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Re: [InetBib] Bibliothekar*tag
- Date: Mon, 5 Jul 2021 20:16:09 +0000
- From: "Ringel, Christina via InetBib" <inetbib@xxxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Bibliothekar*tag
Sehr geehrte Listen-Mitglieder,
ich freue mich über die Diskussion und habe trotz persönlichem Interesse für
das Thema gendersensible bzw. genderspezifische Sprache aus Argumenten von
beiden ‚Seiten‘, wenn man so will, einiges dazu gelernt.
Allerdings fehlt mir für das eigentliche Thema noch ein Argument gegen die
Umbenennung in Bibliothekstag(e) bzw. Bibliothekskongress. Die
Es-war-halt-vorher-immer-anders-Aussage ist zwar ein Argument, aber wie viele
hier bereits kommentiert haben, gegenüber den Pro-Argumenten kein besonders
überzeugendes. Wenn ich es richtig überblicke, gab es darüber hinaus nur
Gegenargumente gegen das Gendern (-> für diese Frage nicht relevant).
Nun zum Anlass meines Beitrages:
Bei dem VDS-Text von "nachweislich" zu sprechen ist abenteuerlich.
Wer die so-genannten Argumente oder auch andere Texte des Vereins Deutscher
Sprache liest, wird vermutlich schnell selbst darauf kommen, aber ich möchte
hier noch einmal darauf hinweisen, dass es sich entgegen des Eindrucks, den der
Name des Vereins erwecken könnte, nur in Einzelfällen um Menschen handelt, die
in relevanten Feldern ausgebildet geschweige denn forschend tätig sind, sondern
mehrheitlich um Menschen, die sich zusammengefunden haben, um ihre Meinungen
kundzutun. Die Zusammensetzung des Vorstands spricht auch für sich.
Als Linguistin, die in verschiedenen nationalen und internationalen Fachkreisen
vernetzt ist, kann ich sagen, dass auch einzelne, durchaus auch bekannte
Sprachwissenschaftler:innen Vorbehalte gegen inklusive Sprache haben, die
Mehrheit ist hier aber eine andere. Und auch hier steht häufig Meinung und
vereinzelte persönliche Erfahrung gegen wissenschaftlich fundierte
Argumentation.
Viele der genannten Punkte in dem VDS-Text wurden in der vorangegangenen
Diskussion bereits widerlegt. Um nur einen Punkt herauszugreifen: Besonders
interessant finde ich die Aussage, dass durch gendern angeblich Sätze "mit
irrelevanten Informationen überfrachtet" würden. Wenn ich also statt nur Ärtze
entweder Ärztinnen und Ärzte oder Ärtzt:innen sage oder schreibe und damit
klarstelle, dass es sich im derzeitigen Kontext nicht nur um Männer handelt,
ist das also irrelevant. Die Ärztinnen sind also irrelevant. Das Argument
funktioniert nur unter der Voraussetzung von ‚Argument‘ 1 (Menschen denken beim
generischen Maskulinum nicht nur an Männer) - was aber im Selbst- und
Fremdversuch mit der viel zitierten Chirurgen-Geschichte widerlegt werden kann).
Übrigens passt ‚Argument‘ 1 nicht zu der Aussage, dass gendern die Sprache
missverständlicher macht (‚Argument‘ 15): Wenn Frauen und andere Geschlechter
beim Maskulinum immer auch mitgemeint und mitgedacht sein können, ist die
Verwendung missverständlich (Geht es in der aktuellen Aussage nun nur um
Männer, oder um Männer und Frauen und andere Geschlechter?) Klarer wäre es,
dass Maskulinum für Personengruppen nicht mehr generisch zu verwenden, damit
ich als Hörer:in oder Leser:in weiß, dass nur auf Männer referiert wird, wenn
es benutzt wird (-> genderspezifische Sprache). Wenn nur auf Frauen referiert
wird, wird die feminine Form verwendet, wenn es unwichtig oder unklar ist und
man andere Geschlechter inkludieren will, nutzt man gegenderte Formen.
Nebenbei bemerkt widerlegt Ärtzt:innen vs. Ärztinnen und Ärzte auch das
Sprachökonomie-Argument (‚Argument‘ 16).
Und - weil ich es mir nicht verkneifen kann - als nur ein Beispiel für
Ich-benutze-die-Argumente-immer-so-wie-sie-mir-gerade-passen: Gendern ist
einerseits sexistisch weil es Geschlechterdifferenzen zementiert ('Argument'
4),* aber gleichzeitig ist es nutzlos, weil es nicht zu gesellschaftlicher
Veränderung führt ('Argument' 2). Wie genau passt das zusammen? Ähnlich
funktioniert es für andere ‚Argumente‘, beispielsweise dass das generische
Maskulinum Frauen mitmeint und mitdenkt, ein Genderstern aber unakzeptabel ist,
weil er unverschämterweise die männliche Form "unterschlägt" ('Argument' 15).
*nur eine von vielen Stellen, an denen ohne Referenz auf wissenschaftliche
Erkenntnisse ‚argumentiert‘ wird – während bei ‚Argument‘ 1 (fälschlicherweise)
das Fehlen von wissenschaftlicher Evidenz moniert wird.
Die Argumente sind klar verfasst für Leser:innen, die ihre Meinung von
‚offizieller‘ Seite bestätigt hören möchten, ohne sich für Beweise zu
interessieren. Daher wollte ich das in dieser Liste nicht unkommentiert stehen
lassen, zumal es den Wunsch nach inhaltlicher Auseinandersetzung gab.
Für weitere echte Argumente bin ich sehr offen.
Herzliche Grüße
Christina Ringel
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Mathis Holzbach <m.holzbach@xxxxxxx>
Gesendet: Donnerstag, 1. Juli 2021 17:43
An: "Hester, Zoë" <z.hester@xxxxxxxxxxxxx>; inetbib@xxxxxxxxxx
Betreff: Re: [InetBib] Bibliothekar*tag
Sehr geehrte Frau Zoë Hester!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Warum Gendern nachweislich unwissenschaftlich, gar getzeswidrig ist, zeigt eine
Veröffentlichung auf, die ich mit Erlaubnis des Vereins Deutsche Sprache hier
zugänglich machen darf. Hier finden Sie 20 Argumente, die u.a. hervorheben,
dass es keine wissenschaftlichen Studien gibt, die nachweist, „dass
Veränderungen an der Grammatik einer Sprache gesellschaftliche Veränderungen
bewirken“.
Hier der Linkmit freundlicher Genehmigung des Vereins Deutsche Sprache:
https://www.dropbox.com/s/yjalaahmwbbt5a5/20-Argumente.pdf?dl=0
<https://www.dropbox.com/s/yjalaahmwbbt5a5/20-Argumente.pdf?dl=0><https://www.dropbox.com/s/yjalaahmwbbt5a5/20-Argumente.pdf?dl=0
<https://www.dropbox.com/s/yjalaahmwbbt5a5/20-Argumente.pdf?dl=0<https://www.dropbox.com/s/yjalaahmwbbt5a5/20-Argumente.pdf?dl=0%20%3chttps://www.dropbox.com/s/yjalaahmwbbt5a5/20-Argumente.pdf?dl=0>>>
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Mathis Christian Holzbach M.L.I.S.
Am 01.07.2021 um 16:16 schrieb Hester, Zoë via InetBib
<inetbib@xxxxxxxxxx<mailto:inetbib@xxxxxxxxxx>>:
Liebe Kolleg:innen,
in vielen Bereichen finden ähnliche Diskussionen statt und in den Berufen
wird (inzwischen) zumindest das weibliche Geschlecht meist explizit
berücksichtig und damit sichtbar gemacht, so ist z.B. die Rede von Professor
bzw. Professorin, Ärztin bzw. Arzt, …
Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde uns Frauen unterstellt nicht in
der Lage zu sein wählen zu können, auch ein Studium wurde uns verwehrt. Umso
wichtiger, dass durch die Berufsbezeichnungen wie z.B. Doktorin,
Wissenschaftlerin deutlich gemacht werden, dass auch wir Frauen hier „zu
Hause“ sein können. Das ist in einigen Ländern immer noch nicht der Fall.
Wir müssen aber nicht (verächtlich) auf andere Länder schauen, denn z.B.
stehen uns Frauen in der Bundeswehr erst seit dem 11.01.2000 alle Dienstgrade
uneingeschränkt offen. (ja, das ist kein Schreibfehler)
https://www.bundeswehr.de/de/grundgesetzaenderung-oeffnet-bundeswehr-vollstaendig-fuer-frauen-4625102
Und es war nicht die Regierung Deutschlands, die das durchgesetzt hat,
sondern der Europäische Gerichtshof!
Mit weiteren Gendern verhält es sich ähnlich. Auch sie wurden und werden
ausgeschlossen. Um nun den Menschen, die merken, dass sie nicht in das
heteronormative Gestell passen, zu zeigen, dass auch sie in allen Berufen „zu
Hause“ sein können und um zu zeigen, dass sie mitgedacht wurden ist es
wichtig dies auch in der Sprache auszudrücken.
Außerdem macht eine „genderberücksichtigende“ Sprache allgemein klar, dass es
nicht nur Schwarz und Weiß gibt, sondern dass das Sein jede* einzelnen bunt
ist und auch sein darf. Das wird es unseren Kindern einmal sehr erleichtern
in der Arbeitswelt klar zu kommen.
Vor diesem Hintergrund ist etwa eine Bezeichnung wie „Bibliothekar:Tag“ oder
„Bibliothekar:innentag“ oder „Tag der Bibilothekar:innen“ /wahlweise auch mit
* bzw. Gendergap _) eine wertschätzende und willkommen-heißende Bezeichnung.
Viele Grüße
Zoë Hester
(ze/zir; sie/ihr)
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Tel: ++49-2461-6185043
E-Mail: <mailto:z.Hester@xxxxxxxxxxxxx>
z.Hester@xxxxxxxxxxxxx<mailto:z.Hester@xxxxxxxxxxxxx>
I am a supporter of LGBTIQ* :)
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