[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

[InetBib] Re2: Open Access



Sehr geehrter Herr Pampel,

Sie haben Recht, es gibt weitere Geschaeftsmodelle, die derzeit auch fuer
Autoren guenstig sind. Ich habe verkuerzt und kenne bestimmt nicht den
gesamten Markt. Auch das Modell OA-gruen der Verlage habe ich bereits
genutzt. Mein Blickwinkel ist persoenliche Erfahrung mit den Phaenomenen.

Mein Punkt als Informatiker ist, dass jede Datenhaltung und jedes darauf
aufbauende Informations- und Angebotssystem ueber die elektronischen Wege
doch laufend (!) Geld kostet. Und das muss der Anbieter der
OA-Publikationen aufbringen. Irgendwie scheint mir dieser Aspekt ueber der
Freude ueber die freie Datennutzung mitunter ausgeblendet zu werden.

Als publizierender Wissenschaftler, Mathematiker in meinem Fall, muss ich
danach schauen, ob z.B. die Mathematical Reviews / Zentralblatt fuer
Mathematik das zu waehlende Journal Cover-to-Cover reviewen, alternativ
zumindest die Abstracts wiedergeben. Sonst wird die Publikation nur
kurzzeitig wahrgenommen.
Danach ist die freie Zirkulation von PDF-Kopien an FachkollegInnen fuer
mich wichtig, wobei die Bereitstellung auf dem "Facebook fuer
Wissenschaftler" in letzter Zeit am besten zur Wissensverbreitung und
Wissensnachnutzung beitraegt. Frueher war es arxiv.org in der
Preprint-Phase, ist es auch heute noch ein gutes Stueck trotz veralteter
Suchmasken.
Da ist das Kriterium "OA - ja oder nein" nicht das oberste Kriterium, wenn
auch fuer mich bedenkenswert.

Publikationsgebuehren sponsorn lassen (DFG etc.): Was macht ein Master und
Doktorand in seinen ersten Jahren der Promotionsphase, in denen er als
wiss. Noname schnell und mit hoher Reichweite und mit fachlicher
Reputation des publizierenden Organs 2-4 Publikationen unterbringen muss,
z.B. fuer eine kumulative Promotion? Ich halte Fonds zur Unterstuetzung
wiss. Publikationen mit Geldsummen in Hoehe von 1-2
Doktorandenmonatsgehaeltern dann nur fuer bedingt geeignet und
aussichtsreich, was sicher noch mehrere Facetten hat (wiss. Anerkennung in
der Promotion z.B., auch bei Peer-Review). Und OA allein garantiert noch
keine Reichweiten, um fuer die naechste Anstellung vernetzt genug zu sein.
Ein weiteres Argument fuer junge, produktive Wissenschaftler ist, dass das
Organ, in dem er/sie publiziert, mindestens noch 10-15 Jahre auffindbar
sein muss, bis er/sie eine Dauerstellung erreicht hat.

Soweit meine Gedanken zu Ihren Gedanken und Argumenten. Danke fuer die
Quellenangaben, ich sehe sie mir in einer naechsten Arbeitsverschnaufpause
an.

Mit freundlichen Gruessen
Michael Frank.
------------------------------

Am Fr, 18.09.2015, 09:31 schrieb Heinz Pampel:
Sehr geehrter Herr Frank,


Ihre Definition von Open Access als Geschäftsmodell ist mir etwas zu
knapp:


Open Access bedeutet nicht automatisch "die Initialkosten und die
Dauerdatenhaltungskosten von den AutorInnen zu nehmen". Etwa 70 % der im
Directory of Open Access Journals (DOAJ) gelisteten Zeitschriften erheben
keine Publikationsgebühren [1, 2]. Es gibt eine Vielzahl von
Open-Access-Zeitschriften die in akademischer Trägerschaft betrieben
werden. Fallen Publikationsgebühren an werden diese durch
wissenschaftliche Einrichtungen oder Förderorganisationen übernommen. So
stellt z. B. die Europäische Kommission, in ihrer Rolle als
Förderorganisation, im Rahmen von Horizon 2020 Mittel für
Open-Access-Publikationsgebühren bereit [3].
Darüber hinaus lassen Sie Open-Access-Grün unerwähnt.


Viele Grüße


Heinz Pampel


[1]  Morrison, H., Salhab, J., Calvé-Genest, A., & Horava, T. (2015).
Open Access Article Processing Charges: DOAJ Survey May 2014.
Publications, 3(1), 1?16. http://doi.org/10.3390/publications3010001
[2] Suber, P. (2015). How many peer-reviewed OA journals charge
publication fees? Google+, 11.05.2015.
https://plus.google.com/+PeterSuber/posts/Cqv4oq3LuFr (Zugriff:
18.09.2015)
[3] European Commisson. (2013). Guidelines on Open Access to Scientific
Publications and Research Data in Horizon 2020.
http://ec.europa.eu/research/participants/data/ref/h2020/grants_manual/hi
/oa_pilot/h2020-hi-oa-pilot-guide_en.pdf (Zugriff: 18.09.2015)


Am 17.09.2015 um 17:52 schrieb michael.frank@xxxxxxxxxxxxxxx:


Sehr geehrter Kollege,
Sehr geehrte Kollegin,


da Open Access bedeutet, die Initialkosten und die
Dauerdatenhaltungskosten von den AutorInnen zu nehmen, ist es ein
Geschaeftsmodell. Es ist nicht verboten, als UnternehmerIn taetig zu
werden und fuer sein Geschaeft zu werben. (Das ist wie in Rom: Bei
schoenem Wetter "Selfie,selfie!", bei Regen "Umbrella? Umbrella?".)

Nach der Wende 1990 wurde mir einmal erzaehlt, die Auflage eines
verlagsgebundenen neuen Journals haette eine Rentabilitaetsschranke von
150 verkauften Exemplaren je Auflage - damals fast ausschliesslich an
Bibliotheken. (Das kam aus dem Umfeld der UEbernahme der Zeitschrift
fuer Analysis und ihre Anwendungen, Uni Leipzig, durch einen
Unternehmer, der
mehrere Zeitschriften uebernahm und laengere Zeit fuehrte. Aber nicht
von ihm.)

Ihre Beobachtung zur immer knapperen Zeit zum Lesen gehe ich mit. Das
ist aber nicht neu als Erscheinung. 1990 wurde in der Mathematik nur
noch jeder 7. Fachartikel in Journalen jemals woanders wieder zitiert -
und Mathematik ist ein Gebaeude von Ideen, weniger eine Diskussion mit
verschiedenen Meinungen. (Die Zahl ist mir aus Gespraechen in Erinnerung
 und hatte mich damals als junger Wissenschaftler stark beeindruckt.
Wer
publiziert schon 6 Artikel von 7 gern fuer die runde Ablage. Eine exakte
 Quelle kenne ich nicht. - Bei mir persoenlich ging es deutlich
guenstiger aus.)

Drittmitteleinwerbung wird m.E. erst dann interessant, wenn man
promoviert ist. Und auch dann bekommt man diese nicht ohne Nachweis der
wiss. Publikation(en). (Der Fall Schneider als Bauunternehmer in Leipzig
und anderswo war an die Zeit gebunden. Geworbene Drittmittel generieren
nicht automatisch noch mehr Drittmittel. Es ist ein harter Kampf um
jedes Projekt.)


Soweit meine paar abendlichen Gedanken am Rande des OEsterr.
Bibliothekartags. Wir wollten ja diskutieren ... ;-)


Mit freundlichen Gruessen
Michael Frank. (kein Troll)
------------------------------------



Am Do, 17.09.2015, 17:19 schrieb h0228kdm:

Darf ich fragen, ob hier in INETBIB noch mehr Teilnehmer den Eindruck
 haben, dass die Open Access Entwicklung immer mehr dahingehend
missbraucht wird, dass Internetteilnehmer aufgefordert werden,
Beiträge zu irgend
welchen Zeitschriften mit xxx Impact Factor, Peer Reviewed und indexed
in yyy zu liefern. Ich bekomme solche Angebote inzwischen fast
täglich, und werde das Gefühl nicht los, dass diese Entwicklung für
einige Verlage ein lukratives Geschäft geworden ist.

Ich weiß allerdings noch nicht, ob dies ein systematischer Versuch
von professionellen Trollen ist, die Open Access Entwicklung zu
torpedieren, oder ob immer mehr Trittbrettfahrer ein für sie neues
Geschäftsmodell
entdeckt haben.

Da die Publikationen in solchen Zeitschriften ja Peer Reviewed sind,
konnte ich bislang noch nicht feststellen, dass die Publikationen
dieser Zeitschriften so viel anders sind, als das, was mich auch in
vielen anderen Zeitschriften nicht wirklich interessiert ;-)

Übrigens habe ich auch den Eindruck, dass nicht nur in INETBIB die
Diskussionsfreude abgenommen hat, auch gängige Zeitschriften werden
immer weniger wirklich gelesen und kritisch hinterfragt. 1. Weil es
immer mehr Angebote gibt, für die niemand mehr die Zeit hat, sie
wirklich zu lesen. 2. Weil immer mehr Zeitschriften missbraucht werden
um Werbung zu transportieren. 3. Scheint es so zu sein, dass die Zahl
an Publikationen für das berufliche Fortkommen langsam an Bedeutung
verliert, während die Einwerbung von Drittmitteln an Bedeutung
gewinnt. 4. Könnten einige Bibliotheken nicht die wichtigsten
Zeitschriften
abbestellen, wenn deren Bedeutung nicht langsam abnimmt.

Außer dem Heer an Berufstrollen (Troll-Armee, u.a.) und Lobbyistn
wird immer seltener fachlich ernst diskutiert. So frage ich mich
zunehmend, was Bibliothekare heute lernen müssen, wenn der Trend zu
den Makerspaces in Bibliotheken zunimmt.

MfG



Walther Umstätter




Am 2015-09-17 15:15, schrieb markus schnalke:


Hallo.



[2015-09-17 15:02] Michael Schaarwächter
<Michael.Schaarwaechter@xxxxxxxxxxxxxxxxx>



danke für die erneute Anregung, über die Zukunft der Liste
nachzudenken. Die Stellenanzeigen in InetBib sind sicher nicht
das einzige, was diese Liste trägt, aber sie sind schon zu einem
wesentlichen Anteil geworden.

Hier eine kleine Auswertung meines Archives seit:



$ scan f -form '=%{date}'
Wed, 7 Nov 2012 17:25:00 +0100



Insgesamt:



$ folder
l/inetbib+ has 7563 messages  (1-7565); cur=7565

Und hier die Anzahl der Stellenanzeigen/Stellenausschreibungen/
Stellenangebot und Ausbildungen (ohne die Antworten darauf):



$ scan | egrep -i 'stellena|ausbildung' |
egrep -vi 're:|aw:' | wc -l 2152



Das sind rund 28 Prozent.




(In den letzten 365 Tagen waren es 823 von 2551 und damit rund
32%.)




markus schnalke

--
http://www.inetbib.de





--
http://www.inetbib.de


--
http://www.inetbib.de




-- 
http://www.inetbib.de


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.