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[InetBib] Gendern (War: Re: Zeitgemäßer Name für den "Bibliothekar"tag)



Hallo Herr Hartwig,

leider liegen Sie in einigen Punkten falsch, vorher würde ich aber gerne noch in Bezug auf die Petition Herrn Brenn zitieren: "Was sich meinem Verständnis vollkommen entzieht ist, wie die Diskussion am "besseren Vorschlag" festgehangen wird, anstatt das Problem als solches als ersten Schritt anzuerkennen."

Für Ihre Bemerkung "Allerdings ist die Behauptung, das generische Maskulinum lasse allein an Männer denken, eine unbewiesene." genügt der Hinweis auf einen von vielen Gegenbeweisen: In
http://www.sprachlog.de/2021/06/18/funktioniert-das-gendersternchen-und-wie/
wird eine betreffende Studie explizit erwähnt, sie ist via Researchgate zu finden.

Ihre Bemerkung "Wenn ich sage, "ich gehe zum Bäcker", so denke ich an Frauen. Ganz einfach, weil es so selten ist, dass mir Männer Gebäck verkaufen." lässt außer Acht, dass ein Bäcker recht selten Gebäck verkauft, das tut nämlich in der gefühlt überwiegenden Zahl der Fälle die Bäckereifachverkäuferin. Da sind Sie selbst in die Falle getappt, die man sehr schön am bekannten Beispiel nachspielen kann, welches hier zitiert ist:
https://sciencev1.orf.at/science/news/151120

Der Hinweis "Und nicht zuletzt ist "die" vermeintlich gendergerechte und alle inkludierende Sprache äußerst exkludierend aufgrund der Unmöglichkeit ihrer Vermittlung." ist einerseits pauschalisierend, zum zweiten Whataboutism [1] und drittens in Teilen falsch.

Ich bin kein Weltmeister im Gendern, ich mache sehr viele Fehler und bemühe mich dazuzulernen. Aber eine herbeigeredete "Tradition in der Sprache" ist für mich doch schon sehr weit hergeholt, wenn doch Sprache an sich ständigen Veränderungen unterliegt. Da verbiege ich mich lieber ein wenig beim aktiven Versuch, Diskriminierungen zu vermeiden, Diversität zu ermöglichen und insofern einfach Menschenfreund zu sein.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Schaarwächter

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Whataboutism

Am 28.06.2021 um 18:17 schrieb Falk Hartwig via InetBib:
Liebe "Bibliotheksmenschen"/"Wissensnavigator*innen"/"Informationsdealer*innen" 
...

vielen Dank auch von mir an Frau Gastinger, die mit offenen Worten einer Debatte 
beitrat, um die es zwar viel Geschrei gibt, die im Grunde aber nicht wirklich 
geführt wird.

"Tradition sollte im Jahr 2021 nicht mehr als ausreichender Grund gelten, das generische 
Maskulinum beizubehalten. Unsere Welt war schon immer diverser.", heißt es im 
Petitionstext.

Auch wenn es in der Petition nicht allein um das Thema Gender geht, dennoch eine Bemerkung zum Zitat. Das sogenannte "generische Maskulinum" bezieht sich allein auf das grammatische Geschlecht. Dieses ist im Deutschen 
eine besonders schwierige Angelegenheit. Dass Berufsbezeichnungen i.d.R. im Plural das männliche Genus verwenden, mag historisch sicher damit zusammenhängen, dass einst so ziemliche alle Berufe Männern vorbehalten 
waren. Allerdings ist die Behauptung, das generische Maskulinum lasse allein an Männer denken, eine unbewiesene. Fragen Sie auf der Straße Leute, ob diese beim Wort "Bibliothekare" Frauen oder Männer vor 
sich sehen. Im Falle dieses heute so weiblich dominierten Berufes (die Leitung sieht der Nutzer i.d.R. ja nicht) bin ich mir sicher, dass die meisten der so gefragten an Frauen denken. (Vorausgesetzt freilich, die Befragten 
können mit dem Wort überhaupt noch etwas anfangen; kennen diesen Beruf noch) Und prüfen wir es doch einmal bei uns selbst. Wird unsere Vorstellung von der sprachlichen Bezeichnung bestimmt, oder davon, wie wir die 
soziale Realität kennen? Wenn ich sage, "ich gehe zum Bäcker", so denke ich an Frauen. Ganz einfach, weil es so selten ist, dass mir Männer Gebäck verkaufen. Höre ich Ingenieur, denke ich an 
Männer, da dieser Berufsstand immer noch männlich dominiert ist. In manchen Fällen ist es sicher unentschieden. Musiker etwa. Aber dafür gibt es ja die schlichte Selbstverständlichkeit, die jeder und 
jeder (eigentlich) in der Schule lernt: Dass der Plural von Musiker eben auch "Musiker" ist, oder "Musikerinnen", sofern es sich eben nicht um eine geschlechtlich gemischte oder männliche Gruppe handelt.

Eines der Hauptargumente für das Gendern und inklusive Sprache ist, dass Sprache das Denken forme. Nur 
stimmt das überhaupt nicht. Nur ein Beispiel von zahlreichen möglichen: Wollen wir etwa 
englischsprechenden Menschen erklären, sie könnten sich in den meisten Berufen oder 
Tätigkeiten keine Frauen bzw. das weibliche Geschlecht vorstellen?

Und nicht zuletzt ist "die" vermeintlich gendergerechte und alle inkludierende Sprache äußerst 
exkludierend aufgrund der Unmöglichkeit ihrer Vermittlung. Für Menschen mit Lernschwierigkeiten, für Blinde, 
für Deutsch lernende Ausländer ... Ganz zu zu schweigen von den allgemeinbildenden Schulen.


Beste Grüße,
Falk Hartwig



-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Krieser, Angelika via InetBib [mailto:inetbib@xxxxxxxxxx]
Gesendet: Montag, 28. Juni 2021 17:26
An: inetbib@xxxxxxxxxx
Betreff: Re: [InetBib] Zeitgemäßer Name für den "Bibliothekar"tag


Liebe Runde,


zum Problem 1:

Auch wenn unser schöner Beruf heute am treffendsten wohl mit "Wissennavigatorin" bzw. "Wissensnavigator" bezeichnet werden könnte, 
spricht viel dafür, die Benennung "Bibliothekar/Bibliothekarin" beizubehalten. Bibliotheken und das entsprechende Personal gibt es schließlich 
seit Jahrtausenden und  dieser Begriff ist der Öffentlichkeit bekannt und vertraut. Die Grundaufgabe, Wissen zu speichern und interessierten Menschen bei 
Bedarf zur Verfügung zu stellen, hat sich seitdem ja auch angesichts der neuen virtuellen Welt(en) nicht geändert. Und Bücher dürften in den 
allermeisten Bibliotheken auch noch in Zukunft zu finden sein. 😊


zum Problem 2:

In gendergerechter Sprache müssten wir heute tatsächlich vom "Bibliothekar*innentag" reden. Korrekt, aber nicht 
sonderlich schön, weder in schriftlicher noch in mündlicher Rede. Falls der gute alte Bibliothekartag tatsächlich so 
viel Bauchgrimmen bereitet, könnte man auch ganz einfach zum "Bibliothekstag" umschwenken. Der wäre aber nicht 
unbedingt mein Favorit ...

Viele Grüße aus Berlin

Angelika Krieser


   [cid:0ca2361d-11ad-4f01-a632-63638a106419]

Angelika Krieser

Bibliothek für Sozialwissenschaften und Osteuropastudien

Fachreferatsassistenz

Garystaße 55

14195 Berlin

Tel.: +49-30-838-52859

E-Mail: angelika.krieser@xxxxxxxxxxxx<mailto:angelika.krieser@xxxxxxxxxxxx>

URL: https://www.polsoz.fu-berlin.de/bibliothek/index.html



________________________________
Von: InetBib <inetbib-bounces@xxxxxxxxxx> im Auftrag von Armin Stephan via InetBib 
<inetbib@xxxxxxxxxx>
Gesendet: Montag, 28. Juni 2021 15:49
An: INETBIB
Betreff: Re: [InetBib] Zeitgemäßer Name für den "Bibliothekar"tag

Liebe Frau Sachse,

ich stimme Ihnen zu: Es geht nicht darum, einer Mehrheit gerecht zu werden. Es geht darum, eine 
"ungerechtfertigte sprachliche Einseitigkeit" zu beenden, weil Worte immer mehr sind als 
ein abstrakter neutraler Zeichencode. Sie machen unser Denken und unsere Vorstellungswelt sichtbar. 
Sie sind also ganz schön verräterisch, diese Dinger ... ;-)

Ich oute mich jetzt mal ein wenig: Vor die Wahl gestellt zwischen "Bibliothekartag" und 
"Bibliothekarinnentag" würde ich mich inzwischen für die weibliche Form entscheiden, weil ich es 
nur fair fände, wenn nach hundert Jahren maskuliner Benennung jetzt mal hundert Jahre die feminine Benennung 
verwendet würde.



Am 28.06.2021 um 10:45 schrieb Jacqueline Sachse via InetBib:
Lieber Herr Stephan, liebe Frau Wirsing,

wie Herr Stephan begrüße ich die Petition und das Anliegen einer
gendergerechten Sprache. Hierfür sind die Geschlechterverhältnisse
unter den Beschäftigten meiner Meinung nach aber irrelevant. Nach der
Logik würde am Ende noch das Argument aufgebracht, es solle eigentlich
Bibliothekarinnentag heißen. Es geht aber nicht primär darum, einer
Mehrheit gerecht zu werden oder die "Wirklichkeit" abzubilden, sondern
allen Menschen - auch potentiell oder zukünftig Zugehörigen - offen zu
sein und sprachlich niemanden von vornherein auszuschließen.

Beste Grüße
Jacqueline Sachse

Am 28.06.2021 um 10:04 schrieb Wirsing, Eva via InetBib:
Lieber Herr Stephan,

auch bei den FaMIs ist der Frauenanteil sehr hoch. 90 Prozent könnte
durchaus auch im mittleren Dienst stimmen. Wir hatten damals nur 5
Jungs in der Berufsschulklasse.

Viele Grüße

Eva Wirsing

Eva Wirsing
Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste / Fachrichtung
Bibliothek




Universitätsbibliothek Eichstätt
Abteilung Benutzung und Service // Abteilung Bestandsentwicklung
Universitätsallee 1, Zimmer 037 (Dienstagvormittag und
Donnerstagnachmittag Zimmer 016)

85072 Eichstätt

Mail: eva.wirsing@xxxxx
Telefon: 08421/93-23079 oder -21488
Internet: http://www.ku.de/bibliothek


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: InetBib <inetbib-bounces@xxxxxxxxxx> Im Auftrag von Armin
Stephan via InetBib
Gesendet: Montag, 28. Juni 2021 09:59
An: INETBIB <INETBIB@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Betreff: Re: [InetBib] Zeitgemäßer Name für den "Bibliothekar"tag

Lieber Herr Schaarwächter,

ein kleines Manko der Petition scheint mir zu sein, dass hier zwei
(berechtigte) Anliegen vermengt werden.

Da ist zum einen die Problematik der nicht gendergerechten Sprache,
die auf der Website der Petition herausgestellt wird. Eine nahezu
erstaunliche Sache. Im gehobenen Dienst dürfte der Frauenanteil
Richtung
90 Prozent tendieren, man könnte inzwischen mit Fug und Recht von
einem "Frauenberuf" sprechen. Und auch im höheren Dienst geht die
Tendenz eindeutig in diese Richtung. (Bei den FAMIs weiß ich es
nicht.) Alternative Benennungen zu finden, die dem gerecht werden,
scheint mir nicht allzu schwierig zu sein. Die Petitionsseite nennt
ja selber einige naheliegende neutrale Bezeichnungen.

Zum anderen gibt es die von Ihnen angesprochene Denkrichtung, dass
der Begriff "Bibliothekar" der Vielgestaltigkeit unseres
Berufsumfeldes nicht mehr gerecht wird, also veraltet ist. Hier
scheint es mir schwieriger, eine passende und griffige
Begriffsalternative zu finden, wie vielleicht der sachlich ja nicht
unzutreffende Begriff "Informationsveranstaltung" zeigt ...

Ich persönlich möchte mit meiner Unterschrift unter die Petition das
erste Anliegen vorbehaltlos unterstützen. Bei dem zweiten Anliegen
fehlt mir noch eine Idee. Nach meiner Beobachtung sind alle
bisherigen Versuche, unseren Beruf und unsere Institution
umzubenennen, zwar vielleicht eine Präzisierung gewesen, zugleich
aber auch "sperrig" und deshalb einer besseren öffentlichen
Wahrnehmung nicht zuträglich.


Am 28.06.2021 um 09:18 schrieb Michael Schaarwächter via InetBib:
Hallo und guten Morgen,

in den ersten 24 Stunden gab es bereits 666 Unterschriften, jetzt
stehen wir kurz vor 1000. Das ist ein großartiger Erfolg, aber jede
weitere Stimme zählt und erhöht die Sichtbarkeit der Aktion.

Haben Sie schon unterschrieben?
https://openpetition.de/!rjbtt

Sie können übrigens beim Unterschreiben auch ankreuzen "Mein Name
soll nicht öffentlich sichtbar sein". Vielen Dank für Ihre und Deine Stimme!

Mit freundlichen Grüßen
Michael Schaarwächter

Am 23.06.2021 um 13:48 schrieb Michael Schaarwächter via InetBib:
Hallo *

"Der 109. Bibliothekartag wurde von Bibliotheksmenschen mit den
unterschiedlichsten beruflichen Hintergründen besucht. Unser
Berufsfeld besteht, entgegen des Titels der Veranstaltung, nicht
nur aus Bibliothekaren. Im Jahr 2021 diese große Konferenz
weiterhin "Bibliothekar"tag zu nennen, ist daher nicht mehr zeitgemäß."

Es wird Zeit, die Graswurzelbewegungen zusammenzufassen. Es wird
Zeit, den Schwung der Diskussion zu nutzen, und eine Petition ist,
wie ich finde, ein guter Weg, um ein Meinungsbild einzuholen.

Bitte mitzeichnen:
https://openpetition.de/!rjbtt

"Wir sind und können Vielfalt.
Lasst es uns gemeinsam beweisen!"

Vielen Dank für Ihre und Deine Stimme!

Mit freundlichen Grüßen
Michael Schaarwächter

--

Mit freundlichen Gruessen
*Armin Stephan*
/Jefe de Biblioteca/
Augustana-Hochschule / Bibliothek
Waldstr. 15
*D-91564 Neuendettelsau*
Tel. 09874/509-300
|
|      ,__o
|    _-\_<,
|   (*)/'(*)


--
  Michael Schaarwächter
  https://www.schaarwaechter.de

Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.