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Re: [InetBib] Stellenausschreibung Universitätsbibliothek Heidelberg - Informatiker/in



Lieber Herr Schnalke, 
wir finden hier eine Ausschreibung, die wie ich meine auch politisch überhaupt 
nicht "doof" ist. In der Tat haben wir nämlich im Bibliothekswesen mittlerweile 
fundierte IT-Bedarfe. Ob hierfür ein Bibliothekar mit guten IT-Kenntnissen oder 
ein IT-ler mit der Qualifikation, sich bibliothekarische Bedarfe vorzustellen 
"besser passt", ist eine Frage der genauen Analyse der Funktionsinhalte der 
Stelle und der Menge der hier zu bündelnden Prozesse und Aufgaben. Bei einer 
großen UB wie Heidelberg dürfte eine Begründung in dieser Frage wohl kaum 
schwer fallen. Zudem muss man immer wieder feststellen, dass man als gut 
"it-weitergebildeter" Bibliothekar bei der rasanten Veränderung der Systeme 
zuweilen an seine Grenzen stößt. Ich selber bin noch mit Kommandosprachen, 
puristischen Programmiersprachen etc. "aufgewachsen" und kann davon nur nur 
Strukturen verwenden... 

Nirgendwo steht eigentlich, dass Bibliotheken nur Bibliothekare einstellen 
dürfen. .. dennoch traute man sich das bisher sehr selten. Das gleiche Problem 
haben wir im juristischen Bereich, bzgl. Urheberrecht, Lizenverhandlungen, 
Verträgen, Vegabeverfahren, Datenschutz, zuweilen müssen hier Bibliothekare ein 
Multitalent an den Tag legen (was sie häufig auch schaffen!), das übrigens auch 
nicht immer adäquat bezahlt wird, das zeitlich gar nicht mehr zu schaffen ist, 
weil praktisch jedes dieser Themen eine gewisse Fokussierung verlangt. 
Wenn man verständige Partner in der IT oder dem Justitiariat hat, auf die man 
dann zurückgreifen kann, ist das super... 

Umgekehrt wäre der Schluss ebenso falsch, man brauche keine klassischen 
Bibliothekare mehr, vom Fachreferat bis zu den einzelnen Bereichen unserer 
Geschäftsgänge .Katalogisieren z. B. ist heute Metadatenhandling vom Feinsten 
und nicht "überholt" Wir haben auch in der heutigen Bibliothekswelt per se  
sehr IT-bezogene Thematiken, z. B. bei der Erschließung und bei 
Nutzerinterfaces etc.
Insgesamt muss man leider sagen, dass auch Informatiker - gerade weil 
qualifiziert und damit bitte auch zu bezahlen - von Arbeitslosigkeit betroffen 
sind, nicht nur Bibliothekare. Der allgemeinen Unlust, qualifizierte 
Mitarbeiter nicht mehr zu bezahlen, treten wir am besten gemeinsam entgegen. 
Die ausgeschriebene Stelle ist immerhin mit E 13 im h.D., da habe ich schon 
Anderes gesehen.. 
Freundliche Grüße und ein schönes Wochenende
A. Kustos

________________________________________
Von: Inetbib [inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx]" im Auftrag von 
"markus schnalke [meillo@xxxxxxxxxx]
Gesendet: Freitag, 24. April 2015 09:56
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib]  Stellenausschreibung Universitätsbibliothek Heidelberg 
- Informatiker/in

[2015-04-23 17:04] Sabine Antz <Antz@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx>

gerne möchte ich Sie auf das folgende Stellenangebot aufmerksam machen:

Die Universitätsbibliothek Heidelberg sucht zum nächstmöglichen
Zeitpunkt eine/n

Informatikerin/Informatiker (Kennz.: 3/15)

Nähere Informationen zur Stellenausschreibung finden Sie direkt
unter:http://adb.zuv.uni-heidelberg.de:8888/info/INFO_FDB$.startup?MODUL=LS&M1=1&M2=0&M3=0&PRO=17761

Aus der Stellenausschreibung:

Erwartet werden:

- ein abgeschlossenes Hochschulstudium der Informatik oder eine
  vergleichbare Qualifikation,
- Vertrautheit mit Beschreibungssprachen und Metadatenstandards in
  XML (TEI, OAI-PMH) sowie damit verbundenen Techniken, wie XSLT
  und Xquery,
- fundierte Kenntnisse von aktuellen Webtechnologien und Erfahrung
  mit Webentwicklung,
- versierter Umgang mit relationalen Datenbanken, XML-Datenbanken
  und Suchmaschinentechnologie,
- fundierte Kenntnisse in den Programmiersprache Java, Python und PHP,
- ausgeprägte Teamfähigkeit und einschlägige Erfahrungen in der
  Projektarbeit,
- sehr gute Englischkenntnisse


Das sind die *Erwartungen*, nicht die Wuensche, sondern die
Erwartungen. Ich glaube, hier hat man den Begriff verwechselt, denn
solche Erwartungen sind in keiner Weise realistisch. Sie sind
sogar in doppelter Sicht unrealistisch.

Zum einen gibt es Personen die diese Erwartungen erfuellen so gut
wie gar nicht. Wer bitte hat schon fundierte Kenntnisse in gleich
drei umfassenden Programmiersprachen? Und ist dazu auch noch
versiert in zwei Arten von Datenbanken *und* auch noch bei der
Suchmaschinentechnologie? Nebenbei natuerlich auch noch mit speziellen
Metadatenstandards vertraut. ... und nicht zuletzt -- falls es
also tatsaechlich jemanden gaebe, der diese umfassenden und
tiefgreifenden Kenntnisse haette -- dann soll er auch Teamfaehig
sein (also kein Freak)! Das ist sowas von unrealistisch! Das ist
das reinste Wunschbild eines Bewerbers.

Nehmen wir aber an, es gaebe Personen die das alles (zumindest
weitestgehend) bieten koennen ... wer von denen wuerde im
Bibliothekswesen arbeiten, fuer TV-L 13? In der freien Wirtschaft
kann man mit derartigen Kenntnissen doppelt soviel verdienen.
Aber das ist gar nicht mal das Wichtigste. Welcher faehige
Informatiker (der es sich aussuchen kann) wuerde sich gegen
(wirklich, nicht nur schein-)innovative Projekte, gegen Umfelder
die ihn verstehen, gegen coole Programmierschuppen, gegen
Google-Fridays und dergleichen entscheiden ... und das
Bibliothekswesen waehlen? (Ihr habt ja keine Ahnung wie mich
andere Informatiker angeschaut haben, wenn ich denen erzaehlt
habe, dass ich eine Bibliotheksreferendariat mache! Als faehiger
Informatiker in der Bibliothek zu arbeiten ist in der Wahrnehmung
so ziemlich das Unterste was man sich denken kann -- ob zurecht
oder nicht, ist egal, so ist die Wahrnehmung.)

Also, wer sollte sich also auf so eine Stellenausschreibung
bewerben? (Ich wuerde es mich schon gar nicht trauen, weil ich
mich hoffnungslos ungeeignet empfinden wuerde (und das geht
sicher vielen Informatikern so, da diese tendenziell eher
schuechterne Nerds und weniger die grossen Selbstmarketingexperten
sind).) Mir faellt nur eine Gruppe ein, die fuer diese
Stellenausschreibung passen wuerde: Die momentan fuehrenden
Personen in der Bibliotheks-IT! Aber wuerden sich Leiter oder
wichtigste Mitarbeiter von IT-Abteilungen von innovativen
Bibliotheken bewerben? Nein.


Fazit: Diese Stellenausschreibung ist nur ein Beispiel fuer
eine Mode, die das Unverstehen und die absurde Einschaetzung
der Lage der Bibliotheken zeigt, und letztlich mehr schadet
als hilft.

Ganz ehrlich: So wird das nie was mit Informatikern in den
Bibliotheken!


markus


P.S.
Es tut mir leid, dass mein Kommentar gerade diese Ausschreibung
zu treffen scheint. Er hat vielmehr die ganze Reihe gleichartiger
Auschreibungen zum Ziel.

--
http://www.inetbib.de

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