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Re: [InetBib] DSP - Schleichende Bibliotheksenteignung



Sehr geehrter Herr Stäcker,
ich stecke gerade in Terminen, daher kurz eine Antwort unten.

Annette Kustos, M.A., M.A.-LIS
Leitung Hochschulbibliothek
Hochschule für Gesundheit
University of Applied Sciences
Universitätsstraße 105
44789 Bochum
Tel: +49 (0)234/77727-150
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-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx 
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von Thomas Staecker
Gesendet: Donnerstag, 20. September 2012 19:44
An: inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
Betreff: Re: [InetBib] DSP - Schleichende Bibliotheksenteignung

Liebe Frau Kustos,

nur ein paar Randgedanken, die mir zu Ihrer Argumentation gekommen sind.

<<a) Wenn Bibliotheken für sich eine Archivaufgabe definieren, gilt das auch 
für elektronsche Medien. Das Fehlen einer Archivstrategie heisst dann erst 
einml nur, dass man versäumt hat, eine solche für sich zu entwickeln und sich 
bemühen muss, das baldmöglichst nachzuholen. Ich fürchte, dass für uns, die wir 
es uns mit den Lizenzen bequem gemacht haben, viel Nachholbedarf gibt. Die 
Argumentation, wenn ich Sie recht verstehe, es gäbe keine 
Archivierungsstrategie, also muss ich nicht archivieren, empfinde ich als 
seltsam - vor allem angesichts der Perspektive, dass wir es vermehrt mit e-only 
zu tun haben werden.>>
Antwort: ich bin ein "Archivfan", aber man muss die Leistbarkeit sehen. Es kann 
nicht jede Einrichtung für die verschiedenen E-Ressourcen eine eigene 
Archivierungsstrategie für sämtliche insbesondere elektronische Dokumente 
aufbauen, die in der übergeordneten Institution durchsetzen, selbst mit 
Fachexpertise absichern und langfristig durchziehen. Das heißt keinesfalls, 
dass die Archivierung nicht notwendig sei! Im Gegenteil, das will ich ja gerade 
ansprechen. Ich verhandle auch "Archivrechte", aber ich mache mir hier auch 
nichts vor. Was nützt die Archivkopie, wenn ich nicht die Ressourcen habe das 
langfristig benutzbar zu halten. Wer kann das bezahlen? Ich habe übrigens eine 
Archivierungsstrategie, die bezieht aber auch den Bibliothekstyp und die 
technische Entwicklung mit ein. Eine Bibliothek in der Größenordnung von sagen 
wir mal einer Bereichs- oder Institutsbibliothek muss sich ab einer bestimmten 
Aufwandsqualität aus dem übergeordnetem Bibliothekssystem absichern. Aussondern 
ist ohnehin keinesfalls verboten, sondern ein Teil jeder Bestandspolitik.

<<b) Die Bibliotheken, die wie wir tatsächlich eBooks archivieren wollen, 
dürfen das kraft Gesetzes nicht, das ist ja in dieser Liste bereits hinlänglich 
diskutiert worden. Bilaterale Verhandlungen zu Archiv- und Indexierungsrechten 
führen gelegentlich zum Erfolg, manche Verlage wie Cambridge University Press 
lehnen das jedoch rundheraus ab.>>
Antwort: Genau! Daher muss man hier gesetzlich handeln, das kann man nämlich 
nicht ver-handeln. Es geht ja gar nicht darum, "umsonst" auf etwas zuzugreifen, 
sondern auf das, was man lizensiert hat oder hatte. Aber auch das wird 
ausgeschlossen. Das kann so nicht bleiben und damit komme ich auf Herrn Prof. 
Umstätter zurück: das ist schon enteignend. Das können einzelne Bibliotheken 
aber nicht leisten.

<<c) eBooks und eJournals sind nicht nur zum Lesen da, sondern auch zum 
Rechnen. Wenn ich ein Buch lesen will, kann ich im Prinzip auch die gedrucke 
Fassung nehmen.  Der Witz bei eBooks oder eJournals  ist doch, dass man sie als 
elektronische Texte im Sinne von Forschungsdaten nutzen kann. Das kann auch für 
kleine Bibliotheken mit speziellen Fragestellungen interessant sein. Einige 
Bibliotheken arbeiten übrigens mittlerweile daran, auch Volltexte in ihre 
Kataloge zu integrieren (wenn sie es denn dürfen und können). Dann brauche ich 
Indexierungsmöglichkeiten, die ich als Bibliothek selbstständig beeinflussen 
können muss (oder wollen Sie sich in alle Zukunft auf den werbegesteuerten 
Google-Index verlassen?).  Gerade diese Option rät zur Diversifikation, zumal 
ich die Vorstellung, irgendeine "zentrale Digitale Speicherbibliothek" würde 
"sauber" archivierte eBooks zur Nachnutzung bevorraten, für reines Wunschdenken 
halte.>>

Antwort: Genau, die Performance ist ja das Entscheidende, es braucht 
Suchmaschinen, Indexierungen, Nutzungsplattformen....habe ich die in Zukunft 
für irgendwelche elektronischen Titel?  Ich glaube nicht daran, dass 
Bibliotheken aller Couleur sich ständig neue Systeme werden leisten können. 


<<Ich würde daraus argumentieren: die Lizenzen sind für eine große Anzahl von 
Gebrauchsbibliotheken schlecht, sie wissen es nur noch nicht ;-)>>
Antwort: ja.. wenn es um "Bestand" geht, im klassischen Sinne... genauso ist 
es. Wenn es um Versorgung und Zugriffe geht sieht es besser aus. Ich habe ein 
Zeitschriftenpaket, das im Zugriff 20.000 Euro billiger ist, als das Archiv.. 
Tja, ist es falsch, das zu lizensieren? Man muss sich über diese Dinge im 
Klaren sein. Ich habe das mit den Haushältern und Fächern abgesprochen und die 
Problematik ganz klar mündlich und schriftlich geoutet. Wir Bibliothekare sind 
nämlich nicht der "Weihnachtsmann".


Viele Grüße,
Ihr
Th. Stäcker




Am 20.09.2012 15:05, schrieb Annette Kustos:
Lieber Herr Prof. Umstätter,
an diesem Text hatte ich insbesondere bzgl. des Schöpferbegriffs meine 
philosophische Freude - Wiederentdecker sind wir, in der Tat, mehr nicht. 
Leider gibt es aber auch Wiederkäuer oder Personen, die selbst das nicht mehr 
selber tun. Unser moderner Cagliostro adeliger Provenienz hatte sich 
vorgestellt, das Fremdwiederkäuen sei eine Art Formalium für seine Vita. Das 
sehen die kopierten Urheber sicherlich anders.
  Es gibt schon noch einen Eigenbezug zum eigenen Werk und man sollte 
zumindest zu Lebzeiten dafür auch entlohnt werden, wenn man es anderen zur 
Verfügung stellt. Das Generieren von Wissen ist Diskurs und Bezug, dafür sind 
wir Bibliotheken ein möglicher Suchraum und Vermittler, wenn nicht sogar ein 
Teil des Qualitätsmanagements.
Die Problematik der Enteignung sehe ich auch, allerdings bin ich da nicht nur 
auf "die Verlage" fokussiert. Natürlich wollen diese Gewinne erzielen... die 
Enteignung ist schon zum Teil so gemeint, also die doch sehr interessanten 
Vertriebstechniken im Bereich von E-Books, E-Zeitschriften (und Datenbanken, 
wo das aber noch nachvollziehbar ist) haben häufig eine körperliche Dimension 
im Sinne einer Vermehrung von Dingen, also "Beständen" verlassen -da ist 
unser Haushaltsrecht so gar nicht drauf vorbereitet und unsere 
Katalogtechniken oder Bestandsentwicklungskonzepte auch nicht. Außerdem hat 
man uns damit dauerhaft als Kunden am Wickel.
Ich bin der Kürze halber mal provokant und sage: der Entzug des 
Eigentums seitens der Verlage stört mich gar nicht so sehr (bitte Begründung 
abwarten.. :-) ) 1. Die Sache bringt es nämlich mit sich. Die elektronischen 
Dokumente sind flüchtig. Wenn wir sie im Sinne von "Bestand" erhalten wollen, 
müssen wir sie archivieren und wenn sie dann noch benutzbar bleiben sollen, 
brauchen wir eine Performance dafür. Wer eigene Hochschulserver betreibt, 
weiß was das für eigene Dokumente heißt und man hat dann sicherlich einen 
Workflow entwickelt, der auch die Aufgabe der Langzeitarchivierung nicht 
außer Acht lässt. Aber wer archiviert elektronische Zeitschriften oder 
E-Books? Im Moment die Anbieter, die aber keine Verpflichtung der 
Langzeitarchivierung haben. Selbst wenn wir ein Archivrecht haben, was bringt 
uns das? Ein anderes Archivierungsproblem als bei gedruckten Bänden. Welche 
Einrichtung hat langfristig gesehen (also für die nächsten mindestens 100 
Jahre) ein Konzept der Archivierung und Zugänglichmachung von Archivkopien 
digitaler Dokumente? Das im Internet befindliche Geschwirr lasse ich da mal 
außen vor...
2. Es gibt aufgrund des Lizenzrechts erhebliche Redundanz bei elektronischer 
Literaturversorgung, da jeder einzeln lizensieren muss. Heißt das für die 
Zukunft, dass jeder, auch kleine Einrichtungen jetzt für die Archivierung 
dieser Ressourcen sorgt? Eigentlich ist es witzlos für kleine Einrichtungen 
ein Archivrecht zu kaufen.. was macht ein Institut X mit kleinem Etat am Tage 
Y mit ganz vielen schönen Zeitschriften im pdf-Format? Was macht es damit in 
30 Jahren? Was soll diese Bibliothek mit einem E-Book in irgendeinem Format 
ohne die Nutzungsperformance? Nichts.
3. Daher sind Lizenzen für den reinen Zugriff für die große Zahl von 
Gebrauchsbibliotheken gar nicht so schlecht - die Preise stimmen bloß nicht. 
Die Preise sind Kaufpreise und darin besteht mittelbar eine Enteignung, 
nämlich die Enteignung von öffentlichen Geldern in Mondpreissysteme. Bei 
manchen Verlagen haben E-Books Datenbankpreise und sind ohne Archivrecht gar 
nicht zu bekommen, geschweige denn billiger. Ich kann mir gut vorstellen, 
eine "gemischte" Kultur von Bestand und Zugang zu bilden, bei Büchern wäre 
ein Print-Ex immer eine gute Sache, nur im schlechten Fall Verzichtbares oder 
eine Exemplarergänzung wäre online. Bei Zeitschriften funktioniert das aber 
jetzt schon nicht mehr bei Titeln, die gar nicht mehr in Print erscheinen. 
Hier kann ich mit dem Archivrecht langfristig nur meiner Nervenberuhigung 
dienen.
4. Für die Substanz elektronischer Dokumente, die nur noch so erscheinen, 
können langfristig nur dafür mit Technik und geschultem Personal gut 
ausgestattete große Bibliotheken sorgen. Das können für den deutschsprachigen 
Bereich die Pflichtexemplarbibliotheken sein und da passiert das ja wohl  
auch schon. Für die internationale Literatur braucht es etwas Ähnliches.  Die 
Utopie lautet: zentrale Digitale Speicherbibliotheken, die den bisherigen 
Lizenznehmern für den lizensierten Zeitraum dauerhaft Zugang auf die dann 
sauber konvertierten und benutzbaren Daten bereithält, so eine Art EZB mit 
Storage , wohlgemerkt nicht "gebührenfrei", sondern für das Erworbene. Eine 
schöne Bibliotheksstruktur haben wir ja eigentlich in der BRD - das ist 
übrigens nicht in jedem Land so - die das gemeinsam bewerkstelligen könnte.
5. Damit beschäftigen sich die Unterhaltsträger leider noch sehr ungern. Da 
sind nämlich rechtliche Grundlagen für notwendig, die auch die 
wissenschaftliche Literaturversorgung von morgen berücksichtigen nicht nur 
die Verwertungsrechte ängstlicher Verlage. Darin besteht dann wohl auch die 
eigentliche Enteignung.. das macht der Staat dann aber selber.

So jetzt bin ich mal still :-)
Freundliche Grüße

Annette Kustos, M.A., M.A.-LIS
Leitung Hochschulbibliothek
Hochschule für Gesundheit
University of Applied Sciences
Universitätsstraße 105
44789 Bochum
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Von: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx 
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von h0228kdm
Gesendet: Dienstag, 18. September 2012 13:46
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] DSP - Schleichende Bibliotheksenteignung

Liebe Frau Kustos,

besten Dank für Ihren Hinweis. Das mit der Flüchtigkeit ist auch so eine 
Sache. Wer schon mal sah, wie ein Buch in Flammen aufging, weiß wie flüchtig 
auch dieses Medium ist. Der Trick mit der Unkörperlichkeit dient doch nur der 
Enteignung der Bibliotheken. Weil heute jedermann leichter und rascher 
kopieren kann als je zuvor, versucht man mit allen rechtlichen Mitteln das 
Kopieren zu verbieten, nur damit die Verlage dieses Recht für sich allein 
behalten.

Früher war die Welt noch einfach. Ein Autor schrieb ein Buch, ein Verleger 
erhielt das Verwertungsrecht, wenn er eine größere Zahl von Kopien erzeugte 
und verkaufte. Jeder, der eine solche Kopie erwarb, besaß daran das Eigentum 
und wenn der Eigentümer eine Bibliothek war, durfte diese allen ihren 
Benutzern das Buch mehrfach für befristete Zeit als Besitz anbieten. Sie 
konnte sogar Leihgebühren verlangen und blieb Eigentümer. Im Sinne eines Fair 
Use konnten sich dann die Besitzer sogar eine Kopie ziehen, bei der sie 
Randbemerkungen wie sic!, f, siehe oben, falsches Zitat, alles Quatsch, 
wunderbar etc. anfügen konnten, um das Werk durch eigene Autorenschaft 
geistig fortzusetzen, um es im Sinne K.
Poppers zu falsifizieren oder auch nur zu rezensieren, denn die Beschädigung 
des Bibliothekseigentums war nicht erlaubt.

Diese Eigentumsverhältnisse werden in der digitalen Welt den Bibliotheken 
seit einigen Jahrzehnten durch die begrenzten Nutzungsrechte immer stärker 
vorenthalten, so dass sie damit auch Archivierungsprobleme bekommen. Sie 
könnten archivieren dürfen aber nicht.

„Bibliotheken werden indes durch die Software-Anbieter häufig mit dem Problem 
konfrontiert, nicht Eigentum, sondern nur ein zeitlich begrenztes 
Nutzungsrecht zu erwerben. Dieses wird dann über einen sogenannten 
Lizenzvertrag geregelt, der rechtlich einem Mietvertrag gleichzusetzen ist. 
Erfahrungsgemäß enthalten Lizenzverträge Klauseln, deren Beachtung für das 
Bibliotheksmanagement (konkret für den Umgang mit investiven 
Erwerbungsmitteln) und die Informationsvermittlung bzw.
Benutzung zu schwerwiegenden Problemen und kaum vertretbaren 
Konzessionen führen kann.“ (Lehrbuch des Bibliotheksmanagements S. 
168)

Mit anderen Worten, Bibliotheken werden seit etlichen Jahren durch veränderte 
Auslegung der Copyrights bei unkörperlicher Verwertung, im wahrsten Sinne des 
Wortes immer stärker enteignet.

Während die Nutzer immer mehr „Information at your fingertips“ 
bekommen, (nicht zuletzt darum, weil ihre Bibliotheken dafür immer 
mehr
bezahlen) merken sie kaum, dass ihre Bibliotheken gezielt entwertet werden. 
Bibliotheken sind gezwungen immer mehr Geld für weniger Eigentum auszugeben, 
und der Staat schaut zu.

Auch die klassischen Verleger befinden sich, gerade durch diese steigenden 
Macht, natürlich in großer Gefahr.
1. Weil die Urheber immer öfter auch die eigenen Verleger ihrer Werke sein 
wollen.
2. Weil Universitätsbibliotheken im Zusammenhang mit Open Access ihre Rechte 
als Eigentümer nur mit Hilfe der Verwertungsrechte zurückgewinnen können.
3. Gerade in der Wissenschaft erhebt sich immer mehr die Frage, wem das 
Wissen wirklich gehört.

Bei genauer Betrachtung ist der Urheber von Wissen kein Creator oder Schöpfer 
sondern nur jemand der einen bereits vorhandenen Schatz hebt.
Er kann nur finden was bereits vorhanden ist. Anderenfalls ist es kein 
Wissen. Außerhalb der Wissenschaft ist der weitaus größte Teil an Kreativität 
schon Nonstop Nonsens.
(www.wissenschaftsforschung.de/abstract_Umstaetter_2012.pdf  im Druck).

Darum gab es auch lange kein Urheberrecht im heutigen Sinne, weil man ja nur 
schriftlich weiter gab, was Gott erschaffen hatte. Insofern ist das heutige 
Wort Urheber, zu einer Person mit schöpferischer Leistung eines Werkes, eine 
Verballhornung dieses Wortes. Creator in der Naturwissenschaft ist noch immer 
die Natur, und auch in der Geisteswissenschaft ist es nur deren Emergenz. 
Darum hieß es früher im Deutschen auch das "hat Sinn" bzw. ist sinnvoll 
(engl. meaningful), während man heute nach deutscher Verballhornung des 
englischen "it make sense" glaubt beliebig kreativ "Sinn machen" zu können. 
Dass das englische sense bzw. sensation mehr im Sinne von Gefühlen oder 
Sinneseindrücken zu verstehen war, ging dabei unter.

So stark, insbesondere nationalsozialistische Wissenschaftler, die Gleichung 
E = m c c bezweifelt, angegriffen, zu falsifizieren versucht haben, sie kamen 
an deren Naturgegebenheit nicht vorbei. Sie ergibt sich mathematisch 
zwangsläufig aus den bereits bekannten Naturgesetzen.
Einstein war ihr Urheber oder auch Erfinder (im Sinne eines Suchenden), aber 
nicht ihr Schöpfer. Darum ist es auch umstritten, wie viele Wissenschaftler 
schon vor ihm zur selben Erkenntnis kamen. Nur er wurde dafür bekannt, weil 
er als Jude am stärksten angefeindet wurde.

Der Urheber, als Person, die als Erste ein bis dahin unbekanntes Wissen 
gefunden und publiziert hat, behält seine Bedeutung für die Gesellschaft. 
Seine Überhöhung als Schöpfer oder Creator entspricht der typischen Hybris 
heutigen Denkens. Wir sind eine Wissensgesellschaft und wissen fast alles, 
zumindest alles besser als die Natur und unsere Politiker. ;-) Das berechtigt 
uns auch zu Wutmenschen. In Wirklichkeit sind wir eine 
Wissenschaftsgesellschaft, die die ihren Bedarf an täglich neuem Wissen immer 
deutlicher spürt.

Das ist ein sehr grundlegendes Problem, dass wir Menschen weit weniger 
„Schöpfer geistigen Eigentums“ sind, als wir uns gern einreden, und das wird 
mit der Enteignung der Bibliotheken immer deutlicher. Denn jeder 
Bibliotheksbenutzer hat das Recht, aus dem Wissen in seiner Bibliothek 
heraus, ein neues Wissen selbst zu entdecken, auch wenn Verleger es ihm als 
Rechteinhaber vorenthalten wollen, wenn er dafür nicht bezahlt. Es fehlt 
jetzt nur noch, dass uns Juristen auch diese Entdeckung neuen Wissens im 
Rahmen des Urheberrechts verbieten wollen, weil es schon entdeckt wurde.

In Wirklichkeit war ja in einer wissenschaftlichen Arbeit schon immer nur 
sehr wenig wirklich neues Wissen. Oft nur eine zusätzliche Dezimalzahl bei 
einer lange bekannten Naturkonstanten, und trotzdem tat man nicht ganz 
unberechtigt so, als wäre die gesamte Publikation das geistige Eigentum des 
Autors. Weil dieser kleine neue Wissenszuwachs begründet werden musste und 
Unsummen kosten konnte. Dem können wir heute besser denn je durch Metadaten 
und DSP Rechnung tragen.

Unbeschadet der Leistung eines Verlags bei der Erzeugung und Bekanntmachung 
eines Buches (elektronisch oder gedruckt), kann die Erzeugung von Redundanz 
(einer Kopie) in der modernen digitalen Welt nicht mehr als Grund für 
tiefgreifende oder umfassende Verwertungs- und Eigentumsrechte angesehen 
werden, und auch die Urheberschaft sollte man nicht zu einem geradezu 
göttlichen Schöpfertum hochstilisieren. Es ist ganz normale wissenschaftliche 
Arbeit, zu der der Mensch als Homo sapiens geradezu geschaffen ist.

Mit freundlichen Grüßen

Walther Umsätter


Am 16.09.2012 14:10, schrieb Annette Kustos:
Lieber Herr Prof.Umstaetter,

Ich glaube es ist eine deutliche Änderung im Gange. Es ist nicht nur 
das Problem da, dass etwas nicht mehr ordentlich katalogisierbar ist, 
es urheberrechtliche Probleme gibt, diese "Dokumente" sind 
unkörperlich und flüchtig!
Sie sind auch eigentlich, und das ist für das Wesen von Katalogen 
eigentümlich,kein "Bestand", der zu verzeichnen wäre. Das unterschied 
doch einstmals den Katalog von der Bibliographie.

Das Problem beginnt übrigens schon bei unseren ja noch gerade eben 
katalogtechnisch fassbaren elektronischen Zeitschriften, die wir dank 
EZB und ZDB katalogtechnisch noch im Griff haben. Was "haben" wir im 
Sinne des Eigentums aber wirklich, wenn wir den Zugang zu einem Titel 
abbestellen mussten und dann PDFs oder sonst etwas als "Archiv"
bekommen? Wieviele der Bibliotheken sind dann in der Lage, dieses 
dauerhaft technisch zu archivieren und nutzerfreundlich zugänglich zu 
machen? Hier sieht man den Wandel schon, sachenrechtlich gar nicht 
fassbar. Und DSP-Quellen? Hm.
Wer soll das archivieren?


Es ist wichtig, dass die Bibliotheken ihren Bestand auch im Web 
findbar machen. Es wir auch weiterhin Physisches geben, das im Sinne 
eines "Bestandes" funktioniert und noch fassbare elektronische 
Einheiten.  Fuer flüchtige Quellen, die wir aber schlicht nicht 
dauerhaft besitzen, geht es bei allen Gebrauchsbibliotheken meines 
Erachtens  um Zugangswege. Dazu sind aus meiner Sicht 
Discoverymaschinen, die dieBibliotheksplattform einsetzt, um 
verteilte körperliche und unkörperliche Quellen im Sinne einer 
Suchraumkonzeption für ihre spezifische Benutzerklientel findbar zu 
machen eine sehr gute technische Entwicklung. Sehr wichtig ist 
deshalb, dass die Verbünde sich hier engagieren, damit unser 
Bibliothekssystem für die Nutzer funktioniert. Hier werden häufig die 
uralten Meta-Normdaten der Bibliotheken genutzt (Schlagworte, 
Klassifikationen), aber eben häufiger Verlagsdaten und alle 
moeglichen sonstigen Informationen und dank Linkresolving und EZB 
klappt das dann.
Wer solche Quellen dauerhaft archivieren sollte, ist eigentlich klar:
die großen Landes-, Spezial- und Universitaetsbibliotheken. Das gilt 
vielleicht auch für solche DSP-Quellen.
Die Strukturen wären eigentlich da, werden aber ungern finanziert.
Auf der Tagung zu Digitalisierung und Urheberrecht, die letzte Woche 
von der Universität Köln ausgerichtet wurde (siehe auch Mail von Eric 
Steinhauer), wurde hier so einiges klar, nämlich dass der Staat hier 
gefordert ist seiner Aufgabe einer ausgleichenden und das Gemeinwohl 
schützenden Rechtssetzung und der Finanzierung der 
Langzeitarchivierung nachzukommen, denn das kann "der Einzelne", auch 
einzelne Bibliotheken nicht mehr leisten.
So schnell wie ein Leistungsschutzrecht hier entstanden ist (tja), 
werden sie damit wohl nicht verfahren, muessen aber weiter dazu 
aufgefordert werden. Auch die urheberrechtlichen Fragestellungen sind 
von einzelnen Bibliotheken nicht mehr lösbar..
Gruß



Am 14.09.2012 um 11:40 schrieb "h0228kdm"
<h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxxx>:

Hat hier schon jemand darüber nachgedacht, wie Bibliotheken in ihren 
Katalogen darauf reagieren, wenn in einem Dokument des Dynamic 
Semantic Publishing (DSP bei der Olympiade in London) für 
verschiedene Teile des Textes verschiedene Urheber bzw. verschiedene 
Verwertungsrechte anzeigen, die ein Computer generiert hat.

Möglicherweise hat Karl-Nikolaus Peifer Recht, wenn er behauptet:
"Das
digitale Urheberrecht steht am Abgrund".

http://www.brandeins.de/magazin/warenwelt/das-digitale-urheberrecht-
s
teht-am-abgrund.html

Das Urheberrecht berücksichtigt zu wenig die wirkliche geistige 
Leistung und belohnt dagegn die Auflagenzahl, das fällt jetzt 
anscheinend auch den Richtern auf.

MfG

Walther Umstätter

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