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Re: [InetBib] MwSt und andere Themen



Lieber Herr Flimm,

ich bin kein Freund von DRM im Endkundengeschäft. Aber es spielt für einen 
Fachverlag und Ratgeberverlag eine geringere Rolle als für Publikumsverlage. 
Ich schätze auch den Schaden durch Piraterie für uns als relativ gering ein. 
Aber auch da sieht es bei den Publikumsverlagen ganz anders aus. Insoweit gehe 
ich davon aus, dass die in ihre Überlegungen natürlich auch Gedanken wie die 
von Ihnen genannten einfließen lassen. 

Die Sorgen um das Wasserzeichen teile ich so nicht. Sie beschreiben Ängste, die 
natürlich subjektiv von manchen so empfunden werden können. Ich empfinde das 
aber als etwas konstruiert. Die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen 
konzentriert sich doch auf ziemlich eindeutige Fälle (bei Büchern). Wir 
befassen uns mit den großen Piraterieportalen. Mir ist bislang kein Fall 
bekannt, dass jemand haftbar gemacht wird für den Mißbrauch mit einer 
entwendeten Datei. Auch in den Rechtsabteilungen sitzen keine Monster (mit 
Ausnahme von Unternehmen, die ihr Leben mit Abmahnungen verschwenden).

Auch die Preisdiskussion ist ja so alt wie das E-Book und hat dem bisherigen 
Wachstum nicht geschadet. Im letzten Jahr ist der Durchschnittspreis nach 
meiner Erinnerung gesunken. Wir haben also ein Abflachen der E-Book-Umsatzkurve 
genau zu dem Zeitpunkt, zu dem die Preise leicht gesenkt wurden…
Ich würde momentan aber die Zahlen nicht zu ernst nehmen. Denn die Erhebung 
erfolgt über das Konsumenten-Panel der GfK, also über eine Haushaltsbefragung 
bei 25.000 Haushalten. Ich halte solche Befragungen für so wackelig, dass ich 
wenig darauf geben möchte. In jedem Fall ist eine besserer Datenbasis notwendig 
und auch viel Marktforschung, um die Mechanismen und Entwicklungen besser 
einschätzen zu können.

Zum Freischaltcode: das ist ja unser Bundle-Problem: einige Verlage haben das 
Printbuch mit kostenlosem E-Book verkauft. Jetzt hat das Finanzministerium 
seine Entscheidungen zur Bundle-Besteuerung herausgebracht. Das heißt, auch 
wenn kein Preis für das zusätzliche E-Book ausgewiesen ist, muss der 
Buchhändler an der Ladenkasse den E-Book-Anteil am Gesamtwert beziffern und mit 
dem vollen MwSt Satz verbuchen und den Restwert des Ladenpreises mit dem 
reduzierten Satz. Damit das überhaupt funktioniert, muss jetzt jeder Verlag, 
der je ein Bundle angeboten hat für alle Titel E-Book-Wertanteile irgendwo 
nachmelden, damit das einheitlich verbucht werden kann. Das ist ein 
gigantischer Aufwand, die Steuerbelastung des Buches steigt und Handel und 
Verlag hassen jetzt Bundles. Soweit ich das übersehe werden sie bei den meisten 
Verlagen im Moment abgeschafft.

Noch ein letztes: Bei einem gedruckten Buch zu 19,90 Euro LP beträgt bei uns 
der E-Book Preis 14,99 Euro. Die Kosten für Druck/Papier/Bindung pro Exemplar 
liegen bei rund 2 Euro. Wenn Sie also 19,90 weniger 7% macht 18,60 Euro 
abzüglich 2 Euro ergibt 16,60 Euro Stückerlös. Beim E-Book haben wir 14,99 
abzüglich 19% MwSt sind 12,60 Euro. Die Verlage geben also bereits heute mit 
dem Nachlass von 25% aufs E-Book mehr an den Leser weiter, als aus den Kosten 
heraus gerechtfertigt wäre. 
Und auch die Kosten der Auslieferung und „Lagerung“ sind bei E-Books leider 
nicht niedriger. Das wird in ein paar Jahren so sein, aktuell ist das aber 
weiterhin ein Geschäft mit hohen Investitionen und geringen Erlösen. 

Herzliche Grüße
Matthias Ulmer


_________________________________________________________________
Verlag Eugen Ulmer
Matthias Ulmer
Postfach 700561 - 70574 Stuttgart
Wollgrasweg 41 - 70599 Stuttgart-Hohenheim
Tel: +49 (0)711-4507-164
FAX: +49 (0)711-4507-225
mulmer@xxxxxxxx
www.ulmer.de 


 
Eugen Ulmer KG
Sitz Stuttgart
Registergericht Stuttgart, HRA 581
Geschäftsführer: Matthias Ulmer





Am 09.03.2015 um 15:31 schrieb Oliver Flimm <flimm@xxxxxxxxxxxxxxx>:

Hallo Herr Ulmer,

On Mon, Mar 09, 2015 at 12:30:35PM +0100, Matthias Ulmer wrote:
Zu DRM: der Buchhandel fordert die Abschaffung, sehr viele Verlage
wollen das auch oder haben es schon gemacht. Etliche Auslieferungen
sind leider noch nicht in der Lage ein Wasserzeichen anzubieten, das
sollte bis Jahresmitte erledigt sein. In der Belletristik gib es viele
Agenten, die im Namen ihrer Autoren DRM vertraglich fordern. Das
bremst die großen Publikumsverlage etwas aus. Im April wird es dazu
Verbandsdiskussionen geben und ich hoffe, dass im Laufe des Sommers
eingies in Bewegung gerät.

vielen Dank fuer die - wieder einmal - sehr differenzierte Darstellung
aus Verlagssicht. Leider geht nicht jeder Verleger so offensiv mit
diesem heiklen Thema um...

Zum Thema DRM und Wasserzeichen:

1) Hartes DRM (Kopierschutz) ist nicht nur eine gravierende
Nutzungseinschraenkung fuer den ehrlichen Kaeufer, sondern letztlich
auch ein Problem fuer den Buchhandel und damit fuer die Verleger.

Durch DRM - in Adobes walled-epub-garden auf der einen Seite, in
Amazons walled-azw-garden auf der anderen Seite, wird der Markt
unnoetig fragmentiert. Ein Einreissen der Zaeune zwischen diesen
Welten ist 'dank DRM' nicht moeglich. 

Das wesentliche Problem fuer den Buchhandel ist im e-Book-Bereich
(jenseits des normalen Wettbewerbs) eben gerade nicht Amazon, sondern
das DRM. Gaebe es dass nicht, koennte der Buchhandel z.B. sofort von
der weiten Verbreitung Amazons Kindle-Reader profitieren -
Konvertierungsprogrammen ala Calibre sei dank. 

Einige Anbieter, wie z.B. O'Reilly oder die Humble Book Bundles,
bieten ihre Buecher sofort kundenfreundlich in epub, pdf, daisy und
mobi (fuer Kindles) an. Auch koennte man die E-Books dann automatisch
unter beliebigen Betriebssystemen - wie in meinem Fall Linux -
problemlos nutzen.

Was den Widerwillen einiger Autoren angeht, auf DRM zu verzichten,
so frage ich mich natuerlich, woher das kommt. 

Koennte es sein, dass der Autor - woher auf immer - automatisch die
Gleichung vor Augen hat: Kein DRM = Piraterie = noch weniger
Einnahmen? Aber stimmt diese Gleichung ueberhaupt? Meine Gegenthese
waere: Jedes Buch ist in einer 'benutzerfreundlicheren'
Piraterie-Version ohnehin im Umlauf. Warum dann noch den ehrlichen
Kaeufer mit DRM bestrafen? 

2) Weiches DRM (Wasserzeichen) mag das Problem von 1) aus
Verlegersicht loesen, wirft aus Kaeufersicht aber viel gravierendere
Probleme auf. Zwar kann man dann endlich zwischen beiden Welten - epub
und azw - problemlos wandeln, dennoch wird das Haftungsrisiko komplett
auf den zahlenden Kunden abgewaelzt. 

Das mag auf den ersten Blick disziplinierend wirken, was eine bewusste
Weitergabe in einschlaegigen Piraterie-Plattformen angeht, bedeutet
aber eben auch, dass man ein lebenslanges Versprechen abgibt, dass
niemand hinter seinem Ruecken sich der Inhalte bedient und sie dann
irgendwie den Weg in die 'Freiheit' finden. 

Im Zuge von Viren, Trojanern, Computereinbruechen (z.B. durch
WLAN-Angriffe) kann aber kein Kaeufer guten Gewissens ein solches
lebenslanges Versprechen abgeben - auch wenn er sich selbst daran
halten wird. Hat die Datei einmal den Rechner hinter seinem Ruecken
verlassen ist er dran und die Abmahnanwaelte reiben sich schon die
Haende. 

Ich gehe davon aus, dass dieses Risiko nur den wenigsten Kaeufern
bewusst ist - wenn Strafen und Streitwerte von den USA zu uns
herueberschwappen, koennte das aber ein ziemliches Problem werden.
Auch hier lacht wieder nur der Bezieher der Piraterie-Version.

Aus diesem Grund kaufe ich z.B. so gut wie keine digitale Musik,
sondern weiterhin (nicht kopiergeschuetzte) CDs. Hartes DRM - wenn es
denn funktionieren wuerde, waere dann zumindest die haftungstechnisch
sicherere Variante gegenueber Wasserzeichen.

3) DRM hin oder her, ich sehe ein wesentliches Problem fuer die
Verbreitung von E-Books weiterhin in den Nutzungsbedingungen und vor
allem in der Preisgestaltung (siehe meine vorangegangene Mail und dem
Tenor der bisherigen Diskussion). Es ist kein Zufall, dass ich - bei
mehr als 150 gekauften E-Books - gerade einmal 3 deutschsprachige
besitze, sorry, lizensiert habe. Mein Lieblingsbeispiel ist hier die 5
baendige Serie von 'Game of Thrones' in der deutschen und der
englischen E-Book-Variante: 121 EUR vs. 22,50 EUR

Ein weiterer Punkt waere die Nutzerfreundlichkeit der jeweiligen
Verkaufsplattformen. Hier gab es sehr sehr lange keine wirkliche
Alternative zu Amazon und seinem Kindle. 

- Sehr gute Qualitaet der E-Book-Reader und perfekte Integration des
Shops

- Einmal gekauft, sofort auf E-Book-Reader, Smartphone, Tablet
verfuegbar, 

- problemloses Einbringen eigener Inhalte (z.B. Webseiten), 

- beliebig oft abrufbar, weil personifiziert in der Amazon-Cloud
abgespeichert, 

- Familienbibliothek = Teilen der gekauften E-Books zwischen Eltern
und Kindern

Warum sollte ich mich bei der Wahl meines Verkaeufers mit weniger
abfinden, z.B. ein mit Adobes epub-DRM vernageltes Buch nach dem Kauf
lediglich begrenzt oft herunterladen zu duerfen?

Lange Rede, kurzer Sinn: Verlage und Buchhandel haben zu lange keine
kundenfreundlichen Angebote gemacht.

Als zahlendem Kunden koennten mir diese Fehler eigentlich egal sein,
muesste ich nicht selbst darunter leiden.

Wie waere es z.B. jedem gedruckten Buch den Freischaltcode fuer das
zugehoerige DRM-freie (hard wie soft) E-Book mitzugeben? Das ist nicht
wirklich neu, waere aber ein Mehrwert und koennte Buchhandlungen in
der Digitalen Aera wieder etwas aufwerten.

Dies nur als sehr subjektive Einschaetzung der ganzen Problematik.

Gruss

O. Flimm

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