verhandle auch "Archivrechte", aber ich mache mir hier 
auch nichts vor. Was nützt die Archivkopie, wenn ich nicht die Ressourcen 
habe das langfristig benutzbar zu halten. Wer kann das bezahlen? Ich habe 
übrigens eine Archivierungsstrategie, die bezieht aber auch den 
Bibliothekstyp und die technische Entwicklung mit ein. Eine Bibliothek in der 
Größenordnung von sagen wir mal einer Bereichs- oder Institutsbibliothek muss 
sich ab einer bestimmten Aufwandsqualität aus dem übergeordnetem 
Bibliothekssystem absichern. Aussondern ist ohnehin keinesfalls verboten, 
sondern ein Teil jeder Bestandspolitik.
Ich muss Ihnen leider in dieser aus meiner Sicht etwas düsteren Bilanz 
für den Augenblick recht geben.  Allerdings haben es Bibliotheken auch 
früher geschafft, sich Expertise für die Langzeitarchivierung gedruckten 
Materials zu erwerben. Es kommt einfach darauf an, das zu einer 
Selbstverständlichkeit innerhalb des Berufsstandes zu machen.  Bezahlen 
wird es die öffentliche Hand dann, wenn Sinn und Nutzen klar ist, wie 
sie auch in der Vergangenheit Magazinbauten und Infrastruktur in ähnlich 
teueren Dimensionen bezahlte. Kurz, ich würde die Ressourcenfrage nicht 
dramatisieren. Nur weil es neu ist, ist es nicht gleich nicht machbar 
oder zu teuer. Es geht hier in einem fudamentalen Sinne um den Umbau von 
Geschäftsgängen, was natürlich Ressourcen verschlingt, was aber 
angegangen werden muss, wenn denn die Bibliothek in der Zukunft noch 
eine Role spielen soll.

<<b) Die Bibliotheken, die wie wir tatsächlich eBooks archivieren wollen, 
dürfen das kraft Gesetzes nicht, das ist ja in dieser Liste bereits 
hinlänglich diskutiert worden. Bilaterale Verhandlungen zu Archiv- und 
Indexierungsrechten führen gelegentlich zum Erfolg, manche Verlage wie 
Cambridge University Press lehnen das jedoch rundheraus ab.>>
Antwort: Genau! Daher muss man hier gesetzlich handeln, das kann man nämlich 
nicht ver-handeln. Es geht ja gar nicht darum, "umsonst" auf etwas 
zuzugreifen, sondern auf das, was man lizensiert hat oder hatte. Aber auch 
das wird ausgeschlossen. Das kann so nicht bleiben und damit komme ich auf 
Herrn Prof. Umstätter zurück: das ist schon enteignend. Das können einzelne 
Bibliotheken aber nicht leisten.
Bis eine gesetzliche Regel da ist (das kann man wohl nur über Wahlen 
beeinflussen), können wir zwischenzeitlich auch gegenwärtig dafür etwas 
tun. Z.B. sollte man grundsätzlich keine eBooks kaufen, wenn es keine 
Archiv- und Indexierungsrechte gibt.  Hier ist anders als bei eJournals 
der Markt noch offen bzw. die Nutzer sind noch mit gedruckten Büchern 
zufrieden. Auch bei eJournals sollte man es versuchen, aber ich mache 
mir da wenig Illusionen. Last but not least, machen Sie ihre 
wissenschaftlichen Nutzer, meint Autoren, darauf aufmerksam, dass es der 
Wissenschaft dient, in Open Access Journalen , aber bitte mit Archiv- 
und Indexierungsrechten, zu publizieren.  Mit ist klar, dass das nur 
Trippelschritte sind, aber bemühen sollte man sich dessen ungeachtet.

<<c) eBooks und eJournals sind nicht nur zum Lesen da, sondern auch zum 
Rechnen. Wenn ich ein Buch lesen will, kann ich im Prinzip auch die gedrucke 
Fassung nehmen.  Der Witz bei eBooks oder eJournals  ist doch, dass man sie 
als elektronische Texte im Sinne von Forschungsdaten nutzen kann. Das kann 
auch für kleine Bibliotheken mit speziellen Fragestellungen interessant sein. 
Einige Bibliotheken arbeiten übrigens mittlerweile daran, auch Volltexte in 
ihre Kataloge zu integrieren (wenn sie es denn dürfen und können). Dann 
brauche ich Indexierungsmöglichkeiten, die ich als Bibliothek selbstständig 
beeinflussen können muss (oder wollen Sie sich in alle Zukunft auf den 
werbegesteuerten Google-Index verlassen?).  Gerade diese Option rät zur 
Diversifikation, zumal ich die Vorstellung, irgendeine "zentrale Digitale 
Speicherbibliothek" würde "sauber" archivierte eBooks zur Nachnutzung 
bevorraten, für reines Wunschdenken halte.>>

Antwort: Genau, die Performance ist ja das Entscheidende, es braucht 
Suchmaschinen, Indexierungen, Nutzungsplattformen....habe ich die in Zukunft 
für irgendwelche elektronischen Titel?  Ich glaube nicht daran, dass 
Bibliotheken aller Couleur sich ständig neue Systeme werden leisten können.
Nun, da bin ich in der Tat anderer Auffassung. Ich denke schon, dass es 
im Sinne von Spezialisierungen eine grosse Bandbreite von digitalen 
Angeboten geben kann und wird. Das heisst nicht, dass man sich stände 
neue Großrechner kauft (die sind ja auch nicht lange in Mode gewesen), 
sondern  auf durchaus pragmnatischer Ebene interessante Angebote zu 
machen vermag.  Angesichts der vielen tools im Open Source Bereich geht 
es hier eher um den Aufbau von IT Expertise als teure Software. Wir 
sollten hier lieber zum Experimentieren ermuntern, als gleich 
verzweifelt die Hände zu heben, auch wenn ich natürlcih ihre Skepsis 
nachvollziehen kann.

<<Ich würde daraus argumentieren: die Lizenzen sind für eine große 
Anzahl von Gebrauchsbibliotheken schlecht, sie wissen es nur noch nicht 
;-)>> Antwort: ja.. wenn es um "Bestand" geht, im klassischen Sinne... 
genauso ist es. Wenn es um Versorgung und Zugriffe geht sieht es besser 
aus. Ich habe ein Zeitschriftenpaket, das im Zugriff 20.000 Euro 
billiger ist, als das Archiv.. Tja, ist es falsch, das zu lizensieren? 
Man muss sich über diese Dinge im Klaren sein. Ich habe das mit den 
Haushältern und Fächern abgesprochen und die Problematik ganz klar 
mündlich und schriftlich geoutet. Wir Bibliothekare sind nämlich nicht 
der "Weihnachtsmann". Viele Grüße, Ihr Th. Stäcker Am 20.09.2012 15:05, 
schrieb Annette Kustos:

Ja, man kann der Auffassung sein, dass man elektronische Ressourcen ja 
nur nutzen, aber keinen Bestand damit aufbauen will. Allerdings ist Ihr  
"Nutzungskonzept" bzw. "Versorgungskonzept" dann ein sehr enges, meint 
traditionelles, nämlich dass die Bücher oder Zeitschriften "nur" gelesen 
werden sollen.  Wenn Sie das und keinen zentralen Nachweis ihrer 
Volltexte u.ä wollen, gut. Ich würde aber gerade bei eBooks empfehlen, 
diese, wie oben bereits gesagt, nicht zu erwerben, wenn Sie nicht mehr 
damit machen können.  Denn für diesen Zweck sind eBooks eben nur die 
zweite Wahl , und nach wie vor lässt sich der Kodex in  Papierform zum 
Lesen besser nutzen. Für einen netten Mehrwert ausserhalb des Bestandes, 
der zudem keinen Magazinplatz verbraucht - Sie haben es richtig 
festgestellt - wäre nach meinem Gefühl diese Art elektronische 
Ephemerliteratur einfach zu teuer und ein Papierexemplar allemal 
vorzuziehen. Mit anderen Worten, wenn schon eBook, dann richtig eBook.

Herzliche Grüße,
Ihr
Th. Stäcker

Lieber Herr Prof. Umstätter,
an diesem Text hatte ich insbesondere bzgl. des Schöpferbegriffs meine 
philosophische Freude - Wiederentdecker sind wir, in der Tat, mehr nicht. 
Leider gibt es aber auch Wiederkäuer oder Personen, die selbst das nicht 
mehr selber tun. Unser moderner Cagliostro adeliger Provenienz hatte sich 
vorgestellt, das Fremdwiederkäuen sei eine Art Formalium für seine Vita. Das 
sehen die kopierten Urheber sicherlich anders.
   Es gibt schon noch einen Eigenbezug zum eigenen Werk und man sollte 
zumindest zu Lebzeiten dafür auch entlohnt werden, wenn man es anderen zur 
Verfügung stellt. Das Generieren von Wissen ist Diskurs und Bezug, dafür 
sind wir Bibliotheken ein möglicher Suchraum und Vermittler, wenn nicht 
sogar ein Teil des Qualitätsmanagements.
Die Problematik der Enteignung sehe ich auch, allerdings bin ich da nicht 
nur auf "die Verlage" fokussiert. Natürlich wollen diese Gewinne erzielen... 
die Enteignung ist schon zum Teil so gemeint, also die doch sehr 
interessanten Vertriebstechniken im Bereich von E-Books, E-Zeitschriften 
(und Datenbanken, wo das aber noch nachvollziehbar ist) haben häufig eine 
körperliche Dimension im Sinne einer Vermehrung von Dingen, also "Beständen" 
verlassen -da ist unser Haushaltsrecht so gar nicht drauf vorbereitet und 
unsere Katalogtechniken oder Bestandsentwicklungskonzepte auch nicht. 
Außerdem hat man uns damit dauerhaft als Kunden am Wickel.
Ich bin der Kürze halber mal provokant und sage: der Entzug des
Eigentums seitens der Verlage stört mich gar nicht so sehr (bitte Begründung 
abwarten.. :-) ) 1. Die Sache bringt es nämlich mit sich. Die elektronischen 
Dokumente sind flüchtig. Wenn wir sie im Sinne von "Bestand" erhalten 
wollen, müssen wir sie archivieren und wenn sie dann noch benutzbar bleiben 
sollen, brauchen wir eine Performance dafür. Wer eigene Hochschulserver 
betreibt, weiß was das für eigene Dokumente heißt und man hat dann 
sicherlich einen Workflow entwickelt, der auch die Aufgabe der 
Langzeitarchivierung nicht außer Acht lässt. Aber wer archiviert 
elektronische Zeitschriften oder E-Books? Im Moment die Anbieter, die aber 
keine Verpflichtung der Langzeitarchivierung haben. Selbst wenn wir ein 
Archivrecht haben, was bringt uns das? Ein anderes Archivierungsproblem als 
bei gedruckten Bänden. Welche Einrichtung hat langfristig gesehen (also für 
die nächsten mindestens 100 Jahre) ein Konzept der Archivierung und 
Zugänglichmachung von Archivkopien digitaler Dokumente? Das im Internet 
befindliche Geschwirr lasse ich da mal außen vor...
2. Es gibt aufgrund des Lizenzrechts erhebliche Redundanz bei elektronischer 
Literaturversorgung, da jeder einzeln lizensieren muss. Heißt das für die 
Zukunft, dass jeder, auch kleine Einrichtungen jetzt für die Archivierung 
dieser Ressourcen sorgt? Eigentlich ist es witzlos für kleine Einrichtungen 
ein Archivrecht zu kaufen.. was macht ein Institut X mit kleinem Etat am 
Tage Y mit ganz vielen schönen Zeitschriften im pdf-Format? Was macht es 
damit in 30 Jahren? Was soll diese Bibliothek mit einem E-Book in 
irgendeinem Format ohne die Nutzungsperformance? Nichts.
3. Daher sind Lizenzen für den reinen Zugriff für die große Zahl von 
Gebrauchsbibliotheken gar nicht so schlecht - die Preise stimmen bloß nicht. 
Die Preise sind Kaufpreise und darin besteht mittelbar eine Enteignung, 
nämlich die Enteignung von öffentlichen Geldern in Mondpreissysteme. Bei 
manchen Verlagen haben E-Books Datenbankpreise und sind ohne Archivrecht gar 
nicht zu bekommen, geschweige denn billiger. Ich kann mir gut vorstellen, 
eine "gemischte" Kultur von Bestand und Zugang zu bilden, bei Büchern wäre 
ein Print-Ex immer eine gute Sache, nur im schlechten Fall Verzichtbares 
oder eine Exemplarergänzung wäre online. Bei Zeitschriften funktioniert das 
aber jetzt schon nicht mehr bei Titeln, die gar nicht mehr in Print 
erscheinen. Hier kann ich mit dem Archivrecht langfristig nur meiner 
Nervenberuhigung dienen.
4. Für die Substanz elektronischer Dokumente, die nur noch so erscheinen, 
können langfristig nur dafür mit Technik und geschultem Personal gut 
ausgestattete große Bibliotheken sorgen. Das können für den 
deutschsprachigen Bereich die Pflichtexemplarbibliotheken sein und da 
passiert das ja wohl  auch schon. Für die internationale Literatur braucht 
es etwas Ähnliches.  Die Utopie lautet: zentrale Digitale 
Speicherbibliotheken, die den bisherigen Lizenznehmern für den lizensierten 
Zeitraum dauerhaft Zugang auf die dann sauber konvertierten und benutzbaren 
Daten bereithält, so eine Art EZB mit Storage , wohlgemerkt nicht 
"gebührenfrei", sondern für das Erworbene. Eine schöne Bibliotheksstruktur 
haben wir ja eigentlich in der BRD - das ist übrigens nicht in jedem Land so 
- die das gemeinsam bewerkstelligen könnte.
5. Damit beschäftigen sich die Unterhaltsträger leider noch sehr ungern. Da 
sind nämlich rechtliche Grundlagen für notwendig, die auch die 
wissenschaftliche Literaturversorgung von morgen berücksichtigen nicht nur 
die Verwertungsrechte ängstlicher Verlage. Darin besteht dann wohl auch die 
eigentliche Enteignung.. das macht der Staat dann aber selber.

So jetzt bin ich mal still :-)
Freundliche Grüße

Annette Kustos, M.A., M.A.-LIS
Leitung Hochschulbibliothek
Hochschule für Gesundheit
University of Applied Sciences
Universitätsstraße 105
44789 Bochum
Tel: +49 (0)234/77727-150
Mobil:
E-Mail: annette.kustos@xxxxxxxxxxxxxxxx
Web: www.hs-gesundheit.de

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information. If you are not the intended recipient or have received this 
e-mail in error, please notify the sender immediately and destroy this 
e-mail. Any unauthorized copying, storing, disclosure or distribution of the 
contents of this e-mail is strictly forbidden.




-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von h0228kdm
Gesendet: Dienstag, 18. September 2012 13:46
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] DSP - Schleichende Bibliotheksenteignung

Liebe Frau Kustos,

besten Dank für Ihren Hinweis. Das mit der Flüchtigkeit ist auch so eine 
Sache. Wer schon mal sah, wie ein Buch in Flammen aufging, weiß wie flüchtig 
auch dieses Medium ist. Der Trick mit der Unkörperlichkeit dient doch nur 
der Enteignung der Bibliotheken. Weil heute jedermann leichter und rascher 
kopieren kann als je zuvor, versucht man mit allen rechtlichen Mitteln das 
Kopieren zu verbieten, nur damit die Verlage dieses Recht für sich allein 
behalten.

Früher war die Welt noch einfach. Ein Autor schrieb ein Buch, ein Verleger 
erhielt das Verwertungsrecht, wenn er eine größere Zahl von Kopien erzeugte 
und verkaufte. Jeder, der eine solche Kopie erwarb, besaß daran das Eigentum 
und wenn der Eigentümer eine Bibliothek war, durfte diese allen ihren 
Benutzern das Buch mehrfach für befristete Zeit als Besitz anbieten. Sie 
konnte sogar Leihgebühren verlangen und blieb Eigentümer. Im Sinne eines 
Fair Use konnten sich dann die Besitzer sogar eine Kopie ziehen, bei der sie 
Randbemerkungen wie sic!, f, siehe oben, falsches Zitat, alles Quatsch, 
wunderbar etc. anfügen konnten, um das Werk durch eigene Autorenschaft 
geistig fortzusetzen, um es im Sinne K.
Poppers zu falsifizieren oder auch nur zu rezensieren, denn die Beschädigung 
des Bibliothekseigentums war nicht erlaubt.

Diese Eigentumsverhältnisse werden in der digitalen Welt den Bibliotheken 
seit einigen Jahrzehnten durch die begrenzten Nutzungsrechte immer stärker 
vorenthalten, so dass sie damit auch Archivierungsprobleme bekommen. Sie 
könnten archivieren dürfen aber nicht.

„Bibliotheken werden indes durch die Software-Anbieter häufig mit dem 
Problem konfrontiert, nicht Eigentum, sondern nur ein zeitlich begrenztes 
Nutzungsrecht zu erwerben. Dieses wird dann über einen sogenannten 
Lizenzvertrag geregelt, der rechtlich einem Mietvertrag gleichzusetzen ist. 
Erfahrungsgemäß enthalten Lizenzverträge Klauseln, deren Beachtung für das 
Bibliotheksmanagement (konkret für den Umgang mit investiven 
Erwerbungsmitteln) und die Informationsvermittlung bzw.
Benutzung zu schwerwiegenden Problemen und kaum vertretbaren
Konzessionen führen kann.“ (Lehrbuch des Bibliotheksmanagements S.
168)

Mit anderen Worten, Bibliotheken werden seit etlichen Jahren durch 
veränderte Auslegung der Copyrights bei unkörperlicher Verwertung, im 
wahrsten Sinne des Wortes immer stärker enteignet.

Während die Nutzer immer mehr „Information at your fingertips“
bekommen, (nicht zuletzt darum, weil ihre Bibliotheken dafür immer
mehr
bezahlen) merken sie kaum, dass ihre Bibliotheken gezielt entwertet werden. 
Bibliotheken sind gezwungen immer mehr Geld für weniger Eigentum auszugeben, 
und der Staat schaut zu.

Auch die klassischen Verleger befinden sich, gerade durch diese steigenden 
Macht, natürlich in großer Gefahr.
1. Weil die Urheber immer öfter auch die eigenen Verleger ihrer Werke sein 
wollen.
2. Weil Universitätsbibliotheken im Zusammenhang mit Open Access ihre Rechte 
als Eigentümer nur mit Hilfe der Verwertungsrechte zurückgewinnen können.
3. Gerade in der Wissenschaft erhebt sich immer mehr die Frage, wem das 
Wissen wirklich gehört.

Bei genauer Betrachtung ist der Urheber von Wissen kein Creator oder 
Schöpfer sondern nur jemand der einen bereits vorhandenen Schatz hebt.
Er kann nur finden was bereits vorhanden ist. Anderenfalls ist es kein 
Wissen. Außerhalb der Wissenschaft ist der weitaus größte Teil an 
Kreativität schon Nonstop Nonsens.
(www.wissenschaftsforschung.de/abstract_Umstaetter_2012.pdf  im Druck).

Darum gab es auch lange kein Urheberrecht im heutigen Sinne, weil man ja nur 
schriftlich weiter gab, was Gott erschaffen hatte. Insofern ist das heutige 
Wort Urheber, zu einer Person mit schöpferischer Leistung eines Werkes, eine 
Verballhornung dieses Wortes. Creator in der Naturwissenschaft ist noch 
immer die Natur, und auch in der Geisteswissenschaft ist es nur deren 
Emergenz. Darum hieß es früher im Deutschen auch das "hat Sinn" bzw. ist 
sinnvoll (engl. meaningful), während man heute nach deutscher Verballhornung 
des englischen "it make sense" glaubt beliebig kreativ "Sinn machen" zu 
können. Dass das englische sense bzw. sensation mehr im Sinne von Gefühlen 
oder Sinneseindrücken zu verstehen war, ging dabei unter.

So stark, insbesondere nationalsozialistische Wissenschaftler, die Gleichung 
E = m c c bezweifelt, angegriffen, zu falsifizieren versucht haben, sie 
kamen an deren Naturgegebenheit nicht vorbei. Sie ergibt sich mathematisch 
zwangsläufig aus den bereits bekannten Naturgesetzen.
Einstein war ihr Urheber oder auch Erfinder (im Sinne eines Suchenden), aber 
nicht ihr Schöpfer. Darum ist es auch umstritten, wie viele Wissenschaftler 
schon vor ihm zur selben Erkenntnis kamen. Nur er wurde dafür bekannt, weil 
er als Jude am stärksten angefeindet wurde.

Der Urheber, als Person, die als Erste ein bis dahin unbekanntes Wissen 
gefunden und publiziert hat, behält seine Bedeutung für die Gesellschaft. 
Seine Überhöhung als Schöpfer oder Creator entspricht der typischen Hybris 
heutigen Denkens. Wir sind eine Wissensgesellschaft und wissen fast alles, 
zumindest alles besser als die Natur und unsere Politiker. ;-) Das 
berechtigt uns auch zu Wutmenschen. In Wirklichkeit sind wir eine 
Wissenschaftsgesellschaft, die die ihren Bedarf an täglich neuem Wissen 
immer deutlicher spürt.

Das ist ein sehr grundlegendes Problem, dass wir Menschen weit weniger 
„Schöpfer geistigen Eigentums“ sind, als wir uns gern einreden, und das wird 
mit der Enteignung der Bibliotheken immer deutlicher. Denn jeder 
Bibliotheksbenutzer hat das Recht, aus dem Wissen in seiner Bibliothek 
heraus, ein neues Wissen selbst zu entdecken, auch wenn Verleger es ihm als 
Rechteinhaber vorenthalten wollen, wenn er dafür nicht bezahlt. Es fehlt 
jetzt nur noch, dass uns Juristen auch diese Entdeckung neuen Wissens im 
Rahmen des Urheberrechts verbieten wollen, weil es schon entdeckt wurde.

In Wirklichkeit war ja in einer wissenschaftlichen Arbeit schon immer nur 
sehr wenig wirklich neues Wissen. Oft nur eine zusätzliche Dezimalzahl bei 
einer lange bekannten Naturkonstanten, und trotzdem tat man nicht ganz 
unberechtigt so, als wäre die gesamte Publikation das geistige Eigentum des 
Autors. Weil dieser kleine neue Wissenszuwachs begründet werden musste und 
Unsummen kosten konnte. Dem können wir heute besser denn je durch Metadaten 
und DSP Rechnung tragen.

Unbeschadet der Leistung eines Verlags bei der Erzeugung und Bekanntmachung 
eines Buches (elektronisch oder gedruckt), kann die Erzeugung von Redundanz 
(einer Kopie) in der modernen digitalen Welt nicht mehr als Grund für 
tiefgreifende oder umfassende Verwertungs- und Eigentumsrechte angesehen 
werden, und auch die Urheberschaft sollte man nicht zu einem geradezu 
göttlichen Schöpfertum hochstilisieren. Es ist ganz normale 
wissenschaftliche Arbeit, zu der der Mensch als Homo sapiens geradezu 
geschaffen ist.

Mit freundlichen Grüßen

Walther Umsätter


Am 16.09.2012 14:10, schrieb Annette Kustos:
Lieber Herr Prof.Umstaetter,

Ich glaube es ist eine deutliche Änderung im Gange. Es ist nicht nur
das Problem da, dass etwas nicht mehr ordentlich katalogisierbar ist,
es urheberrechtliche Probleme gibt, diese "Dokumente" sind
unkörperlich und flüchtig!
Sie sind auch eigentlich, und das ist für das Wesen von Katalogen
eigentümlich,kein "Bestand", der zu verzeichnen wäre. Das unterschied
doch einstmals den Katalog von der Bibliographie.

Das Problem beginnt übrigens schon bei unseren ja noch gerade eben
katalogtechnisch fassbaren elektronischen Zeitschriften, die wir dank
EZB und ZDB katalogtechnisch noch im Griff haben. Was "haben" wir im
Sinne des Eigentums aber wirklich, wenn wir den Zugang zu einem Titel
abbestellen mussten und dann PDFs oder sonst etwas als "Archiv"
bekommen? Wieviele der Bibliotheken sind dann in der Lage, dieses
dauerhaft technisch zu archivieren und nutzerfreundlich zugänglich zu
machen? Hier sieht man den Wandel schon, sachenrechtlich gar nicht
fassbar. Und DSP-Quellen? Hm.
Wer soll das archivieren?


Es ist wichtig, dass die Bibliotheken ihren Bestand auch im Web
findbar machen. Es wir auch weiterhin Physisches geben, das im Sinne
eines "Bestandes" funktioniert und noch fassbare elektronische
Einheiten.  Fuer flüchtige Quellen, die wir aber schlicht nicht
dauerhaft besitzen, geht es bei allen Gebrauchsbibliotheken meines
Erachtens  um Zugangswege. Dazu sind aus meiner Sicht
Discoverymaschinen, die dieBibliotheksplattform einsetzt, um
verteilte körperliche und unkörperliche Quellen im Sinne einer
Suchraumkonzeption für ihre spezifische Benutzerklientel findbar zu
machen eine sehr gute technische Entwicklung. Sehr wichtig ist
deshalb, dass die Verbünde sich hier engagieren, damit unser
Bibliothekssystem für die Nutzer funktioniert. Hier werden häufig die
uralten Meta-Normdaten der Bibliotheken genutzt (Schlagworte,
Klassifikationen), aber eben häufiger Verlagsdaten und alle
moeglichen sonstigen Informationen und dank Linkresolving und EZB
klappt das dann.
Wer solche Quellen dauerhaft archivieren sollte, ist eigentlich klar:
die großen Landes-, Spezial- und Universitaetsbibliotheken. Das gilt
vielleicht auch für solche DSP-Quellen.
Die Strukturen wären eigentlich da, werden aber ungern finanziert.
Auf der Tagung zu Digitalisierung und Urheberrecht, die letzte Woche
von der Universität Köln ausgerichtet wurde (siehe auch Mail von Eric
Steinhauer), wurde hier so einiges klar, nämlich dass der Staat hier
gefordert ist seiner Aufgabe einer ausgleichenden und das Gemeinwohl
schützenden Rechtssetzung und der Finanzierung der
Langzeitarchivierung nachzukommen, denn das kann "der Einzelne", auch
einzelne Bibliotheken nicht mehr leisten.
So schnell wie ein Leistungsschutzrecht hier entstanden ist (tja),
werden sie damit wohl nicht verfahren, muessen aber weiter dazu
aufgefordert werden. Auch die urheberrechtlichen Fragestellungen sind
von einzelnen Bibliotheken nicht mehr lösbar..
Gruß



Am 14.09.2012 um 11:40 schrieb "h0228kdm"
<h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxxx>:

Hat hier schon jemand darüber nachgedacht, wie Bibliotheken in ihren
Katalogen darauf reagieren, wenn in einem Dokument des Dynamic
Semantic Publishing (DSP bei der Olympiade in London) für
verschiedene Teile des Textes verschiedene Urheber bzw. verschiedene
Verwertungsrechte anzeigen, die ein Computer generiert hat.

Möglicherweise hat Karl-Nikolaus Peifer Recht, wenn er behauptet:
"Das
digitale Urheberrecht steht am Abgrund".

http://www.brandeins.de/magazin/warenwelt/das-digitale-urheberrecht-
s
teht-am-abgrund.html

Das Urheberrecht berücksichtigt zu wenig die wirkliche geistige
Leistung und belohnt dagegn die Auflagenzahl, das fällt jetzt
anscheinend auch den Richtern auf.

MfG

Walther Umstätter

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Dr. Thomas Stäcker
Stellv. Direktor
Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
Tel. +49+5331/808-303
Email staecker@xxxxxx





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