Am 09.03.2015 um 15:31 schrieb Oliver Flimm <flimm@xxxxxxxxxxxxxxx>:
Hallo Herr Ulmer,
On Mon, Mar 09, 2015 at 12:30:35PM +0100, Matthias Ulmer wrote:
Zu DRM: der Buchhandel fordert die Abschaffung, sehr viele Verlage
wollen das auch oder haben es schon gemacht. Etliche Auslieferungen
sind leider noch nicht in der Lage ein Wasserzeichen anzubieten, das
sollte bis Jahresmitte erledigt sein. In der Belletristik gib es viele
Agenten, die im Namen ihrer Autoren DRM vertraglich fordern. Das
bremst die großen Publikumsverlage etwas aus. Im April wird es dazu
Verbandsdiskussionen geben und ich hoffe, dass im Laufe des Sommers
eingies in Bewegung gerät.
vielen Dank fuer die - wieder einmal - sehr differenzierte Darstellung
aus Verlagssicht. Leider geht nicht jeder Verleger so offensiv mit
diesem heiklen Thema um...
Zum Thema DRM und Wasserzeichen:
1) Hartes DRM (Kopierschutz) ist nicht nur eine gravierende
Nutzungseinschraenkung fuer den ehrlichen Kaeufer, sondern letztlich
auch ein Problem fuer den Buchhandel und damit fuer die Verleger.
Durch DRM - in Adobes walled-epub-garden auf der einen Seite, in
Amazons walled-azw-garden auf der anderen Seite, wird der Markt
unnoetig fragmentiert. Ein Einreissen der Zaeune zwischen diesen
Welten ist 'dank DRM' nicht moeglich.
Das wesentliche Problem fuer den Buchhandel ist im e-Book-Bereich
(jenseits des normalen Wettbewerbs) eben gerade nicht Amazon, sondern
das DRM. Gaebe es dass nicht, koennte der Buchhandel z.B. sofort von
der weiten Verbreitung Amazons Kindle-Reader profitieren -
Konvertierungsprogrammen ala Calibre sei dank.
Einige Anbieter, wie z.B. O'Reilly oder die Humble Book Bundles,
bieten ihre Buecher sofort kundenfreundlich in epub, pdf, daisy und
mobi (fuer Kindles) an. Auch koennte man die E-Books dann automatisch
unter beliebigen Betriebssystemen - wie in meinem Fall Linux -
problemlos nutzen.
Was den Widerwillen einiger Autoren angeht, auf DRM zu verzichten,
so frage ich mich natuerlich, woher das kommt.
Koennte es sein, dass der Autor - woher auf immer - automatisch die
Gleichung vor Augen hat: Kein DRM = Piraterie = noch weniger
Einnahmen? Aber stimmt diese Gleichung ueberhaupt? Meine Gegenthese
waere: Jedes Buch ist in einer 'benutzerfreundlicheren'
Piraterie-Version ohnehin im Umlauf. Warum dann noch den ehrlichen
Kaeufer mit DRM bestrafen?
2) Weiches DRM (Wasserzeichen) mag das Problem von 1) aus
Verlegersicht loesen, wirft aus Kaeufersicht aber viel gravierendere
Probleme auf. Zwar kann man dann endlich zwischen beiden Welten - epub
und azw - problemlos wandeln, dennoch wird das Haftungsrisiko komplett
auf den zahlenden Kunden abgewaelzt.
Das mag auf den ersten Blick disziplinierend wirken, was eine bewusste
Weitergabe in einschlaegigen Piraterie-Plattformen angeht, bedeutet
aber eben auch, dass man ein lebenslanges Versprechen abgibt, dass
niemand hinter seinem Ruecken sich der Inhalte bedient und sie dann
irgendwie den Weg in die 'Freiheit' finden.
Im Zuge von Viren, Trojanern, Computereinbruechen (z.B. durch
WLAN-Angriffe) kann aber kein Kaeufer guten Gewissens ein solches
lebenslanges Versprechen abgeben - auch wenn er sich selbst daran
halten wird. Hat die Datei einmal den Rechner hinter seinem Ruecken
verlassen ist er dran und die Abmahnanwaelte reiben sich schon die
Haende.
Ich gehe davon aus, dass dieses Risiko nur den wenigsten Kaeufern
bewusst ist - wenn Strafen und Streitwerte von den USA zu uns
herueberschwappen, koennte das aber ein ziemliches Problem werden.
Auch hier lacht wieder nur der Bezieher der Piraterie-Version.
Aus diesem Grund kaufe ich z.B. so gut wie keine digitale Musik,
sondern weiterhin (nicht kopiergeschuetzte) CDs. Hartes DRM - wenn es
denn funktionieren wuerde, waere dann zumindest die haftungstechnisch
sicherere Variante gegenueber Wasserzeichen.
3) DRM hin oder her, ich sehe ein wesentliches Problem fuer die
Verbreitung von E-Books weiterhin in den Nutzungsbedingungen und vor
allem in der Preisgestaltung (siehe meine vorangegangene Mail und dem
Tenor der bisherigen Diskussion). Es ist kein Zufall, dass ich - bei
mehr als 150 gekauften E-Books - gerade einmal 3 deutschsprachige
besitze, sorry, lizensiert habe. Mein Lieblingsbeispiel ist hier die 5
baendige Serie von 'Game of Thrones' in der deutschen und der
englischen E-Book-Variante: 121 EUR vs. 22,50 EUR
Ein weiterer Punkt waere die Nutzerfreundlichkeit der jeweiligen
Verkaufsplattformen. Hier gab es sehr sehr lange keine wirkliche
Alternative zu Amazon und seinem Kindle.
- Sehr gute Qualitaet der E-Book-Reader und perfekte Integration des
Shops
- Einmal gekauft, sofort auf E-Book-Reader, Smartphone, Tablet
verfuegbar,
- problemloses Einbringen eigener Inhalte (z.B. Webseiten),
- beliebig oft abrufbar, weil personifiziert in der Amazon-Cloud
abgespeichert,
- Familienbibliothek = Teilen der gekauften E-Books zwischen Eltern
und Kindern
Warum sollte ich mich bei der Wahl meines Verkaeufers mit weniger
abfinden, z.B. ein mit Adobes epub-DRM vernageltes Buch nach dem Kauf
lediglich begrenzt oft herunterladen zu duerfen?
Lange Rede, kurzer Sinn: Verlage und Buchhandel haben zu lange keine
kundenfreundlichen Angebote gemacht.
Als zahlendem Kunden koennten mir diese Fehler eigentlich egal sein,
muesste ich nicht selbst darunter leiden.
Wie waere es z.B. jedem gedruckten Buch den Freischaltcode fuer das
zugehoerige DRM-freie (hard wie soft) E-Book mitzugeben? Das ist nicht
wirklich neu, waere aber ein Mehrwert und koennte Buchhandlungen in
der Digitalen Aera wieder etwas aufwerten.
Dies nur als sehr subjektive Einschaetzung der ganzen Problematik.
Gruss
O. Flimm
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