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Re: [InetBib] Konsortium Baden-Württemberg unterzeichnet zukunftsweisenden Vertrag mit dem Wissenschaftsverlag Springer
Guten Tag Herr Zehnder
Open Access scheint mir nicht eine Frage von kommerziell vs. nicht kommerziell
zu sein. Auch wenn man ideologisch sicherlich noch mehr hineinpacken kann, sehe
ich Open Access gerne schlicht als Business Model an, welches von jedem Verlag
(for- oder non-profit) übernommen werden kann.
Wenn nun nächstes Jahr Nature Communications (IF 10.7) oder Chemical Science
von RSC (IF 8.3) vollständig Open Access werden, können wir hoffentlich ein für
alle mal den Mythos begraben, dass OA immer noch alternativ, mit weniger
Renomee ausgestatt oder sogar weniger stabil ist. Dies obwohl Plos Biology
schon seit längerem das Top Journal in Bereich Biology ist (IF 11.7).
Ich bin jetzt schon gespannt, wie Förder und Hochschulbibliotheken darauf
reagieren werden. NPG verlangt für Nature Communications stolze €3700, was weit
über der Deckelung der Förderer liegt (DFG: €2000 €, FWF: €3000, SNF: CHF
3000).
Zumindest für Bibliotheken, die entscheiden €3700 nicht zu zahlen wird die
Widersprüchlichkeit ihrer Praxis spätestens jetzt ganz offensichtlich. Warum
leistet man sich teure Closed Access Lizenzen, aber finanziert keine teuren
APCs für Top Open Access Journals?
In der Schweiz ist mir beispielsweise nur eine Bibliothek (Lib4RI) bekannt
deren Funding Policy überhaupt einen solchen Betrag zulässt.
Und noch kurz zur Archivierung: Dies ist meiner Meinung nach die Aufgabe von
Bibliotheken und wird mit Open Access so bleiben. Nicht weil Open Access
weniger stabil wäre, im Gegenteil. Gerade dank den freien Lizenzen von
OA-Journals werden Bibliotheken endlich wieder ohne Probleme archivieren
können. Für Closed Access bezahlen heute Bibliotheken zwar voll und ganz die
Rechnung, aber kommen aus rechtlichen Gründen häufig nicht an den Inhalt ran.
Dabei kann die Archvierung heute mit LOCKSS und CLOCKSS ganz einfach und
kostengünstig gewährleistet werden.
freundliche Grüsse
Christian Gutknecht
----Ursprüngliche Nachricht----
Von : klaus.zehnder@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
Datum : 04/11/2014 - 13:06 (CET)
An : inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
Betreff : Re: [InetBib] Konsortium Baden-Württemberg unterzeichnet
zukunftsweisenden Vertrag mit dem Wissenschaftsverlag Springer
Hallo liebe inetbib-Leser,
die Diskussionsbeiträge um das Thema, weshalb open acces- Publikationen
nicht die Publikationen kommerzieller Verlage ersetzen können, sind
wirklich interessant. Meine Ansicht dazu ist:
Kommerzielle Verlage sind halt Fachverlage, deren
unternehmenswertsteigerndes Wissen in ihren bereits getätigten
Publikationen liegt. Größere Verlage, und es gibt ja bekanntlich eine
Tendenz zur Konzentration, haben nicht nur ein großes know-how im
Vertrieb usw., auch Kundenbetreuung, wie man schon geschrieben hat,
sondern auch einen Fundus an Inhalten, und die Nachhaltigkeit scheint
bei ihnen gut gewährleistet. Eine eingefahrene Vertriebsstruktur ist
auch hinsichtlich neuer digitaler Möglichkeiten recht stabil. Das merkt
man auch bezüglich der Nutzung von digital publizierenden Verlagen,
deren Produkte meist gar nicht einmal in den "normalen Vertrieb" der
Buchhandlungen und der Bibliotheken kommen. Bibliotheken können sich
also auch an die eigene Nase fassen, was Offenheit zu modernen digitalen
Möglichkeiten der Informationsbeschaffung angeht. Wofür Geld bezahlt
wird, das erscheint jedem Kunden eher sein Geld wert zu sein, als wenn
man es nicht bezahlen muss. Dieses Prinzip wirkt noch immer vielfach.
Open Access- Träger außerhalb des etablierten Verlagswesens haben es da
recht schwer, in kurzer Zeit ähnliches Renommee aufzubauen.
Die Dauer der Publikationen muss auch gewährleistet sein. Hierüber
fehlen heutzutage noch vielfach Erfahrungswerte im open access-Bereich,
welche zu objektiver und weithin sichtbarer Verlässlichkeit auf der
Angebotsseite führen könnte.
Wieviele Internetseiten wurden inzwischen schon wieder gelöscht, auf die
man dachte, für ewig Zugriff zu haben? Manchmal wird Ähnliches in
inetbib beklagt.
Aber Verlässlichkeit durch Nachhaltigkeit im kostenlosen open
access-Bereich kann ja noch kommen, mit den entsprechenden
Rahmenbedingungen, die aber ebenfalls verlässlich auf Dauer berechnet
sein müssen.
Interessant dürfte die Sparte der open access publizierten
Forschungsdaten, den sogenannten Primärdaten sein, auf denen eine
GNU-Lizenz bzw. der GNU vergleichbare liegt. Wer lizenzbehaftete Daten
in seine eigenen Publikationen einbaut, muss diesen
"Verwertungsbedingungen" zugestimmt haben.
Nämlich, dass die daraus geschaffenen Daten ebenfalls wieder offen
lizenziert werden müssen. Momentan kann aber jeder Kommerzielle open
access-Publizierte Daten verwenden wie er will. Und auch jeder
Nicht-Kommerzielle, d.h. sie dürfen sie auch zu kommerziellen
Publikationen verwenden.
Über den "Dreh" der open-access-Bindung der kostenlos open access
gestellten Daten könnte man wiederum mehr open access Publikationen
herbei führen. So ähnlich etwa wie es bei Software ist: hat eine
Software einen GNU-Status, dann ist die Software, basierend auf dieser
Software ebenfalls mit einem GNU-Status zu versehen.
Wer aber aus welchen Gründen auch immer stabile Partner im Verlagswesen
haben will (wer? wer nicht?), der will halt auch stabile kommerzielle
Verlage, und das heißt: das öffentliche Kulturwesen schiebt die Kohle
über die Bibliotheken an das kommerzielle Kulturwesen und deren
Vertriebsstrukturen weiter. Es ist das so wie beim Straßenbau: unterm
Strich wirkt sich das als indirekte ABM- und Unternehmensförderung
zugunsten des Verlagswesens aus. Leider profitieren immer weniger
kleinere bis mittelgroße Verlage davon, aufgrund der starken
Konzentration in nur ganz wenige Hände.
Das ist aber kein Argument gegen open access Publikationen seitens
öffentlicher Einrichtungen. Im Gegenteil: Je zeitlich stabiler solches
ist und solche Initiativen sind, umso stärker werden diese
Möglichkeiten, das Wissenschaftswissen öffentlich zu positionieren, in
Anspruch genommen werden. Das ist meine Meinung. Dazu braucht es Zeit,
den Markt zu beobachten. Und das kann ja auch Bibliotheksstellen
motivieren, solche verläßlichen o.a.-Strukturen aufzubauen und zu pflegen.
Wer also von den Beteiligten das open access Publizieren und
langfristige Vorhalten "für immer" rechtsverbindlich gegenüber jedermann
garantiert und auch garantieren kann, vergleichbar lange wie renommierte
Verlage die o.a.-Publikationen online zu lassen, der sollte eine gute
Stärkung des o.a.-Publizierens herbei führen können.
Kleine Frage zum Schluss: Sind Sie das möglicherweise oder mancher von
Ihnen?
Viele freundliche Grüsse
K. Zehnder
Mitarbeiter in der
UB der TU Chemnitz
Am 26.10.2014 11:02, schrieb Gerald Langhanke:
Liebe Listenleser,
wie eine "konzertierte Aktion" vielleicht aussehen kann und vor allem in
welchen aufeinander folgenden Schritten der Wandel hin zu OA geschafft
werden kann, zeigt der Blick über den Tellerrand nach Großbritannien,
hat Torsten Reimer mustergültig auf den letzten OA-Tagen dargelegt:
https://www.youtube.com/watch?v=dunADLu73ag
Die Politik hat das Heft des Handelns keineswegs aus der Hand gegeben,
denn am Geld hängt bekanntlich alles - sprich wer die Forschung bezahlt,
kann Auflagen machen, wie die Ergebnisse zu veröffentlichen sind. Die
großen Förderer in GB schieben massiv sowohl in die goldene als auch
grüne Richtung. Die EU-Programme und mittelfristig auch die DFG
beschreiten diesen Weg.
Dies wird den Verlagfen zunächst über Publikationsgebühren sogar noch
mehr Geld in die Kassen spülen, weshalb Christian Gutknecht gerade
sicher kein schlechtes Geschäft macht. Hier kommt der von ihm angemahnte
zweite Schritt ins Spiel, das Abbestellen von
Subskriptionszeitschriften, das unweigerlich folgen muss, wenn an die
100% der Forschungsleistung grün oder gold offen zugänglich sind (ein
Ziel das mancher Förderer in GB 2016 zu erreichen gedenkt!).
Großbritannien steht also recht kurz vor diesem Schritt und es wird
wichtig sein das zu beobachten und aus den dort gemachten Erfahrungen
(auch Fehlern) zu lernen. Der deutschsprachige Raum hängt meiner
Wahrnehmung nach mindestens 5 Jahre in der Entwicklung hinterher und
weist auch nachwievor bei weitem nicht die Transitionsdynamik auf, die
notwendig wäre. Dennoch profitieren wir zumindest in den exakten
Wissenschaften massiv vom Voranschreiten anderer Länder, double dipping
ensteht schließlich global gesehen nicht nur, wenn wir selbst für die
OA-Veröffentlichung von Inhalten bezahlen, sondern auch wenn andere es
taten und wir trotzdem mehr statt weniger für unsere Lizenzen bezahlen.
So richtig das Mahnen von Christian Gutkencht also ist: der erste
Schritt muss bei uns erst noch zu Ende geführt werden. Das ist auch und
gerade eine Aufgabe für Hochschulbibliotheken, von denen zu viele viel
zu zaghaft sind. Lobbyarbeit für OA und das schaffen konkreter Angebote
im goldenen wie im grünen Bereich sind kein Hobby mehr, mit dem sich der
dienstjüngste idealistische Fachreferent beschäftigen darf, sondern eine
strategische Kernaufgabe, die mit der Hochschulleitung fortwährend
verhandelt und abgestimmt werden muss.
Herzliche Grüße,
Gerald Langhanke
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http://www.inetbib.de
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