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Re: [InetBib] Friede den plumpen Servern
- Date: Tue, 31 Mar 2009 23:43:50 +0200
- From: Matthias Ulmer <mulmer@xxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Friede den plumpen Servern
Erst einmal herzlichen Dank für Ihre Mail. Polarisierung ist hier ja  
die Spielregel, aber Sie bieten mir einen Freistoss an, den ich gerne  
annehme. Vielleicht gelingt mir ja ein Schritt zur Abrüstung in diesem  
Schaukampf.
"Hier die Bibliothekare (und Bibliothekarinnen?), die nahe an  
klassischer Sklaventreiberei agieren, ..."
Das hab ich nicht gesagt. Das klassisch Sklaverei-Beispiel bezog sich  
nur auf das Thema Entscheidungsfreiheit der Autoren (ich schreibe auf  
dem Handy, also bitte ich um Dispens für die geschlechtsneutral  
gemeinten Formulierungen). Bibliothekare sind hier Opfer eines  
Ungeistes, und ich respektiere die ehrenwerten dieses Berufsstandes  
weiterhin.
"dort sie als Fuersprecher der Verlage "
Ja, das meine ich für mich in Anspruch nehmen zu können, wenn man  
mich bei der nächsten Wal nicht abwählt.
Gerne wiederhole ich hier auch noch einmal: es spricht überhaupt  
nichts gegen Open Access!!! Das ist ein Geschäftsmodell unter anderen.  
Ich schätze den Wettbewerb, weil er dem Besseren zur Durchsetzung  
verhilft. Ich verabscheue dagegen Zwang, Bevormundung und Behinderung  
des Wettbewerbs, weil das Ergebnis eben nicht das Bessere ist, sondern  
das von selbsternannten Besserwissern gewollte durchsetzt.
"Hier (Open Access?) viel Sichtbarkeit und wenig Wahrheit, dort (in  
Ihrem Dunstkreis?) vielleicht weniger Sichtbarkeit, aber viel Wahrheit  
-- "
Hab ich ja auch nicht gesagt. Ich habe nur darauf hingewiesen, dass  
der Satz über die Währung Sichtbarkeit falsch ist, weil er verkürzt  
und eine Anmaßung ist, als ob jemand die Wünsche und Ziele aller  
Wissenschaftler kennen würde. Wie Sie zu Recht sagen: die Welt ist  
erheblich komplexer, als es der Satz suggeriert.
Nun bin ich nicht mehr sicher, ob Sie wirklich ueber Open Access  
schreiben:"
Nein, ich meinte das weiter gefasst. Die Verkürzung auf Zeitschriften  
und Wissenschaft ist eine Katastrophe. Ich verstehe schon, dass man da  
das Problem sieht. Aber Wissenschaft insgesamt macht gerade mal 15%  
des  Buchmarktes aus und von diesen ist der größte Teil noch das  
Lehrbuch. Und die erreichten und noch angestrebten Änderungen des UrhG  
differenzieren nicht nach Wissenschaft und dem Rest. Das wäre, als  
würde man um ein Unkraut zu vernichten den ganzen Garten ausmerzen.  
(Ich habe jetzt nicht OA mit Unkraut verglichen!)
Und wenn man den Markt der Zeitschriften nimmt, dann fällt das Gewicht  
der Wissenschaft noch viel geringer aus.
Das Bestreben Uniserver zu füllen erstreckt sich ja nicht nur auf  
Artikel, es meint auch Dissertation und Habilschriften und alle Arten  
von Monografien. Und: ein fertiges Buch sieht eben anders aus als ein  
wissenschaftliches MS. Auch hier wiederhole ich mich gerne: ein  
Verlag, der keinen Mehrwert bringt, der erübrigt sich von selbst.
"Und da Sie den Akzent auf Aufmerksamkeit legen: "wir"  
Wissenschaftler/innen sind im Internet angekommen, anders als  
(bedauerlicherweise!) viele grade kleine Verlage."
Böse gesagt: wenn den kleinen Verlagen das jemand zahlen würde, dann  
wären manche schon weiter. Aber die müssen, bevor sie investieren  
können auch erst mal Steuern zahlen...
Seriöser gesagt: wenn ich Herrn Grafs Worten Glauben schenken darf,  
dann sind die Fortschritte bei der Digitalisierung der Bibliotheken  
zum Heulen. (Und statt sich um die riesigen Bestände zu kümmern  
digitalisiert man in den Bibliotheken ausgerechnet das, was die  
Verlage bereits digital anbieten. Toll. Große Leistung!)
Mein Angebot zur Abrüstung:
Open Access ist ein gutes Modell (unter anderen) für  
wissenschaftliches Publizieren.
Es wird nicht billiger (von den Produktionskosten her) wenn die  
Hochschulen es selbst machen.
Aber das ist nicht mein Problem als Verleger, sondern als Steuerzahler  
(aber das ist Aufgabe des Rechnungshofes).
Die naturwissenschaftlichen Zeitschriften einiger weniger Verlage sind  
skandalös teuer. Und die große Zahl der kleinen und mittleren Verlage  
tragen als Kolateralschaden nun die Folgen.
Die Budgets für Bildung und Wissenschaft sind skandalös niedrig. Eine  
Schande. Ein gemeinsamer Protest hier hätte uns alle viel weiter  
gebracht.
Herzlichst
Ihr Matthias Ulmer
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.