Am 10.03.2015 um 09:24 schrieb Oliver Flimm <flimm@xxxxxxxxxxxxxxx>:
Hallo Herr Ulmer,
On Mon, Mar 09, 2015 at 06:08:51PM +0100, Matthias Ulmer wrote:
Die Sorgen um das Wasserzeichen teile ich so nicht. Sie beschreiben
Ängste, die natürlich subjektiv von manchen so empfunden werden
können. Ich empfinde das aber als etwas konstruiert. Die Verfolgung
von Urheberrechtsverletzungen konzentriert sich doch auf ziemlich
eindeutige Fälle (bei Büchern). Wir befassen uns mit den großen
Piraterieportalen. Mir ist bislang kein Fall bekannt, dass jemand
haftbar gemacht wird für den Mißbrauch mit einer entwendeten Datei.
Auch in den Rechtsabteilungen sitzen keine Monster (mit Ausnahme von
Unternehmen, die ihr Leben mit Abmahnungen verschwenden).
als Prognose fuer die Entwicklung in Europa hat sich in der
Vergangenheit der Blick in die USA oft als hilfreich erwiesen, wenn
das Ausmass hierzulande ueblicherweise doch geringer ausfaellt. Aber
das kann sich im Zuge von TIPP ja auch noch aendern. Und da die
Buch-Industrie - nach meiner Beobachtung - in Vielerlei Hinsicht auf
den Pfaden der Musik- und Filmindustrie wandelt (Probleme, Fehler,
Strategien), laeuft letztlich alles dann doch unter dem Stichpunkt
'Urheberrecht'.
In den USA ist es nun einmal so, dass Urheberrechtsverletzungen mit
einer finanziellen Todesstrafe geahndet werden. Die einschlaegigen
Urteile bei Tauschboersen-Nutzung sprechend da eine ganz eindeutige
Sprache. Oder wer koennte sich - 1:1 uebertragen auf Europa - in
seinem Rest-Leben aus einer 200.000 - 800.000 EUR Schuldenschlinge
selbst befreien. Allein die Zinsen brechen einem das Genick.
Natuerlich sind das Einzelfaelle, aber die Gesetzgebung geht hier wie
dort ganz klar in Richtung Restriktion und Abschreckung.
Und ein Rechtsstreit respektive das Abgeben einer lebenslang gueltigen
Unterlassungserklaerung bei einem der hiesigen Abmahnanwaelte ist auch
nicht wirklich lustig.
Zum Freischaltcode: das ist ja unser Bundle-Problem: einige Verlage
haben das Printbuch mit kostenlosem E-Book verkauft. Jetzt hat das
Finanzministerium seine Entscheidungen zur Bundle-Besteuerung
herausgebracht. Das heißt, auch wenn kein Preis für das zusätzliche
E-Book ausgewiesen ist, muss der Buchhändler an der Ladenkasse den
E-Book-Anteil am Gesamtwert beziffern und mit dem vollen MwSt Satz
verbuchen und den Restwert des Ladenpreises mit dem reduzierten Satz.
Damit das überhaupt funktioniert, muss jetzt jeder Verlag, der je ein
Bundle angeboten hat für alle Titel E-Book-Wertanteile irgendwo
nachmelden, damit das einheitlich verbucht werden kann. Das ist ein
gigantischer Aufwand, die Steuerbelastung des Buches steigt und Handel
und Verlag hassen jetzt Bundles. Soweit ich das übersehe werden sie
bei den meisten Verlagen im Moment abgeschafft.
Danke fuer diese Hintergrund-Information. Mir war nicht bewusst, dass
die Probleme hierher ruehren.
Noch ein letztes: Bei einem gedruckten Buch zu 19,90 Euro LP beträgt
bei uns der E-Book Preis 14,99 Euro. Die Kosten für
Druck/Papier/Bindung pro Exemplar liegen bei rund 2 Euro. Wenn Sie
also 19,90 weniger 7% macht 18,60 Euro abzüglich 2 Euro ergibt 16,60
Euro Stückerlös. Beim E-Book haben wir 14,99 abzüglich 19% MwSt sind
12,60 Euro. Die Verlage geben also bereits heute mit dem Nachlass von
25% aufs E-Book mehr an den Leser weiter, als aus den Kosten heraus
gerechtfertigt wäre.
Die Zahlen zu den Stueckerloesen sind interessant. Allerdings koennte
ich mir denken, dass der Stueckerloes zwar geringer ist, im Gegenzug
aber absolut gesehen mehr E-Books verkauft werden - wegen der bekannten
Nutzungseinschraenkungen. Liegen hierzu irgendwelche Zahlen vor, die
das bestaetigen oder widerlegen?
Ebenso hat der Verkaufspreis einen Einfluss auf die Zahl der
Verkaeufe. Die einzigen Zahlen, die ich hierzu kenne, sind die des
letztjaehrigen Verleger-Streits mit Amazon. Und die belegten, dass der
Gesamterloes eines E-Book steigt, wenn sein Preis sinkt. Ueber die
Belastbarkeit dieser Zahlen von Amazon kann ich natuerlich keine
Aussage treffen, gehe aber davon aus, dass sie schon stimmen koennten -
schliesslich wuerde Amazon selbst davon profitieren.
Iche sehe es ja bei meinem Kaufverhalten. Wenn ein E-Book bei Amazon
3,99 EUR kostet, es gute Reviews hat und mich thematisch interessiert,
dann denke ich beim Kauf nicht lange nach. Kostet es zwischen 5 und 10
EUR muesste es schon etwas ganz tolles sein, bei 10 - 15 EUR und mehr
ist der Kauf fuer mich gestorben. Das teuerste jemals von mir gekaufte
E-Book lag bei 6,50 EUR - wie gesagt, fast ausnahmslos englische
Buecher.
Und gerade bei den preiswerten E-Books finden sich qualitativ
hochwertige Werke, die deutlich besser sind, als vieles, was ich aus
etablierten Verlagen gelesen habe, z.B. die Silo-Serie (Wool, Shift
und Dust) von Hugh Howey.
Im Bereich Belletristik wird Kindle-Direct-Publishing sicherlich fuer
viele Verleger zukuenftig ein Problem werden.
Und auch die Kosten der Auslieferung und „Lagerung“ sind bei E-Books
leider nicht niedriger. Das wird in ein paar Jahren so sein, aktuell
ist das aber weiterhin ein Geschäft mit hohen Investitionen und
geringen Erlösen.
Da stimme ich Ihnen absolut zu. Der Unterhalt der Infrastruktur bei
Amazon und sicher auch bei Tolino ist nicht billig. Einmal
eingerichtet duerften die Kosten jedoch nicht sonderlich von der Zahl
der dort bereitgehaltenen E-Books abhaengen. Insofern sind alle
Anbieter gleichermassen daran interessiert eine moeglichst gute
Auslastung zu haben.
Gruss
O. Flimm
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