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Re: [InetBib] Andere Meinungen un der richtige Ton (war: Bibliothekar*tag + Gender Diskussion)



Guten Morgen zurück

als jmd der sowohl verbale wie physische Gewalt aufgrund der eigenen sexuellen Orientierung erlebt hat, und der ähnliches auch aus dem Bekanntenkreis zugetragen bekommt, bin ich vielleicht aus persönlichen Gründen nicht immer auf der 100%tigen Sachebene. Damit kann ich aber gut leben, ich verstehe mich (wenn auch nicht mehr als so lauter) Aktivist (nicht nur) im LGTBQ* Bereich. Und ja, ich fühle mich in der Debatte ignoriert und manchmal auch verletzt von Einzelnen bzw. einzelnen Aussagen einer Community, in der ich mich sehr wohl fühle und für die ich mich sehr gerne engagiere.

Die Diskussionen in der Fachcommunity über die BIB-Demokratietreffs und die Veranstaltungen und die Aktionen um den Tag der Offenen Gesellschaft zeigen mir, dass Themen wie Diversity, Antidiskriminierung, Demokratiearbeit im weitesten Sinne für viele präsenter werden und das generell die Haltung (nicht nur) in Bibliotheken dazu entsprechend offensiver (wehrhafter - wie ich schrieb) werden muss.

Das zur allgemeinen (bibliotheks-)politischen Debatte, unabhängig vom Namen unserer jährlichen Großveranstaltung. Hier versuche ich seit 10 Jahre, die Diskussion zu öffnen, und bewundere das Beharrungsvermögen einiger weniger genauso wie ich mich darüber ärgere. Und ja, auch hier gilt: Vieles an der Diskussion (und der dahinter stehenden Haltung) empfinde ich als ignorant, als borniert, als verhaart in einem überkommen Standesdünkel und verfickt nochmal völlig inakzeptabel und nicht hinnehmbar für mich.

Ich verbiete hier niemandem den Mund (wäre auch noch schöner), Meinungen, die mich verletz(t)en, höre ich mir an, aber was (und wen dahinter) ich dann noch respektiere, das entscheide ich selbst. Und dieses Recht hat jede*r andere genauso.

Ich finde es sogar gut, dass wir hier (in diesem noch freien Land) unterschiedlich diskutieren, zeigt es doch, dass das Thema einen Nerv trifft. Streiten können ist wichtig, Positionen zu haben und dazu zu stehen auch.

Im Streit darf sich jede Seite bitte auch (verdammt noch mal) im Ton vergreifen, hier geht es auch um persönliche Diskriminierungserfahrungen und eigene, feste Werte - da ist manchmel 'Sachlichkeit' ein vorgeschobenes Argument. Dann lieber Leidenschaft und die Größe, sich hinterher zu entschuldigen. Das schwierige an dieser schriftlichen Auseinandersetzung ist ja auch, dass wir alle vielmehr in die Aussagen interpretieren als vielleicht (vielleicht aber auch nicht) gesagt / gemeint und nicht geschrieben worden ist.

Tom Becker

(der den Doppelpunkt grafisch mehr mag als Sternchen, die Gender-Sprechpause sehr bereichernd findet und gerne mehr Regenbögen in Bibliotheken fühlen würde)


Am 02.07.21 um 07:49 schrieb Boettcher, Uwe via InetBib:
Guten Morgen Herr Becker, guten Morgen Frau Baumann,

finden Sie wirklich, dass es eine gute Idee ist, Menschen, die anderer Meinung als Sie sind, öffentlich 
als "ignorant" zu bezeichnen? Ich finde, das sagt sehr viel über Ihre Streitkultur und 
über Ihr Demokratieverständnis aus.

Es gibt Menschen - und nicht wenige, wie wir gesehen haben -, die haben gute Gründe, 
Sternchen als Ausdrucksform ihrer Wertschätzung für andersgeschlechtliche Menschen 
abzulehnen. Und das ist genauso gut und richtig und legitim wie die gegenteilige Position.

Deswegen muss sich niemand, Frau Baumann, "verdammt nochmal damit [gemeint ist IHRE 
Meinung] abfinden", um es auf Ihre Weise zu sagen.

Das ist ein freies Land, hier darf jede und jeder die eigenen Meinung haben, selbst wenn sie nicht 
mehrheitsfähig ist. Unterschiedliche Meinungen darf, sollte, ja vielleicht muss man sie sogar 
diskutieren, aber bitte im richtigen Ton. "Verdammt" ist nicht der richtige, und ein wenig 
öffentlicher Respekt für andere Meinungen als die eigene gehört auch dazu.

Freundliche Grüße von

Uwe Böttcher

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: InetBib <inetbib-bounces@xxxxxxxxxx> Im Auftrag von Tom Becker via InetBib
Gesendet: Donnerstag, 1. Juli 2021 19:58
An: inetbib@xxxxxxxxxx
Betreff: Re: [InetBib] Bibliothekar*tag + Gender Diskussion

Liebe Laura

danke für Deine offenen Worte... diese Diskussion ist in vielen Teilen unerträglich 
ignorant hier - ich hätte gedacht, wir wären bereits etwas weiter, und als 
'personifizierte Bibliotheken' etwas offener... Da scheint es wohl noch viel Arbeit zu geben....

Man weiss dann ja recht schnell,  dass diese Haltung, die hier oftmals nicht nur zwischen den 
Zeilen propagiert wird, auch im öffentlichen Raum eine Atmosphäre schafft, die weit 
entfernt von einer würdigen Willkommenskultur ist.

Ich verzweifle da dann doch innerlich etwas, man nimmmt doch mit dem * niemandem was 
weg, und macht das Leben bunter, nahbarer und 'würdiger'
für viele. Dafür sollten wir stehen als Mensch und als Institution.

Im Berufsverband werden wir als BIB versuchen, die Angebote, die wir in den beiden 
Demokratiekursen letztes und dieses Jahr aufsetzen konnten, weiter zu führen. Und mir 
scheint es da noch viel relevanter, dass wir an der Haltung im Berufsstand ansetzen 
müssen. Ein Fazit, dass die Teilnehmer*innen und wir bereits gezogen haben. Erste Ideen 
haben wir mit der Aktionsbox bereits konkretisieren können.

Wir bleiben am Ball. Und wir Bunten und Offenen müssen lauter, sichtbarer, fordernder und 
wehrhafter werden. Klaus Mann fällt mir da immer wieder ein mit seinem "Ruhe gibt es 
nicht, bis zum Schluss!"

Grüße

Tom Becker


Am 01.07.21 um 19:15 schrieb Laura B via InetBib:
Liebe Leser*innen dieser Liste,


nachdem ich jetzt seit Tagen hier mitlese, muss ich mich jetzt doch mal mit 
einmischen.


Als jemand der die Petition mit gestartet hat, möchte ich vorneweg
sagen das es uns nicht nur darum geht alle Geschlechter (ja, es gibt
mehr als zwei, sollten sie das immer noch nicht wissen, empfehle ich
eine Suchmaschine ihrer Wahl) mit einzubeziehen, sondern auch darum
das in Bibliotheken, bzw. bibliothekarischen Einrichtungen nicht mehr
nur Bibliothekare und auch Bibliothekar*innen arbeiten sondern auch
FAMIs, Medienpädagog*innen, ITler*innen, etc. etc. etc. Wer also der
Meinung ist, das der "Bibliothekartag" deswegen langsam im Jahr 2021
einen neuen Namen verdient hat, der möchte bitte gerne die Petition
unterschreiben, zu finden unter diesem Link:
https://eur01.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.
openpetition.de%2Fpetition%2Fonline%2Fzeitgemaesser-name-fuer-den-bibl
iothekartag&amp;data=04%7C01%7Cuwe.boettcher%40whu.edu%7Cc4f20de0ffeb4
f186dc408d93cb9d2a7%7Cfd0fb88881d0438694628a094cc4592e%7C1%7C0%7C63760
7591076509456%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2lu
MzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C1000&amp;sdata=OpYdHyEc4QsdfW74cM
7%2FHJAqbsgFQvrAa%2Bg7stBVV7s%3D&amp;reserved=0


Des weiteren möchte ich jetzt ein paar Worte als nicht-binärer Mensch sagen, die an sich 
nichts mit der Petition an sich zu tun haben, aber sich auf die momentane Diskussion hier 
beziehen:  Es hat mich absolut nicht gewundert, als hier die Diskussion um Gendern losging, 
das scheint ja inzwischen ein Lieblingsthema von allen Deutschen geworden zu sein. Leider muss man 
schon fast sagen, hat es mich ebenso nicht gewundert, wie viel Ignoranz und Ablehnung hier in die 
Öffentlichkeit getragen wurden.


Das * im deutschen existiert nicht nur um die binären Geschlechter männlich-weiblich gleichgerecht mit einzubeziehen (was schon wichtig genug ist), sondern auch um alle Menschen die sich diesem binären System nicht 
zugehörig fühlen auch mit einzubeziehen. Ich spreche hier nicht für die ganze nicht-binäre Community und schon gar nicht für die ganze LGBTQIA+ Community, aber persönlich kann ich Ihnen sagen, es tut 
mir in Teilen immer noch verdammt weh, wenn die Inklusion von mir, meiner nicht binären Geschlechtsidentität als "Sprechknoten ", als "furchtbar", als "ideologische Vereinnahmung der 
Sprache", als "verhunzung der deutschen Sprache" etc. bezeichnet wird. Es ist mir, wenn ich jetzt mal so direkt sein darf, verdammt egal ob Ihnen Worte wie Bibliothekar*innen, Medienpädagog*innen etc. 
schwierig zum aussprechen vorkommen, oder sie irgendwie unschön finden, es ist 2021, lernen Sie damit umzugehen, wir haben haufenweise neue Wörter in unserer deutschen Sprache es kann doch nicht so verdammt schwer sein 
eine kurze Pause in Worte einzubauen. Ich lebe seit meiner Geburt in einem System das es mir immer wieder klar macht, dass ich als nicht-binäre Person irgendwie nicht erwünscht bin und irgendwie nicht dazu gehören, 
das kann ich Ihnen sagen ist wesentlich unschöner als irgendwo in Wörtern ein * unterbringen zu müssen. Lernen Sie damit klar zu kommen, dass die Welt sich verändert und es mehr als nur schwarz-weiß 
denken auch beim gendern gibt und unsere sehr gegenderte deutsche Sprache sich nun mal etwas daran anpassen muss.


Es wurden bereits Studien und Bücher zu diesem Thema verlinkt die das ganze wissenschaftlich angehen, von daher tue ich 
das jetzt hier nicht mehr. Gegenargumentationen von einem Verein der schon häufiger wegen rechtspopulistischen Aussagen 
aufgefallen ist 
(https://eur01.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.volksverpetzer.de%2Fhintergrund%2Fverein-deutsche-sprache%2F&amp;data=04%7C01%7Cuwe.boettcher%40whu.edu%7Cc4f20de0ffeb4f186dc408d93cb9d2a7%7Cfd0fb88881d0438694628a094cc4592e%7C1%7C0%7C637607591076519413%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C1000&amp;sdata=h78NTtzI40imo8hZAAYr0k6NlITb28Vdhy3JXxzPXx8%3D&amp;reserved=0),
 fallen bei mir im übrigen direkt als ungültig weg, aber das überlasse ich natürlich jedem selbst, wem er 
da glauben schenken möchte.


Gezeichnet,

Nik Baumann

(they/them, sie/ihr)


--
Dr. Tom Becker
===
Professor für Medienmanagement und Medienvermittlung in Bibliotheken (FH) 
Studiengangsleiter B.A. 'Bibliothek und digitale Kommunikation'
Bundesvorstandsmitglied im Berufsverband Information Bibliothek (BIB e.V. 
| bib-info.de)

TH Köln
Fakultät für Informations- und Kommunikationswissenschaften Raum B5 431.A

Hausanschrift:
Claudiusstr. 1
D 50678 Köln

Postanschrift:
Gustav-Heinemann-Ufer 54
D 50968 Köln


--
Dr. Tom Becker
===
Professor für Medienmanagement und Medienvermittlung in Bibliotheken (FH)
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