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Re: [InetBib] DSP - Schleichende Bibliotheksenteignung



Dass Bestandsgeschichte häufig auch Verlustgeschichte ist, zeigt folgendes:
Der Allgemeine Anzeiger für Druckereien befand sich in der Bibliothek des 
Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig, ist aber, zusammen mit 
einem leider nicht unerheblichen Teil des Bestandes, im zweiten Weltkrieg 
verloren gegangen. Im gedruckten Katalog von 1885/1902 ist die Zeitschrift noch 
mit den Jahrgängen 1874-1899 verzeichnet.

Bettina Rüdiger 


***Lesen. Hören. Wissen. 100 Jahre Deutsche Nationalbibliothek***

Bettina Rüdiger, M.A.
Deutsche Nationalbibliothek 
Deutsches Buch- und Schriftmuseum / Historische Drucke und Fachbibliothek 
Deutscher Platz 1 
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-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx 
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von Klaus Graf
Gesendet: Donnerstag, 20. September 2012 18:27
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] DSP - Schleichende Bibliotheksenteignung

On Thu, 20 Sep 2012 17:08:13 +0200
 h0228kdm <h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxxx> wrote:

Bezüglich des Eigentums, hatten wir bisher die vereinfachte und damit 
falsche Vorstellung, dass wir in den Bibliotheken der Welt deren 
Eigentum in die Regale stellen und für die Nachwelt aufheben. Wenn 
dabei des Eine oder andere verloren ging wuch ser Wert in den 
restlichen Bibliotheken und wir hatten genug Redundanz, um das 
scheinbar Wichtigste archivarisch zu erhalten.

Zum Thema, inwieweit es gelungen ist, die gedruckte Produktion in Bibliotheken 
abzubilden, habe ich nur sehr anekdotische eigene Erfahrungen und waere fuer 
weiterfuehrende praezise Literaturhinweise dankbar, gern auch von jemand 
anderem als Herrn Umstaetter ...

Vor langer Zeit stellte ich fest, dass die in meinem Eigentum befindliche 
Ausgabe 1888 eines Buchs ueber meine Heimatstadt Schwaebisch Gmuend 

http://commons.wikimedia.org/wiki/Gm%C3%BCnd_und_seine_Umgebung

in deutschen Bibliotheken nicht nachgewiesen war.
Inzwischen ist ein Exemplar in der UB Eichstaett bekannt.

Aus einem Aufsatz von mir ueber Johann Gottfried Pahl 
http://edocs.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2010/14550/
"Gern wüsste man, was der Rezensent der in Köthen (bei
Dessau) erschienenen "Kritischen
Bibliothek der schönen Wissenschaften" 1795 auf den Seiten
275 bis 278 des zweiten Halbbands
über den "Uhich von Rosenstein" zu sagen hatte. Allein, ein Exemplar des 
einschlägigen Hefts des gelehrten Journals ist zur Zeit nirgends greifbar, Die 
vergebliche Recherche präsentiert schlaglichtartig ein unerwartetes Sittenbild 
ostdeutschen Bibliothekswesens nach 1989, Die Zeitschriftendatenbank weist zwei 
Standorte für die gesuchte Zeitschrift nach:
Greifswald und Halle, In der Universitätsbibliothek Greifswald wird der Band 
velmisst, und in der Universitäts- und Landesbibliothek Halle sind nur die 
ersten beiden Hefte des Jahrgangs
1795 greifbar, Der alte Gesamtkatalog Sachsen-Anhalt half nicht weiter, 
Nachfragen bei einigen wichtigen Altbestandsbibliotheken in Sachsen-Anhalt 
(Landesbibliothek Dessau, Francisceum Zerbst, Marienbibliothek Halle, 
Schulbibliothek Schulpforta und andere) erbrachten ebenfalls nur Fehlanzeigen. 
Wenn die Bibliothek in Halle nicht auf die Idee kommt, die verbliebenen zwei 
Hefte zu kopieren, wird wohl in einigen Jahren auch dieser dürftige Rest nicht 
mehr greilbar sein, da die Zeitschrift Rückgabeansprüchen eines früheren 
Alteigentümers unterliegt. Vor wenigen Jahren war der Jahrgang noch komplett, 
denn das - an seinem Besitzstempel eindeutig erkennbare - Hallenser Exemplar 
wurde nach Innsbruck an das Projekt "Historischer Roman" ausgeliehen, wo ein 
Beitrag über den historischen Roman kopiert wurde. Handschriftliche Notizen der 
Innsbrucker Bearbeiter über einen Paginierfehler beweisen, dass anscheinend der 
gesamte zweite Halbjahresband, in dem die Rezension des Buchs von Pahl stand, 
vorhanden war. Hat womöglich ein unterbezahlter Bibliothekar nach 1989 die 
restlichen Hefte geklaut?"

Etwa ein Jahrhundert spaeter sieht es auch nicht besser aus. Die "Mitteilungen 
aus dem Antiquariat" (von Max
Harrwitz) waren - spaetestens als der Faelscher FWE Roth
1891 die Schriftleitung uebernahm - als wissenschaftliches Organ konzipiert, 
sind aber in der ZDB nur fragmentarisch nachgewiesen. Von 1889 bis 1891 Nr. 3 
fand ich einen gebundenen Band der Ausgaben im Nachlass von Roth in Darmstadt, 
noch nicht beruecksichtigt in:
http://de.wikisource.org/wiki/Ferdinand_Wilhelm_Emil_Roth

Noch viel krasser: In Frankfurt (!) erschien ab 1874 der Allgemeine Anzeiger 
für Druckereien, den die ZDB auch nur extrem fragmentarisch belegt. Eine 
Fernleihe zu einem Aufsatz von Roth blieb ergebnislos, aus nicht genannter 
Quelle wollte FIZ AutoDoc die eine (in Zahlen: 1) gesuchte Seite fuer nicht 
weniger als 70 US-Dollar besorgen (einen Scan uebermittelte dann die Wiener 
Grafische Bundesanstalt netterweise kostenlos, aber leider stellte sich heraus, 
dass das nur der Schlussteil des Aufsatzes war). Nicht ganz unbeachtlich sind 
in diesem Fall die Bestaende der Columbia-University, die mir freundlicherweise 
detailliert aufgelistet wurden:

"Jahrg. 6 (nos 21-24) - 7 (Nov. 1, 1879 - Dec 15, 1880), bound in 1 volume 
Jahrg. 8 - 13 (1881 - 1886), in 6 volumes

Jahrg. 19, nos 1-6, 8-15, 18, 20-22, 24-25, 27-28, 30-37, 39-45, 47, 51 (1892) 
Jahrg. 20, nos. 2,4,6,20,24,27-29, 31 (Jan - Aug 3, 1893) Jahrg. 21, nos 44-45 
(Nov 1-8, 1894) Jahrg. 26, no. 42 (Oct 19, 1899) Jahrg. 27, no. 13 (Marz 29, 
1900)
-- the above unbound, in one portfolio

Jahrg. 25 no. 29, 33-37 (Juli 21, Aug 18 - Sept 15, 1898) in a portfolio"

Eine doch wohl ziemlich zentrale Fachpublikation des Druckereiwesens, die ueber 
einen langen Zeitraum erschien,  ist in deutschen Bibliotheken - soweit sie 
denn in der ZDB erfasst sind - viel zu lueckenhaft dokumentiert!

Klaus Graf


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