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Re: [InetBib] Andere Meinungen un der richtige Ton (war: Bibliothekar*tag + Gender Diskussion)



Liebe Frau Haase!

Haben Sie vielen Dank für die interessanten Informationen. Gendern ist 
sozusagen ein alter Hut.  Dem Gendern stehe ich  grundsätzlich dennoch  
kritisch gegenüber, da sie die Sprache auch unangenehm sexualisiert. Auch denkt 
man nicht, dass den Kindern, die in der Grundschule den Umgang mit der Sprache 
erlernen, unnötige Hürden gesetzt werden. 

Ihnen ein schönes Wochenende! 

Mit freundlichem Gruß aus dem Rheinland! 

Mathis Holzbach



Am 03.07.2021 um 12:38 schrieb Frau Haase <haase.jana@xxxxxxxxx>:

Lieber Herr Dr. Holzbach,

eine gute aktuelle Abhandlung zur Frage, was das grammatische bit dem 
biologischen Geschlecht zu tun hat finden Sie in Damaris Nübling 
"Genderlinguistik" und der kleinen Streitschrift derselben Autorin "Genus und 
Geschlecht". Beide Veröffentlichungen bieten einen konstruktiven 
wissenschaftlichen Überblick und Einblick in die besprochene 
Sprachentwicklung. Es sind keine politischen, sondern linguistische Schriften 
und m.E. sehr lesenswert.

Ich lese berufsbedingt viele Publikationen, Briefe und Akten aus dem 19. und 
frühen 20. Jahrhundert. Da habe ich wie Sie den Eindruck, dass 
Sprachkompetenz, Sprachgefühl und Sprachgewandheit bei den Schreibenden 
deutlich höher waren, als heute. Die Sprachbildung in der hochliteralen 
Gesellschaft dieser Zeit ist mit der heutigen nicht zu vergleichen. Ich 
vermute, wir befinden uns im Übergang von einer literalen zu einer 
visuell-oralen Kultur. Übergänge finden immer statt und lassen sich kaum 
aufhalten. Wir können sie bedauern oder annehmen und mitgestalten.

Durch das viele Lesen von Texten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts ist mir 
aber auch aufgefallen, dass viele Formulierungen der heutigen 
geschlechtersensiblen Sprache damals schon üblich waren. Sie verschwanden 
langsam in den 1920er Jahren und tauchten dann mit der zweiten Frauenbewegung 
in den 1980ern als Neuheiten wieder auf. So las ich in einem Bericht von 1900 
"unsere Lehrenden und Lernenden", gestern im Zentralblatt für 
Bibliothekswesen "Liste der Anwesenden". Dergleichen findet sich viel in 
alten Texten. Vielleicht ist es so, dass die Vertreter:innen der 
geschlechtergerechten Sprache die eigentlichen Traditionalist:innen sind und 
die Verfechter:innen des Gebrauchs generischer Maskulina in 
Funktionsbezeichnungen eher die Avantgarde, hervorgegangen aus der großen 
Sprachökonomisierung im 20. Jahrhundert. (Das englische they der neuen 
geschlechtergerechten Sprache, so hörte ich in einem Vortrag, soll auch schon 
im 18. Jahrhundert gebräuchlich gewesen sein.)

Ich werde mich weiterhin stur "Bibliothekarin" und "Frau" bezeichnen. Besten 
Gruß aus Berlin und ein schönes Wochenende

Jana Haase



Am 2021-07-03 09:06, schrieb Mathis Holzbach via InetBib:

Sehr geehrte Damen und Herren!!

Ich kann bei dieser Diskussion aufgekommene Genderdebatte rein aus 
sprachlicher Sicht nicht nachvollziehen,  bei der es ja ursprünglich um die 
Neufindung der Tagungsbezeichnung des Bibliothekartags geht. Diejenigen, die 
diesem Genderthema kritisch gegenüberstehen, werden mit m.E. teilweise 
unsachlichen Argumenten zurückgedrängt, in die rechte Ecke gerückt, die 
angeblich gegen eine bunte Gesellschaft eintreten und einem patriarchalen 
Denksystem anhaften und so nach meinem Dafürhalten wohl absichtlich 
missverstanden werden. Das ist sehr befremdlich. Das führt dazu, dass man 
sich einander in polemischer Rhetorik verliert. Vielleicht deshalb ist meine 
Hervorhebung, durch das Lateinische sprachlich geschult worden zu sein, als 
anmaßend gewertet worden, obwohl es lange gängige Praxis war, diese 
Kenntnisse als grundlegend für ein Studium an einer Universität zu 
betrachten. Man kann schon verlangen, dass jeweils die andere Sichtweise 
kritisch gewürdigt wird, und es entspricht auch den Gepflogenheiten 
wissenschaftlichen Disputierens. Es bleibt für mich vor allem die Frage 
offen, was das grammatische mit dem biologischen Geschlecht zu tun hat. Das 
erschließt sich mir nicht. Ebenso unverständlich finde ich die Vorstellung, 
dass Veränderungen in der Grammatik gesellschaftliche Veränderungen bewirken 
sollen. Außerdem möchte noch  einmal hervorheben, dass an meinem Institut in 
Vallendar, an dem ich als Wiss. Bibliothekar arbeite, viele ausländische 
Studenten (sic!) sich über diese öffentlichen Bemühungen, eine 
geschlechtergerechte Sprache zu schaffen, sich nicht nur überfordert, 
sondern auch übervorteilt sehen, wenn sie rechtsverbindlich werden würde. 

Beste Grüße

Dr. Mathis Christian Holzbach, M.L.I.S.



Am 02.07.2021 um 07:49 schrieb Boettcher, Uwe via InetBib 
<inetbib@xxxxxxxxxx <mailto:inetbib@xxxxxxxxxx> <mailto:inetbib@xxxxxxxxxx 
<mailto:inetbib@xxxxxxxxxx>>>:

Guten Morgen Herr Becker, guten Morgen Frau Baumann,

finden Sie wirklich, dass es eine gute Idee ist, Menschen, die anderer 
Meinung als Sie sind, öffentlich als "ignorant" zu bezeichnen? Ich finde, 
das sagt sehr viel über Ihre Streitkultur und über Ihr 
Demokratieverständnis aus.

Es gibt Menschen - und nicht wenige, wie wir gesehen haben -, die haben 
gute Gründe, Sternchen als Ausdrucksform ihrer Wertschätzung für 
andersgeschlechtliche Menschen abzulehnen. Und das ist genauso gut und 
richtig und legitim wie die gegenteilige Position.

Deswegen muss sich niemand, Frau Baumann, "verdammt nochmal damit [gemeint 
ist IHRE Meinung] abfinden", um es auf Ihre Weise zu sagen.

Das ist ein freies Land, hier darf jede und jeder die eigenen Meinung 
haben, selbst wenn sie nicht mehrheitsfähig ist. Unterschiedliche Meinungen 
darf, sollte, ja vielleicht muss man sie sogar diskutieren, aber bitte im 
richtigen Ton. "Verdammt" ist nicht der richtige, und ein wenig 
öffentlicher Respekt für andere Meinungen als die eigene gehört auch dazu.  

Freundliche Grüße von

Uwe Böttcher

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: InetBib <inetbib-bounces@xxxxxxxxxx 
<mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxx> <mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxx 
<mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxx>>> Im Auftrag von Tom Becker via InetBib
Gesendet: Donnerstag, 1. Juli 2021 19:58
An: inetbib@xxxxxxxxxx <mailto:inetbib@xxxxxxxxxx> 
<mailto:inetbib@xxxxxxxxxx <mailto:inetbib@xxxxxxxxxx>>
Betreff: Re: [InetBib] Bibliothekar*tag + Gender Diskussion

Liebe Laura

danke für Deine offenen Worte... diese Diskussion ist in vielen Teilen 
unerträglich ignorant hier - ich hätte gedacht, wir wären bereits etwas 
weiter, und als 'personifizierte Bibliotheken' etwas offener... Da scheint 
es wohl noch viel Arbeit zu geben....

Man weiss dann ja recht schnell,  dass diese Haltung, die hier oftmals 
nicht nur zwischen den Zeilen propagiert wird, auch im öffentlichen Raum 
eine Atmosphäre schafft, die weit entfernt von einer würdigen 
Willkommenskultur ist.

Ich verzweifle da dann doch innerlich etwas, man nimmmt doch mit dem * 
niemandem was weg, und macht das Leben bunter, nahbarer und 'würdiger' 
für viele. Dafür sollten wir stehen als Mensch und als Institution.

Im Berufsverband werden wir als BIB versuchen, die Angebote, die wir in den 
beiden Demokratiekursen letztes und dieses Jahr aufsetzen konnten, weiter 
zu führen. Und mir scheint es da noch viel relevanter, dass wir an der 
Haltung im Berufsstand ansetzen müssen. Ein Fazit, dass die 
Teilnehmer*innen und wir bereits gezogen haben. Erste Ideen haben wir mit 
der Aktionsbox bereits konkretisieren können.

Wir bleiben am Ball. Und wir Bunten und Offenen müssen lauter, sichtbarer, 
fordernder und wehrhafter werden. Klaus Mann fällt mir da immer wieder ein 
mit seinem "Ruhe gibt es nicht, bis zum Schluss!"

Grüße

Tom Becker


Am 01.07.21 um 19:15 schrieb Laura B via InetBib:

Liebe Leser*innen dieser Liste,


nachdem ich jetzt seit Tagen hier mitlese, muss ich mich jetzt doch mal 
mit einmischen.


Als jemand der die Petition mit gestartet hat, möchte ich vorneweg 
sagen das es uns nicht nur darum geht alle Geschlechter (ja, es gibt 
mehr als zwei, sollten sie das immer noch nicht wissen, empfehle ich 
eine Suchmaschine ihrer Wahl) mit einzubeziehen, sondern auch darum 
das in Bibliotheken, bzw. bibliothekarischen Einrichtungen nicht mehr 
nur Bibliothekare und auch Bibliothekar*innen arbeiten sondern auch 
FAMIs, Medienpädagog*innen, ITler*innen, etc. etc. etc. Wer also der 
Meinung ist, das der "Bibliothekartag" deswegen langsam im Jahr 2021 
einen neuen Namen verdient hat, der möchte bitte gerne die Petition 
unterschreiben, zu finden unter diesem Link: 
https://eur01.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww 
<https://eur01.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww> 
<https://eur01.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww 
<https://eur01.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww>>.
openpetition.de <http://openpetition.de/ 
<http://openpetition.de/>>%2Fpetition%2Fonline%2Fzeitgemaesser-name-fuer-den-bibl
iothekartag&amp;data=04%7C01%7Cuwe.boettcher%40whu.edu <http://40whu.edu/ 
<http://40whu.edu/>>%7Cc4f20de0ffeb4
f186dc408d93cb9d2a7%7Cfd0fb88881d0438694628a094cc4592e%7C1%7C0%7C63760
7591076509456%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2lu
MzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C1000&amp;sdata=OpYdHyEc4QsdfW74cM
7%2FHJAqbsgFQvrAa%2Bg7stBVV7s%3D&amp;reserved=0


Des weiteren möchte ich jetzt ein paar Worte als nicht-binärer Mensch 
sagen, die an sich nichts mit der Petition an sich zu tun haben, aber sich 
auf die momentane Diskussion hier beziehen:  Es hat mich absolut nicht 
gewundert, als hier die Diskussion um Gendern losging, das scheint ja 
inzwischen ein Lieblingsthema von allen Deutschen geworden zu sein. Leider 
muss man schon fast sagen, hat es mich ebenso nicht gewundert, wie viel 
Ignoranz und Ablehnung hier in die Öffentlichkeit getragen wurden.


Das * im deutschen existiert nicht nur um die binären Geschlechter 
männlich-weiblich gleichgerecht mit einzubeziehen (was schon wichtig genug 
ist), sondern auch um alle Menschen die sich diesem binären System nicht 
zugehörig fühlen auch mit einzubeziehen. Ich spreche hier nicht für die 
ganze nicht-binäre Community und schon gar nicht für die ganze LGBTQIA+ 
Community, aber persönlich kann ich Ihnen sagen, es tut mir in Teilen 
immer noch verdammt weh, wenn die Inklusion von mir, meiner nicht binären 
Geschlechtsidentität als "Sprechknoten ", als "furchtbar", als 
"ideologische Vereinnahmung der Sprache", als "verhunzung der deutschen 
Sprache" etc. bezeichnet wird. Es ist mir, wenn ich jetzt mal so direkt 
sein darf, verdammt egal ob Ihnen Worte wie Bibliothekar*innen, 
Medienpädagog*innen etc. schwierig zum aussprechen vorkommen, oder sie 
irgendwie unschön finden, es ist 2021, lernen Sie damit umzugehen, wir 
haben haufenweise neue Wörter in unserer deutschen Sprache es kann doch 
nicht so verdammt schwer sein eine kurze Pause in Worte einzubauen. Ich 
lebe seit meiner Geburt in einem System das es mir immer wieder klar 
macht, dass ich als nicht-binäre Person irgendwie nicht erwünscht bin und 
irgendwie nicht dazu gehören, das kann ich Ihnen sagen ist wesentlich 
unschöner als irgendwo in Wörtern ein * unterbringen zu müssen. Lernen Sie 
damit klar zu kommen, dass die Welt sich verändert und es mehr als nur 
schwarz-weiß denken auch beim gendern gibt und unsere sehr gegenderte 
deutsche Sprache sich nun mal etwas daran anpassen muss.


Es wurden bereits Studien und Bücher zu diesem Thema verlinkt die das 
ganze wissenschaftlich angehen, von daher tue ich das jetzt hier nicht 
mehr. Gegenargumentationen von einem Verein der schon häufiger wegen 
rechtspopulistischen Aussagen aufgefallen ist 
(https://eur01.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.volksverpetzer.de%2Fhintergrund%2Fverein-deutsche-sprache%2F&amp;data=04%7C01%7Cuwe.boettcher%40whu.edu%7Cc4f20de0ffeb4f186dc408d93cb9d2a7%7Cfd0fb88881d0438694628a094cc4592e%7C1%7C0%7C637607591076519413%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C1000&amp;sdata=h78NTtzI40imo8hZAAYr0k6NlITb28Vdhy3JXxzPXx8%3D&amp;reserved=0
 
<https://eur01.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.volksverpetzer.de%2Fhintergrund%2Fverein-deutsche-sprache%2F&amp;data=04%7C01%7Cuwe.boettcher%40whu.edu%7Cc4f20de0ffeb4f186dc408d93cb9d2a7%7Cfd0fb88881d0438694628a094cc4592e%7C1%7C0%7C637607591076519413%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C1000&amp;sdata=h78NTtzI40imo8hZAAYr0k6NlITb28Vdhy3JXxzPXx8%3D&amp;reserved=0>
 
<https://eur01.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.volksverpetzer.de%2Fhintergrund%2Fverein-deutsche-sprache%2F&amp;data=04%7C01%7Cuwe.boettcher%40whu.edu%7Cc4f20de0ffeb4f186dc408d93cb9d2a7%7Cfd0fb88881d0438694628a094cc4592e%7C1%7C0%7C637607591076519413%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C1000&amp;sdata=h78NTtzI40imo8hZAAYr0k6NlITb28Vdhy3JXxzPXx8%3D&amp;reserved=0
 
<https://eur01.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.volksverpetzer.de%2Fhintergrund%2Fverein-deutsche-sprache%2F&amp;data=04%7C01%7Cuwe.boettcher%40whu.edu%7Cc4f20de0ffeb4f186dc408d93cb9d2a7%7Cfd0fb88881d0438694628a094cc4592e%7C1%7C0%7C637607591076519413%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C1000&amp;sdata=h78NTtzI40imo8hZAAYr0k6NlITb28Vdhy3JXxzPXx8%3D&amp;reserved=0>>),
 fallen bei mir im übrigen direkt als ungültig weg, aber das überlasse ich 
natürlich jedem selbst, wem er da glauben schenken möchte.


Gezeichnet,

Nik Baumann

(they/them, sie/ihr)

--
Dr. Tom Becker
===
Professor für Medienmanagement und Medienvermittlung in Bibliotheken (FH) 
Studiengangsleiter B.A. 'Bibliothek und digitale Kommunikation'
Bundesvorstandsmitglied im Berufsverband Information Bibliothek (BIB e.V. | 
bib-info.de <http://bib-info.de/ <http://bib-info.de/>>)

TH Köln
Fakultät für Informations- und Kommunikationswissenschaften Raum B5 431.A

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Jana Haase

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