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Re: [InetBib] Konsortium Baden-Württemberg unterzeichnet zukunftsweisenden Vertrag mit dem Wissenschaftsverlag Springer
Liebe Liste
Zugegeben ich war noch nie in einer entsprechenden Position, aber ich habe Mühe
mir vorzustellen, dass die Kluft zwischen Universität und Bibliothek so gross
ist, als dass man für Open Access nicht entsprechend die Hochschulleitung auf
seine Seite ziehen könnte (geeignete Persönlichkeiten auf beiden Seiten
vorausgesetzt).
Ich schätze es hat sich noch nie so gut für Open Access und gegen Closed Access
argumentieren lassen wie heute (das war vielleicht vor fünf Jahren noch
anders). Heute haben so gut wie alle Verlage OA Zeitschriften oder ein
Hybridangebot und viele Disziplinen haben heute gute OA-Zeitschriften.
Man wird unter Forschenden mit Einsitz in den entsprechenden Gremien der
Hochschule, immer ein paar wenige haben, die finden, dass sich eine Hochschule
das Journal XY leisten muss, egal was es kostet. Hier sollten aber
Hochschulbibliotheken etwas Mut haben und diese Phase durchzustehen und
sachlich argumentieren, bzw. überhaupt mal die Diskussion in Gang setzen. Dazu
gehört auch die Kommunikation, dass mit dem Closed Access System etwas nicht in
Ordnung ist. Ich habe den Eindruck, dass Bibliotheken kaum über die Probleme
die sie mit den Verlagen haben kommunizieren, geschweige denn Zahlen
publizieren, was sie das ganze kostet. Im Gegenteil indem man permanent Big
Deals zu schlechten Konditionen verlängert, die Bedingungen geheim hält und
dann noch ganz nette aber nichtssagende Pressmeldungen rauslässt, gibt man den
Forschenden und der Öffentlichkeit das Gefühl alles sei in Ordnung.
Auch glaube ich, dass Bibliotheken leider so in ihrem bekannten Trott des
Subskriptionsgeschäftes verhaftet sind, dass sie teilweise selbst das Potenial
von Open Access gar nicht erkennen. Mir sind schon Leute aus
Zeitschriftenabteilungen begegnet, die habe noch nie was von PLOS oder APC
gehört. Gut, es gibt auch die Ankedote, das selbst Elsevier Sales Leute bis vor
kurzem der Begriff APC nicht kannten :-).
Ebenfalls sollten Bibliotheken die Wichtigkeit ihrer Abos nicht überschätzen.
Forschende können durchaus findig sein und sind in ihren Kreisen durchaus
besser organisiert, als man dies meint. Es gibt Mittel und Möglichkeiten auch
ohne Subskription an Artikel zu kommen, sei es auch nur bei den Kollegen den
Artikel per eMail zu erfragen oder eine Schattenbibliothek zu nutzen
(http://irights.info/artikel/schattenbibliotheken-piraterie-oder-notwendigkeit/24058).
Not macht erfinderisch und würde übrigens auch Repositories mehr Sinn geben.
Forschende können auch gute Verbündte sein, wenn man sie denn identifizieren
und sie in sein Ziel mit einbinden kann bzw. auch lässt. Hier vielleicht eine
kleine Ankedote aus meiner Zeit an der Universität Zürich:
Im Zuge des Elsevier Boykotts (Cost of Knowledge, 2012) kam ich mit dem
damaligen Leiter des Institut für Mathematik in Kontakt und fragte, ob er sich
vorstellen könnem auf Elsevier Journals zu verzichten. Da er sich schon an
vergangene Diskussionen zu Elsevier erinnern konnte, war er selber offen
mathematische Journals von Elsevier abzubestellen. Also ging ich zu meiner
Kollegin von der Zeitschriftenabteilung und fragte, wie eine solche
Abbestellungsaktion konkret aussehen könnte. Sie schaute sich die Sache an und
gab mir aber zu verstehen, dass es sich finanziell überhaupt nicht lohnt diese
Zeitschriften abzubestellen. Die vereinbarte maximale Abbestellrate mit
Elsevier wäre sofort ausgeschöpft, was somit den Gesamtpreis teuer machen
würde. Entsprechend verzichtete man auf eine Abbestellung.
Auch sonst, eine solche Abbestellung wäre finanziell sicherlich nur symbolisch
gewesen. Aber wir sollten solche symbolischen Aktionen nicht unterschätzen.
Denn sie sind häufig Ausgangspunkt zu grösseren Diskussionen. Oder wer kennt
die kurze und eigentlich irrelevante Meldung der TU München nicht?
http://www.ma.tum.de/Mathematik/BibliothekElsevier
Ja, vielleicht ist es naiv zu glauben, das sich was ändert, wenn ein paar
UB-Direktionen zusammenkommen und mal mit Abbestellungen sagen: genug ist
genug. (.. und das Geld für OA zu Verfügung stellen).
Allerdings finde ich es deutlich naiver, den Grossverlagen stets mehr Geld für
Closed Access zu geben, in der Hoffnung dass sich dadurch irgendetwas ändert.
Das tut es nachweislich nicht.
Gruss
Christian Gutknecht
----Ursprüngliche Nachricht----
Von : langhanke@xxxxxxxxxxxxxxxxxxx
Datum : 26/10/2014 - 11:02 (CET)
An : inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
Betreff : Re: [InetBib] Konsortium Baden-Württemberg unterzeichnet
zukunftsweisenden Vertrag mit dem Wissenschaftsverlag Springer
Liebe Listenleser,
wie eine "konzertierte Aktion" vielleicht aussehen kann und vor allem in
welchen aufeinander folgenden Schritten der Wandel hin zu OA geschafft
werden kann, zeigt der Blick über den Tellerrand nach Großbritannien,
hat Torsten Reimer mustergültig auf den letzten OA-Tagen dargelegt:
https://www.youtube.com/watch?v=dunADLu73ag
Die Politik hat das Heft des Handelns keineswegs aus der Hand gegeben,
denn am Geld hängt bekanntlich alles - sprich wer die Forschung bezahlt,
kann Auflagen machen, wie die Ergebnisse zu veröffentlichen sind. Die
großen Förderer in GB schieben massiv sowohl in die goldene als auch
grüne Richtung. Die EU-Programme und mittelfristig auch die DFG
beschreiten diesen Weg.
Dies wird den Verlagfen zunächst über Publikationsgebühren sogar noch
mehr Geld in die Kassen spülen, weshalb Christian Gutknecht gerade
sicher kein schlechtes Geschäft macht. Hier kommt der von ihm angemahnte
zweite Schritt ins Spiel, das Abbestellen von
Subskriptionszeitschriften, das unweigerlich folgen muss, wenn an die
100% der Forschungsleistung grün oder gold offen zugänglich sind (ein
Ziel das mancher Förderer in GB 2016 zu erreichen gedenkt!).
Großbritannien steht also recht kurz vor diesem Schritt und es wird
wichtig sein das zu beobachten und aus den dort gemachten Erfahrungen
(auch Fehlern) zu lernen. Der deutschsprachige Raum hängt meiner
Wahrnehmung nach mindestens 5 Jahre in der Entwicklung hinterher und
weist auch nachwievor bei weitem nicht die Transitionsdynamik auf, die
notwendig wäre. Dennoch profitieren wir zumindest in den exakten
Wissenschaften massiv vom Voranschreiten anderer Länder, double dipping
ensteht schließlich global gesehen nicht nur, wenn wir selbst für die
OA-Veröffentlichung von Inhalten bezahlen, sondern auch wenn andere es
taten und wir trotzdem mehr statt weniger für unsere Lizenzen bezahlen.
So richtig das Mahnen von Christian Gutkencht also ist: der erste
Schritt muss bei uns erst noch zu Ende geführt werden. Das ist auch und
gerade eine Aufgabe für Hochschulbibliotheken, von denen zu viele viel
zu zaghaft sind. Lobbyarbeit für OA und das schaffen konkreter Angebote
im goldenen wie im grünen Bereich sind kein Hobby mehr, mit dem sich der
dienstjüngste idealistische Fachreferent beschäftigen darf, sondern eine
strategische Kernaufgabe, die mit der Hochschulleitung fortwährend
verhandelt und abgestimmt werden muss.
Herzliche Grüße,
Gerald Langhanke
--
Dipl.-Phys. Gerald Langhanke
Bibliotheksreferendar
Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt
Magdalenenstraße 8
64289 Darmstadt
langhanke@xxxxxxxxxxxxxxxxxxx
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