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AW: [InetBib] Professor Reuß, das Urheberrecht und 1995
- Date: Wed, 2 Sep 2009 08:04:26 +0200
- From: "Eberhardt Joachim" <Eberhardt@xxxxxxxxxxxxxx>
- Subject: AW: [InetBib] Professor Reuß, das Urheberrecht und 1995
Lieber Herr Ulmer,
Vielleicht würde ja eine weniger starre Fixierung auf
Impacts helfen sich wieder stärker auf die Wahrheit zu
konzentrieren,
sich weniger abhängig von bestimmten Publikationen zu machen
und statt
einer Fremdsteuerung durch externe Controller dem
Wissenschaftler und
seinem eigenen Streben mehr Raum zu geben. Klar, ist
natürlich wieder
nur Blödsinn von mir...
Sie insinuieren allen Ernstes, dass die OA-Anhänger die Suche nach "der
Wahrheit" als Antrieb der Wissenschaft vergessen haben? Oder vermengen Sie hier
zwei Dinge, die nicht so viel miteinander zu tun haben?
Zu den übrigen Punkten: wenn Sie Fundstellen zum Thema
Verfassungsmäßigkeit einer Veröffentlichungspflicht bei öffentlich
finanzierten Wissenschaftlern brauchen,
Tja, auf Reuß Webseite steht eigentlich auch nur, dass er meint, dass das nicht
verfassungsmäßig ist, und dass er einen Wissenschaftler (Juristen) kennt, der
meint, dass das nicht so ist. Dabei geht es um das Erstveröffentlichungsmandat
einer Hochschule, von dem er meint, dass es von Politik und
Förderorganisationen betrieben wird. Das ist ungefähr so differenziert wie die
wiederholte Behauptung, Uwe Jochum habe "durchgerechnet", dass das Digitale
bzw. das OA-Publizieren die Gesellschaft viel teurer komme. Und bitte lassen
Sie Ihrer Aufmerksamkeit nicht entgehen, dass Reuß und Co in allen ihren
Äußerungen, die ich bisher gelesen habe, immer neben dem befürchteten Mandat
weitere "Argumente" gegen OA ins Feld führen. Ich erinnere nur an:
"OA-Publikationen sind schlecht gesetzt und sehen hässlich aus."
Gleiches gilt für das Sujet Klagen. Sie werfen Reuß im Fall Kafka
oder Schirrmacher etwas vor. Ich weise nur darauf hin, dass es sein
kann, dass das mit Genehmigung oder Duldung erfolgte.
Tja, könnte sein. Aber drunter steht "(c) Institut für Textkritik", und das
bedeutet ja wohl (in meinem laienhaften juristischen Verständnis), dass das
Institut sagt, *alle* Rechte lägen bei ihm. Und das nicht nur für Schirrmachers
Rezension, sondern bei allen andern auch. Halte ich für ausgeschlossen, dass
die Rezensenten da so freigiebig waren.
Es ist immer kritisch wenn man sich zum Anwalt
Dritter macht, ohne die zu fragen.
Hier gehts doch darum, dass jemand Wasser predigt und Wein säuft. Nicht darum,
dass, oh Gott, Herrn Schirrmachers Rechte verletzt wurden, oder die des
Fischer-Verlags, sondern dass es Reuß war, der dies getan hat. Der Reuß, der da
steht und mit dem Finger auf alle möglichen Leute zeigt und sagt: "die sind
gemein, die wollen mir meine Veröffentlichungsfreiheit nehmen! Das ist gegen
das Grundgesetz!" Das nennt man Bigotterie. Deutlicher als Herr Steinhauer
hätte man das kaum klarstellen können. Danke!
Zum Heidelberger Appell: er war vielen wichtig. Und hier wurde er
natürlich nicht ernst genommen, das ist reflexhaft. Aber die
Reaktionen der DFG und der Schlingerkurs mit laufendem
Widerruf bis zu
Kleinerts Brief hat gezeigt, dass hier ein sensibler Punkt
angesprochen wurde.
Im "Heidelberger Appell" wurden mehrere "sensible" Punkte miteinander vermengt.
Und wenn ich nicht inzwischen den Verdacht hätte, dass Reuß schlicht nicht
weiß, wovon er schreibt, würde ich sagen: absichtlich. Um die provozierte
Ablehnung des bösen Google-Handelns auszudehnen auf Open Access. Jedenfalls hat
Reuß, haben die Initiatoren des Heidelberger Appells da ja was erreicht, da
belletristische Autoren mit ihrer Unterschrift gegen das befürchtete
Erstveröffentlichungsmandat protestiert haben.
Ohne den Appell hätte die Bundesregierung oder der Börsenverein
sicher nicht reagiert. Dass das von den Rechteinhabern lautstark
begrüßt wird zeigt, dass der Appell für viele wichtig war. Dass er
von den Nutzer, Bibliothekaren oder Lesern mit Mißfallen
gesehen wird,
das verstehe ich gut. Aber dadurch wird der Appell nicht falsch.
Vergessen wir nicht, dass Reuß an vielen Stellen auch auf die Verlage eingeht,
und gegen OA mit dem Argument antritt, dies gefährde die deutsche
Verlagslandschaft. Sollte er sich nicht, statt sich in Wirtschaftsfragen zu
äußern, ein bisschen mehr auf die Suche nach der Wahrheit konzentrieren?
Wie wäre es mit Wahrheit?
Vielleicht sollte man noch hinzufügen, dass der Witz bei Reuß' Kafka-Edition
die ist, die Frage nach der "Wahrheit" dem Leser zu überlassen.
Schönen Gruß!
J. Eberhardt
--
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