Liebe Liste, lieber Herr Eberhardt,
dieses hier, was Sie schreiben
Im "Heidelberger Appell" wurden mehrere "sensible" Punkte miteinander
vermengt. Und wenn ich nicht inzwischen den Verdacht hätte, ..., würde
ich sagen: absichtlich. Um die provozierte Ablehnung des bösen
Google-Handelns auszudehnen auf Open Access."
scheint mir ein Kernpunkt zu sein: man füge etwas Drittes ein,
allerdings nicht in der Absicht zu vermitteln, sondern um klare
Unterschiede zu verwischen, ein altes TarnSpiel mit häufig
verheerenden Folgen, ..klar, dass Autoren, die sich beklaut fühlen,
erst einmal nichts mitbekommen... Die Google-Machart hat mit der Open
Access-Initiative jedoch gar nichts zu tun.
Was hier besonders schwierig ist, ist der Aspekt des Benutzens, so
dass schon irgendwie Absicht zu vermuten ist. Man verwendet äußerst
verständliche Ängste der Autoren, nicht wahr? Einschüchtern
verhindert eine sachliche Klärung dieser ganzen tatsächlich sehr
schwierigen Materie. Letzlich werden sinnvolle Publikationswege
verhindert, also ein ganz faktischer Schaden.
Da bin ich bei dem anderen Punkt, der mich im Artikel von Herrn Prof.
Reusch sogar ein bisschen geärgert hat: diese merkwürdige Vermengung
der "Sichtbarkeit" mit der "Eitelkeit". Bisher war in der Diskussion
die Eitelkeit mit der Werkausgabe bzw. einem Artikel in der
angesehenen Fachzeitschrift verknüpft...die der Verleger sicherstellt,
zum Ruhme des Autors. Open Access war irgendwie Schund usw. Nun ist
die Eitelkeit verbunden mit dem Sichtbarkeitsinteresse des Autors
(für dessen Konstatierung der OpenAccess-Freund sich hiermit bedankt)
in Bezug auf Open Access offenbar ein fiesliches Ereignis...trotzdem
bleiben OA-Systeme aber der Schund. ?????? Also was denn nun.
Das kapiert auch keiner mehr, also wieder etwas Drittes.
Um wieder bibliothekarisch zu werden... Repositories innerhalb von
OA-Systemen versuchen, die digital veröffentlichten Werke in einem
fachlich/wissenschaftlich/sachlichen Kontext langfristig zu sammeln,
zu speichern, zu erschließen und zugänglich zu machen...auch, um der
Flüchtigkeit entgegen Sichtbarkeiten, Erkennbarkeiten
wissenschaftlicher oder literarischer Werke herzustellen und zu
erhalten. Wir kommen doch an der digitalen Welt nicht mehr vorbei.
Verlage sichern dies nicht und haben auch nicht den Auftrag.
Den hier aufblitzenden Aspekt des Zugangs zur Information, der
öffentlichen Investition, der in OA-Systemen steckt, lasse ich jetzt
mal aus, weil hier andere Protagonisten sind...an diesem Punkt bin ich
aber wieder beim Unterschied von OA und Google! Man verwische da doch
bitte nicht die Absichten!.
Das gedruckte Buch erlebt aus meiner Sicht gerade einen sehr
erfreulichen Bedeutungswechsel, der in der Vertiefung liegt. Das ist
alles Andere als beängstigend.
A. Kustos
Lieber Herr Ulmer,
Vielleicht würde ja eine weniger starre Fixierung auf Impacts
helfen sich wieder stärker auf die Wahrheit zu konzentrieren, sich
weniger abhängig von bestimmten Publikationen zu machen und statt
einer Fremdsteuerung durch externe Controller dem Wissenschaftler
und seinem eigenen Streben mehr Raum zu geben. Klar, ist natürlich
wieder nur Blödsinn von mir...
Sie insinuieren allen Ernstes, dass die OA-Anhänger die Suche nach
"der Wahrheit" als Antrieb der Wissenschaft vergessen haben? Oder
vermengen Sie hier zwei Dinge, die nicht so viel miteinander zu tun
haben?
Zu den übrigen Punkten: wenn Sie Fundstellen zum Thema
Verfassungsmäßigkeit einer Veröffentlichungspflicht bei öffentlich
finanzierten Wissenschaftlern brauchen,
Tja, auf Reuß Webseite steht eigentlich auch nur, dass er meint, dass
das nicht verfassungsmäßig ist, und dass er einen Wissenschaftler
(Juristen) kennt, der meint, dass das nicht so ist. Dabei geht es um
das Erstveröffentlichungsmandat einer Hochschule, von dem er meint,
dass es von Politik und Förderorganisationen betrieben wird. Das ist
ungefähr so differenziert wie die wiederholte Behauptung, Uwe Jochum
habe "durchgerechnet", dass das Digitale bzw. das OA-Publizieren die
Gesellschaft viel teurer komme. Und bitte lassen Sie Ihrer
Aufmerksamkeit nicht entgehen, dass Reuß und Co in allen ihren
Äußerungen, die ich bisher gelesen habe, immer neben dem befürchteten
Mandat weitere "Argumente" gegen OA ins Feld führen. Ich erinnere nur
an: "OA-Publikationen sind schlecht gesetzt und sehen hässlich aus."
Gleiches gilt für das Sujet Klagen. Sie werfen Reuß im Fall Kafka
oder Schirrmacher etwas vor. Ich weise nur darauf hin, dass es sein
kann, dass das mit Genehmigung oder Duldung erfolgte.
Tja, könnte sein. Aber drunter steht "(c) Institut für Textkritik",
und das bedeutet ja wohl (in meinem laienhaften juristischen
Verständnis), dass das Institut sagt, *alle* Rechte lägen bei ihm.
Und das nicht nur für Schirrmachers Rezension, sondern bei allen
andern auch. Halte ich für ausgeschlossen, dass die Rezensenten da so
freigiebig waren.
Es ist immer kritisch wenn man sich zum Anwalt Dritter macht, ohne
die zu fragen.
Hier gehts doch darum, dass jemand Wasser predigt und Wein säuft.
Nicht darum, dass, oh Gott, Herrn Schirrmachers Rechte verletzt
wurden, oder die des Fischer-Verlags, sondern dass es Reuß war, der
dies getan hat. Der Reuß, der da steht und mit dem Finger auf alle
möglichen Leute zeigt und sagt: "die sind gemein, die wollen mir
meine Veröffentlichungsfreiheit nehmen! Das ist gegen das
Grundgesetz!" Das nennt man Bigotterie. Deutlicher als Herr
Steinhauer hätte man das kaum klarstellen können. Danke!
Zum Heidelberger Appell: er war vielen wichtig. Und hier wurde er
natürlich nicht ernst genommen, das ist reflexhaft. Aber die
Reaktionen der DFG und der Schlingerkurs mit laufendem Widerruf bis
zu Kleinerts Brief hat gezeigt, dass hier ein sensibler Punkt
angesprochen wurde.
Im "Heidelberger Appell" wurden mehrere "sensible" Punkte miteinander
vermengt. Und wenn ich nicht inzwischen den Verdacht hätte, dass Reuß
schlicht nicht weiß, wovon er schreibt, würde ich sagen: absichtlich.
Um die provozierte Ablehnung des bösen Google-Handelns auszudehnen
auf Open Access. Jedenfalls hat Reuß, haben die Initiatoren des
Heidelberger Appells da ja was erreicht, da belletristische Autoren
mit ihrer Unterschrift gegen das befürchtete
Erstveröffentlichungsmandat protestiert haben.
Ohne den Appell hätte die Bundesregierung oder der Börsenverein
sicher nicht reagiert. Dass das von den Rechteinhabern lautstark
begrüßt wird zeigt, dass der Appell für viele wichtig war. Dass er
von den Nutzer, Bibliothekaren oder Lesern mit Mißfallen gesehen
wird, das verstehe ich gut. Aber dadurch wird der Appell nicht falsch.
Vergessen wir nicht, dass Reuß an vielen Stellen auch auf die Verlage
eingeht, und gegen OA mit dem Argument antritt, dies gefährde die
deutsche Verlagslandschaft. Sollte er sich nicht, statt sich in
Wirtschaftsfragen zu äußern, ein bisschen mehr auf die Suche nach der
Wahrheit konzentrieren?
Wie wäre es mit Wahrheit?
Vielleicht sollte man noch hinzufügen, dass der Witz bei Reuß'
Kafka-Edition die ist, die Frage nach der "Wahrheit" dem Leser zu
überlassen.
Schönen Gruß!
J. Eberhardt