Sehr interessant:
Als Leitsätze zur Entscheidung finden wir dort (in der Fassung von Medien,
Internet & Recht) ja auch:
"Mit der Erstveräußerung von Software, die auf bestimmter Hardware
vorinstalliert ist,
tritt grundsätzlich urheberrechtlich Erschöpfung ein, mit der Folge,
dass eine
Weiterveräußerung auch unabhängig der Hardware zulässig sein kann,
soweit die
Software auf der nicht mit veräußerten Hardware (hier: Festplatte)
gelöscht wird.
...
Die Weiterveräußerung einer Datenträgerkopie von auf einer bestimmten
Hardware
vorinstalliert erworbener Software ist urheberrechtlich auch ohne die
Hardware zulässig."
und in der Entscheidung selbst:
" Für die Fälle, in denen der Rechteinhaber bewusst auf dieÜbergabe
eines für sich
genommen handelbaren Speichermediums verzichtet, sei es, dass der Kunde
die
Software aus dem Internet herunterladen muss, sei es, dass die Software
lediglich
vorinstalliert auf einer fest im Computer eingebauten
Festplatteübergeben wird, ist
der Begriff des Vervielfältigungsstücks unter Berücksichtigung der
Zwecke des
Erschöpfungsgrundsatzes erweiternd auszulegen. Anknüpfungspunkt kann in
diesen
Fällen nicht der praktisch nicht handelbare Datenträger der
Erstverkörperung selbst,
sondern nur der konkret erworbene Datenbestand sein ( Nordemann/ Vinck,
UrhG,
9. Aufl.,§ 69 c, Rn. 6; i. E. auch Dreier/ Schulze, UrhG, 3. Aufl.,§ 69
c, Rn. 24;
Wandtke/ Bullinger/ Grützmacher, UrhG, 2. Aufl.,§ 69 c Rn. 36; Sosnitza,
K& R
2006, 206, 210; Mäger, CR 1996, 522, 527). Dies bedeutet nicht, dass der
Erschöpfungsgrundsatz auf eine reine Rechteübertragung ausgedehnt wird;
die
Erschöpfung tritt vielmehr hinsichtlich des tatsächlichen Datenbestands
ein.
Diesen Datenbestand erwirbt der Ersterwerber. (...) Mit der Zahlung des
Kaufpreises für den Datenbestand lässt der Kunde die Antragstellerin an
der
Verbreitung eines Software- Exemplars hinreichend partizipieren."
Allerdings müsste dann m.E. doch Schritt für Schritt geprüft werden, ob
sich diese
Argumentation wirklich völlig analog und mit gleichem Ergebnis auf einen
Fall übertragen
lässt, in dem es nicht um Computerprogramme, sondern um digitale Versionen
von Werken geht, die gekauft und mit einem E-Book-Reader ausgeliefert
werden.
Dafür spricht zunächst, dass die Entscheidung ja gerade nicht nur Bezug
auf §69c Abs. 3
nimmt, sondern zugleich auch auf §17 Abs. 2. Fraglich wird es allerdings
schon, wenn
es heißt "Im Bereich des Softwarehandels meint der Begriff des
Vervielfältigungsstücks
grundsätzlich die Verkörperung der Software auf einem losen
Speichermedium ( Diskette,
CD- Rom, DVD, Speicherkarte, USB- Stick u.ä.). Dürfen wir das auf E-Books
übertragen? Mir scheint, Herr Ulmer würde meinen, ja, das sollte analog
gelten, aber
sieht die hM der Juristen das auch so?
Dass zur Darstellung der Dateien auch ein Computerprogramm benötigt
wird, scheint
zunächst unproblematisch, da wir hierfür laut der Düsseldorfer
Entscheidung die
Erschöpfung bereits voraussetzen können. Die gleichen Programme enthalt
aber in
vielen Fällen ein DRM, und da wird es schon problematischer. Das dürfen
Sie ja
vermutlich wieder nicht aushebeln. Falls ihr Datenbestand also technisch
und per
Lizenz via DRM an die Hardware gekoppelt ist, sind ihnen auch die Hände
gebunden
und Sie können nur die Hardware mit verkaufen. (Aber natürlich sind auch
DRM-
Systeme denkbar, die eingeschränkte Vervielfältigungen und damit auch die
Weiterverbreitung auf einem Datenträger ohne die ursprüngliche Hardware
ermöglichen.) Entsprechend heisst es auch in der Entscheidung "Vielmehr
kann die
Antragsgegnerin zulässigerweise eine im Einklang mit den Lizenzbedingungen
angefertigte Diskettenkopie der Software zur Weiterveräußerung anbieten,
wenn
die Kunden der Antragstellerin die Software auf ihrer Festplatte
löschen." An
diesem Punkt hat mich das Urteil zunächst irritiert, denn im Absatz
vorher heisst es noch:
Wird die Software auf der Grundlage des Vertrags der Distributoren mit der
Antragstellerin und deshalb mit ihrer Zustimmung an die Endkunden
veräußert, so
können die Beschränkungen, die einen Weiterverkauf betreffen, die
Zustimmung
der Antragstellerin zur Erstveräußerung auch dann nicht rückwirkend
entfallen lassen,
wenn nachfolgende Verbreitungsakte möglicherweise nicht mit der
ursprünglichen
Begrenzung des Nutzungsrechts im Einklang stehen. Dies gilt selbst dann,
wenn
den Bestimmungen nach den zu§ 69 a Abs. 4 UrhG,§§ 17 Abs. 2 und 32 UrhG
entwickelten Grundsätzen eine dingliche Wirkung zukommen sollte. Der mit
dem
Erschöpfungsgrundsatz eintretende urheberrechtliche Verbrauch des
Verbreitungsrechts hängt allein davon ab, ob der Rechteinhaber dem ersten
Inverkehrbringen durch Veräußerung zugestimmt hat ( BGH NJW 2000, 3571,
3573? OEM- Version).
Schaut man sich die Voraussetzungen im konkreten Fall genauer an, ist es
laut
Entscheidung des Gerichts gerade die per Lizenzvertrag für zulässig
erklärte
Sicherungskopie, die auch ohne die Hardware veräußert werden darf,
vorausgesetzt das Original wird gelöscht. Für diese Sicherungskopie
greifen
gesetzliche Bestimmungen, sie kann i.a. nicht versagt werden (§69d Abs.
2),
Analogon könnte auf den ersten Blick die Archivkopie von §53 Abs. 2 Nr. 2
sein, aber leider ist diese Schrankenbestimmung nach §95b Abs. 1 Nr. 6b
nur
durchsetzbar, wenn sie sich auf eine analoge Archivierung beschränkt
"und das
Archiv im öffentlichen Interesse tätig ist" - und schwupps - bricht die
ganze
schöne Analogie zu Computerprogrammen zusammen. Der Archivkopie ist
keine stinknormale Sicherungskopie wie bei Computerprogrammen, sondern
ist quasi metaphysisch aufgeladen (institutionelle Interpretation,
Sicherung des
kulturellen Erbes bzw. der Kontinuität des Gemeinwesens). Zu E-Books als
Handelsware will das m.E. überhaupt nicht passen, und es besteht für
mich kein
Zweifel, dass die gegenwärtige Gesetzgebung hier geändert und den Bedürf-
nissen der Praxis angepasst werden muss, nicht nur im
Wissenschaftsbereich,
sondern auch für die Erfordernisse eines Massenmarkts.
Mit freundlichen Grüßen,
B.-C. Kämper, UB Stuttgart
Susanne Drauz schrieb:
Sehr geehrter Herr Kämper,
§ 17 Abs.2 Urheberrechtsgesetz ist eindeutig. Das war das Problem des
OLG
München, mit dem es sich in der sogenannten Oracle-Entscheidung
detailliert auseinandergesetzt hat:
(2) Sind das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes mit
Zustimmung des zur Verbreitung Berechtigten im Gebiet der Europäischen
Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den
Europäischen Wirtschaftsraum im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht
worden, so ist ihre Weiterverbreitung mit Ausnahme der Vermietung
zulässig.
Für den nunmehr von Ihnen hinzugefügten Problems des sogenannten Bundles
gilt nach herrschender Meinung:
Wird Software nicht auf einem handelbaren Datenträger sondern (vor-)
installiert auf bestimmter Hardware übergeben, ist der Begriff des
Vervielfältigungsstücks unter Berücksichtigung des
Erschöpfungsgrundsatzes
erweiternd auszulegen. Anknüpfungspunkt ist dann nur der konkrete
Datenbestand, hinsichtlich dessen Erschöpfung eintritt.
Der Volltext der Düsseldorfer Entscheidung steht hier zum Download zur
Verfügung:
http://medien-internet-und-recht.de/volltext.php?mir_dok_id=1867
Mit freundlichen Grüßen
Susanne Drauz
Sehr geehrte Frau Drauz,
das würde also heißen:
Verleih oder Verkauf von anbieterseitig vorbefüllten E-Book-Readern
ja, ohne Verbotsrecht (im Falle des Verleihs aber vergütungspflichtig),
darüber hinaus (also, wenn der E-Book-Reader via Download selbst
befüllt oder ergänzt wurde), nur mit ausdrücklicher Zustimmung des
Rechteinhabers?
Herzliche Grüße,
B.-C. Kämper, UB Stuttgart
Susanne Drauz schrieb:
Sehr geehrter Herr Dr. Graf,
der Bezug war Ihre Formulierung: "Es verhaelt sich hier im uebrigen
nicht
wesentlich anders als bei dem Handel mit Gebrauchtsoftware". Diese
Satz
ist falsch. Es verhält sich nämlich nicht "nicht wesentlich anders"
sondern genau so. Es geht in beiden Fällen nämlich nur um eines -
greift
der Erschöpfungsgrundsatz ja oder nein. Und er greift eben nur dann,
wenn
man ein Werkstück in Händen hält und nicht nur ein Download-Vorgang
ermöglicht worden ist.
Für Sinn und Unsinn dieses Gesetzes ist aber wie immer die Legislative
verantwortlich. Die herrschende Meinung und auch das OLG München kann
nur
die Gesetze auszulegen versuchen, die da sind. Das ist oft genug
ärgerlich, aber von Kirchmann gab allen Unzufriedenen Hoffnung mit
seinem
bekannten Satz: "Drei berichtigende Worte des Gesetzgebers und ganze
Bibliotheken werden zu Makulatur". Ich glaube, Sie können ihn in
seinem
Werk "Die Wertlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft" nachlesen.
Mit freundlichen Grüßen
Susanne Drauz
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