Hallo liebe inetbib-Leser,die Diskussionsbeiträge um das Thema, weshalb open acces- Publikationen nicht die Publikationen kommerzieller Verlage ersetzen können, sind wirklich interessant. Meine Ansicht dazu ist:
Kommerzielle Verlage sind halt Fachverlage, deren unternehmenswertsteigerndes Wissen in ihren bereits getätigten Publikationen liegt. Größere Verlage, und es gibt ja bekanntlich eine Tendenz zur Konzentration, haben nicht nur ein großes know-how im Vertrieb usw., auch Kundenbetreuung, wie man schon geschrieben hat, sondern auch einen Fundus an Inhalten, und die Nachhaltigkeit scheint bei ihnen gut gewährleistet. Eine eingefahrene Vertriebsstruktur ist auch hinsichtlich neuer digitaler Möglichkeiten recht stabil. Das merkt man auch bezüglich der Nutzung von digital publizierenden Verlagen, deren Produkte meist gar nicht einmal in den "normalen Vertrieb" der Buchhandlungen und der Bibliotheken kommen. Bibliotheken können sich also auch an die eigene Nase fassen, was Offenheit zu modernen digitalen Möglichkeiten der Informationsbeschaffung angeht. Wofür Geld bezahlt wird, das erscheint jedem Kunden eher sein Geld wert zu sein, als wenn man es nicht bezahlen muss. Dieses Prinzip wirkt noch immer vielfach.
Open Access- Träger außerhalb des etablierten Verlagswesens haben es da recht schwer, in kurzer Zeit ähnliches Renommee aufzubauen. Die Dauer der Publikationen muss auch gewährleistet sein. Hierüber fehlen heutzutage noch vielfach Erfahrungswerte im open access-Bereich, welche zu objektiver und weithin sichtbarer Verlässlichkeit auf der Angebotsseite führen könnte. Wieviele Internetseiten wurden inzwischen schon wieder gelöscht, auf die man dachte, für ewig Zugriff zu haben? Manchmal wird Ähnliches in inetbib beklagt. Aber Verlässlichkeit durch Nachhaltigkeit im kostenlosen open access-Bereich kann ja noch kommen, mit den entsprechenden Rahmenbedingungen, die aber ebenfalls verlässlich auf Dauer berechnet sein müssen.
Interessant dürfte die Sparte der open access publizierten Forschungsdaten, den sogenannten Primärdaten sein, auf denen eine GNU-Lizenz bzw. der GNU vergleichbare liegt. Wer lizenzbehaftete Daten in seine eigenen Publikationen einbaut, muss diesen "Verwertungsbedingungen" zugestimmt haben. Nämlich, dass die daraus geschaffenen Daten ebenfalls wieder offen lizenziert werden müssen. Momentan kann aber jeder Kommerzielle open access-Publizierte Daten verwenden wie er will. Und auch jeder Nicht-Kommerzielle, d.h. sie dürfen sie auch zu kommerziellen Publikationen verwenden.
Über den "Dreh" der open-access-Bindung der kostenlos open access gestellten Daten könnte man wiederum mehr open access Publikationen herbei führen. So ähnlich etwa wie es bei Software ist: hat eine Software einen GNU-Status, dann ist die Software, basierend auf dieser Software ebenfalls mit einem GNU-Status zu versehen.
Wer aber aus welchen Gründen auch immer stabile Partner im Verlagswesen haben will (wer? wer nicht?), der will halt auch stabile kommerzielle Verlage, und das heißt: das öffentliche Kulturwesen schiebt die Kohle über die Bibliotheken an das kommerzielle Kulturwesen und deren Vertriebsstrukturen weiter. Es ist das so wie beim Straßenbau: unterm Strich wirkt sich das als indirekte ABM- und Unternehmensförderung zugunsten des Verlagswesens aus. Leider profitieren immer weniger kleinere bis mittelgroße Verlage davon, aufgrund der starken Konzentration in nur ganz wenige Hände.
Das ist aber kein Argument gegen open access Publikationen seitens öffentlicher Einrichtungen. Im Gegenteil: Je zeitlich stabiler solches ist und solche Initiativen sind, umso stärker werden diese Möglichkeiten, das Wissenschaftswissen öffentlich zu positionieren, in Anspruch genommen werden. Das ist meine Meinung. Dazu braucht es Zeit, den Markt zu beobachten. Und das kann ja auch Bibliotheksstellen motivieren, solche verläßlichen o.a.-Strukturen aufzubauen und zu pflegen.
Wer also von den Beteiligten das open access Publizieren und langfristige Vorhalten "für immer" rechtsverbindlich gegenüber jedermann garantiert und auch garantieren kann, vergleichbar lange wie renommierte Verlage die o.a.-Publikationen online zu lassen, der sollte eine gute Stärkung des o.a.-Publizierens herbei führen können.
Kleine Frage zum Schluss: Sind Sie das möglicherweise oder mancher von Ihnen?
Viele freundliche Grüsse K. Zehnder Mitarbeiter in der UB der TU Chemnitz Am 26.10.2014 11:02, schrieb Gerald Langhanke:
Liebe Listenleser, wie eine "konzertierte Aktion" vielleicht aussehen kann und vor allem in welchen aufeinander folgenden Schritten der Wandel hin zu OA geschafft werden kann, zeigt der Blick über den Tellerrand nach Großbritannien, hat Torsten Reimer mustergültig auf den letzten OA-Tagen dargelegt: https://www.youtube.com/watch?v=dunADLu73ag Die Politik hat das Heft des Handelns keineswegs aus der Hand gegeben, denn am Geld hängt bekanntlich alles - sprich wer die Forschung bezahlt, kann Auflagen machen, wie die Ergebnisse zu veröffentlichen sind. Die großen Förderer in GB schieben massiv sowohl in die goldene als auch grüne Richtung. Die EU-Programme und mittelfristig auch die DFG beschreiten diesen Weg. Dies wird den Verlagfen zunächst über Publikationsgebühren sogar noch mehr Geld in die Kassen spülen, weshalb Christian Gutknecht gerade sicher kein schlechtes Geschäft macht. Hier kommt der von ihm angemahnte zweite Schritt ins Spiel, das Abbestellen von Subskriptionszeitschriften, das unweigerlich folgen muss, wenn an die 100% der Forschungsleistung grün oder gold offen zugänglich sind (ein Ziel das mancher Förderer in GB 2016 zu erreichen gedenkt!). Großbritannien steht also recht kurz vor diesem Schritt und es wird wichtig sein das zu beobachten und aus den dort gemachten Erfahrungen (auch Fehlern) zu lernen. Der deutschsprachige Raum hängt meiner Wahrnehmung nach mindestens 5 Jahre in der Entwicklung hinterher und weist auch nachwievor bei weitem nicht die Transitionsdynamik auf, die notwendig wäre. Dennoch profitieren wir zumindest in den exakten Wissenschaften massiv vom Voranschreiten anderer Länder, double dipping ensteht schließlich global gesehen nicht nur, wenn wir selbst für die OA-Veröffentlichung von Inhalten bezahlen, sondern auch wenn andere es taten und wir trotzdem mehr statt weniger für unsere Lizenzen bezahlen. So richtig das Mahnen von Christian Gutkencht also ist: der erste Schritt muss bei uns erst noch zu Ende geführt werden. Das ist auch und gerade eine Aufgabe für Hochschulbibliotheken, von denen zu viele viel zu zaghaft sind. Lobbyarbeit für OA und das schaffen konkreter Angebote im goldenen wie im grünen Bereich sind kein Hobby mehr, mit dem sich der dienstjüngste idealistische Fachreferent beschäftigen darf, sondern eine strategische Kernaufgabe, die mit der Hochschulleitung fortwährend verhandelt und abgestimmt werden muss. Herzliche Grüße, Gerald Langhanke
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