Lieber Herr Ulmer,
Vielleicht würde ja eine weniger starre Fixierung auf
Impacts helfen sich wieder stärker auf die Wahrheit zu
konzentrieren,
sich weniger abhängig von bestimmten Publikationen zu machen
und statt
einer Fremdsteuerung durch externe Controller dem
Wissenschaftler und
seinem eigenen Streben mehr Raum zu geben. Klar, ist
natürlich wieder
nur Blödsinn von mir...
Sie insinuieren allen Ernstes, dass die OA-Anhänger die Suche nach "der
Wahrheit" als Antrieb der Wissenschaft vergessen haben? Oder vermengen Sie hier zwei
Dinge, die nicht so viel miteinander zu tun haben?
Zu den übrigen Punkten: wenn Sie Fundstellen zum Thema
Verfassungsmäßigkeit einer Veröffentlichungspflicht bei öffentlich
finanzierten Wissenschaftlern brauchen,
Tja, auf Reuß Webseite steht eigentlich auch nur, dass er meint, dass das nicht verfassungsmäßig ist, und dass er einen Wissenschaftler (Juristen) kennt,
der meint, dass das nicht so ist. Dabei geht es um das Erstveröffentlichungsmandat einer Hochschule, von dem er meint, dass es von Politik und
Förderorganisationen betrieben wird. Das ist ungefähr so differenziert wie die wiederholte Behauptung, Uwe Jochum habe "durchgerechnet", dass das
Digitale bzw. das OA-Publizieren die Gesellschaft viel teurer komme. Und bitte lassen Sie Ihrer Aufmerksamkeit nicht entgehen, dass Reuß und Co in allen ihren
Äußerungen, die ich bisher gelesen habe, immer neben dem befürchteten Mandat weitere "Argumente" gegen OA ins Feld führen. Ich erinnere nur
an: "OA-Publikationen sind schlecht gesetzt und sehen hässlich aus."
Gleiches gilt für das Sujet Klagen. Sie werfen Reuß im Fall Kafka
oder Schirrmacher etwas vor. Ich weise nur darauf hin, dass es sein
kann, dass das mit Genehmigung oder Duldung erfolgte.
Tja, könnte sein. Aber drunter steht "(c) Institut für Textkritik", und das bedeutet ja wohl (in
meinem laienhaften juristischen Verständnis), dass das Institut sagt, *alle* Rechte lägen bei ihm. Und das
nicht nur für Schirrmachers Rezension, sondern bei allen andern auch. Halte ich für ausgeschlossen, dass die
Rezensenten da so freigiebig waren.
Es ist immer kritisch wenn man sich zum Anwalt
Dritter macht, ohne die zu fragen.
Hier gehts doch darum, dass jemand Wasser predigt und Wein säuft. Nicht darum, dass, oh Gott, Herrn Schirrmachers
Rechte verletzt wurden, oder die des Fischer-Verlags, sondern dass es Reuß war, der dies getan hat. Der Reuß, der
da steht und mit dem Finger auf alle möglichen Leute zeigt und sagt: "die sind gemein, die wollen mir meine
Veröffentlichungsfreiheit nehmen! Das ist gegen das Grundgesetz!" Das nennt man Bigotterie. Deutlicher als Herr
Steinhauer hätte man das kaum klarstellen können. Danke!
Zum Heidelberger Appell: er war vielen wichtig. Und hier wurde er
natürlich nicht ernst genommen, das ist reflexhaft. Aber die
Reaktionen der DFG und der Schlingerkurs mit laufendem
Widerruf bis zu
Kleinerts Brief hat gezeigt, dass hier ein sensibler Punkt
angesprochen wurde.
Im "Heidelberger Appell" wurden mehrere "sensible" Punkte miteinander vermengt. Und wenn ich nicht inzwischen den Verdacht hätte, dass Reuß schlicht nicht weiß, wovon er schreibt, würde ich sagen: absichtlich. Um die provozierte Ablehnung des bösen Google-Handelns auszudehnen auf Open Access. Jedenfalls hat Reuß, haben die Initiatoren des Heidelberger Appells da ja was erreicht, da belletristische Autoren mit ihrer Unterschrift gegen das befürchtete Erstveröffentlichungsmandat protestiert haben.
Ohne den Appell hätte die Bundesregierung oder der Börsenverein
sicher nicht reagiert. Dass das von den Rechteinhabern lautstark
begrüßt wird zeigt, dass der Appell für viele wichtig war. Dass er
von den Nutzer, Bibliothekaren oder Lesern mit Mißfallen
gesehen wird,
das verstehe ich gut. Aber dadurch wird der Appell nicht falsch.
Vergessen wir nicht, dass Reuß an vielen Stellen auch auf die Verlage eingeht, und gegen OA
mit dem Argument antritt, dies gefährde die deutsche Verlagslandschaft. Sollte er sich nicht,
statt sich in Wirtschaftsfragen zu äußern, ein bisschen mehr auf die Suche nach der
Wahrheit konzentrieren?
Wie wäre es mit Wahrheit?
Vielleicht sollte man noch hinzufügen, dass der Witz bei Reuß' Kafka-Edition die ist, die Frage nach der "Wahrheit" dem Leser zu überlassen.
Schönen Gruß!
J. Eberhardt