Herzliche Grüße
Matthias Ulmer
Am 04.05.2013 um 19:10 schrieb h0228kdm <h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxxx>:
Lieber Herr Ulmer,
der Sinn von Definitionen ist es, zu einer möglichst exakten
Kommunikation beizutragen, in dem man Worte in ihren Wortfeldern klar
begrenzt. Menschliche Sprache ist eigentlich dazu da, Missverständnisse
zu minimieren. Dass das insbesondere für Kinder anfangs sehr schwierig
ist, wenn alles nur ein Dingsda ist, und dass unsere Muttersprache uns
trotzdem die Möglichkeit geben muss, auch mit wenig exaktem Wissen uns
auszudrücken, wird oft übersehen. Eine differenzierte Sprache ist damit
ein Zeichen von Bildung. Für viele Kinder sind kurze Zeit lang alle
Vierbeiner Wauwaus. Dass viele Eltern daraus „Hund“ machen wollen ist
eigentlich unsinnig, weil ich auch schon hörte, wie ein Kind zu einem
Elefanten im Zoo tief beeindruckt Wauwau sagte. Dagegen waren alle
Vögel, auch Aras, Gagags. Von einem solchen Kind zu verlangen, dass es
zum Ara Ente sagt ist pädagogisch nicht besonders einfallsreich. Das
Kind kennt aber in einer bestimmten Entwicklungsphase nur Vögel und
Vierbeiner.
Ein Buch ist ein Informationsmedium (Oberbegriff) und besteht damit aus
seiner Information und und ihrem Informationsträger. Seine "materiellen
Eigenschaften" betreffen also nur einen Teil, den Informationsträger.
Wenn ich ein Buch gelesen habe, und dies jemandem mitteile, ist es egal
ob ich das E-Book oder den Print-out dessen las. Darum haben doch die
Verlage so viel Wert darauf gelegt, sie identisch zu machen, damit die
Urheberrechte bzw. Verwertungsrechte beim Digitalisat bei ihnen
bleiben. Außerdem erhielten wir damit identische Zitierungen. Da kann
man doch nicht im Nachhinein einfach behaupten ein gedrucktes Buch und
sein identisches E-Book seien ewig getrennte Begriffe, nur weil man nun
plötzlich den Lesern von E-Books alle Besitzrechte absprechen möchte.
Es ist ja bekannt, wie unlogisch Menschen werden können, wenn sie nur
nach ihrem eigenen Vorteil trachten – das nennt man Bauernschläue, weil
man in der Geschichte der Menschheit die Bauern gern als dumm
bezeichnet hat, und diese das dann zu ihren Gunsten ausnutzten.
Ärgerlich wird es, wenn sogar akademisch gebildete Menschen (Banker,
Juristen, Ärzte, Politiker etc.) sich entsprechend dumm stellen, und
ihre guten Ruf damit ruinieren.
Der Versuch, das gedruckte Buch durch „Linearität des Inhalts“ zu
definieren funktioniert doch auch nicht, sonst hätten die Autoren bzw.
Verleger nicht längst Schlagwortregister, Fußnoten, Querverweise etc.
eingebracht. Übrigens hatte Ted Nelson seinen „Hypertext“ noch ohne
Apple Computer oder WWW entworfen.
Die heiße Diskussion vor etlichen Jahren um den Begriff Datenbank,
hatte einen anderen Hintergrund. Als Datenbanken die Abstracts der
Zeitschriften übernahmen, entstand die Frage, wofür sie ein Copyright
beanspruchten. Sie hatten ihre Angaben ja lediglich aus Zeitschriften-
und Buchpublikationen übernommen. Ausgedruckt hießen die
Literaturdatenbanken damals noch Bibliografien. Die Argumentation war
dann, dass schon die Ordnung bzw. Umordnung der Dokumente durch
Schlagwörter eine eigene intellektuelle Leistung ist. Dass wir bei
Büchern auch zwischen Lexika, Nachschlagewerken, Lehrbüchern,
Monografien (thematische „Abgeschlossenheit“), sog. Vielautorenwerken,
Bibliografien etc. unterscheiden macht deutlich, dass man jedes Buch
auch als Datenbank aufbereiten kann – das war ja der Witz der
Volltextdatenbanken.
Ansonsten dachte ich, dass es gerade für Sie als Verleger nicht ganz
gleichgültig ist, ob jemand von einer Broschüre, einem Buch, einer
Loseblattsammlung oder einem Zeitschriftenband spricht. Eine solche
Abgrenzung muss eine Definition leisten.
Es ist doch ganz einfach, wenn jemand heute ein gedrucktes Buch oder
ein E-Book meint soll er das auch sagen, und nicht nur Buch oder
Dingsda ;-)
MfG
Walther Umstätter
Am 2013-05-04 16:31, schrieb Matthias Ulmer:
Wenn man das Buch rein durch seine materiellen Eigenschaften
beschreibt, dann bleiben Buch und E-Book ewig getrennt. Und ein
aufgebundener Zeitschriftenjahrgang wird auch zum Buch.
Abstrahiert man zunächst vom Materiellen, dann kann man Buch
vielleicht durch Textlichkeit, Konzentration von Autor bzw Leser,
Abgeschlossenheit und Linearität des Inhalts charakterisieren. Das
hätte den überraschenden Effekt, dass der Brockhaus und andere Lexika
in dieser Definition kein Buch mehr sind, sondern eine Datenbank, die
mal als digitale Version, mal als Kartei und mal als Buch angeboten
wird.
Das ist auch keine absolut widerspruchsfreie Definition, sie führt
aber vielleicht weiter als "49 Seiten Papier, gebunden, meist 19x27cm
mit Auflage über 19 Ex..."
Gruss
Matthias Ulmer
Am 04.05.2013 um 15:45 schrieb h0228kdm <h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxxx>:
Hallo,
zur Definition,
„Dem Wortsinn nach wird eine Diplomarbeit sicher ein Buch sein,
insofern man darunter eine "in einem Umschlag oder Einband durch
Heftung zusammengefaßte, meist größere Anzahl von leeren, beschriebenen
oder bedruckten einzelnen Papierblättern oder Lagen bzw. Bogen"
versteht. So liest es sich bei Hiller, Wörterbuch des Buches.“
Dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden, auch wenn die Abgrenzung zu
gebundenen Periodka oder auch Broschüren nicht ganz unwichtig ist. Als
„Handhabare Informationseinheit ist es sicher kein juristischer
Begriff, der sich mehr auf Urheber-, Verwertungs- oder Kopierrecht
bezieht. Die können sich auch auf eine einzelne Seite oder ein Bild
beziehen.
Das im Buchhandel erscheinende Buch ist ebenso ein Unterbegriff von
Buch, wie das e-Book, die Diplom-, Magisterarbeit, Dissertation,
Habilitation etc. E-Books sind ja absichtlich zum gedruckten Buch
soweit möglich identisch gemacht worden, können aber an verschiedenen
Orten der Welt (auch auf Papier) angesehen werden.
Auf die Auflagenhöhe würde ich hier auch keinen Bezug nehmen, da sich
diese z.B. bei Neuauflagen oder beim publishing-on-demand jederzeit
ändern kann.
Die Definition des Buches im „Lehrbuch des Bibliotheksmanagements“ S. 9
(2010) lautet daher:
„Buch im eigentlichen Sinne ist nach seiner Form ein nicht periodisch
erscheinendes Druckwerk mit meist hundert bis tausend Seiten, die durch
Heftung oder Leimung verbunden und durch einen Einband oder Umschlag
geschützt sind. Trotz erheblicher Schwankungen in Form und Größe nimmt
es im Regal meist weniger als 3 x 25 x 25 cm ein. Es ist damit eine
handhabbare ,Informationseinheit’. In elektronischer Form spricht man
vom E-Book.
Entsprechend der UNESCO sollte bei Büchern die Zahl von 49 Seiten nicht
unterschritten werden. Anderenfalls spricht man von einer Broschüre.
Obwohl die Broschur (softcover) sich vom Namen her auf den flexiblen
Umschlag bezieht, ist sie auch insofern ein Kennzeichen für den Umfang,
da sich diese Einbandform vorwiegend für Publikationen mit weniger als
drei Oktavbögen eignet.
Nach seiner Funktion wird das Buch zur Verbreitung von Literatur
eingesetzt und dient zur Übermittlung von Schrift und Bild. Das
,digitale Buch' oder E-Book war anfangs zweifellos nichts anderes, als
die digital gespeicherte Form herkömmlicher Bücher. Daraus entwickelte
sich allerdings im Laufe der letzten Jahre eine Publikationsform, die
durch zusätzliche Ton und Bewegtbildeigenschaften, durch Animation und
Modellierung multimedialen Charakter gewann. Hier sprechen wir nicht
mehr vom Buch, sondern von Multimediaangeboten.“
MfG
Walther Umstätter
Am 2013-05-04 13:28, schrieb Karl Dietz:
Hallo,
neulich gingen zwei Buchhinweise von H. Steinhauer an inetbib.
Am 23.04.2013 konnte eines davon für umme down-geloaded werden.
Und liegt nun sicher auf etlichen Festplatten.
Eine Frage vor der wdh. aus 2005, die damals an inetbib ging:
Kann dieses eBook nun auch verliehen werden?
zB an Freunde? in einer Bibliothek? ...
On 9/7/05
Ein Buch im Sinne von § 53 Abs. 4 UrhG? Eine Legaldefinition kenne ich
nicht. Ist Buch hier ein besondrer Rechtsbegriff oder ist der
allgemeine,
gar der buchwissenschaftliche Buchbegriff zugrundezulegen. Für Juristen
eine
herrliche Frage! Dem Wortsinn nach wird eine Diplomarbeit sicher ein
Buch
sein, insofern man darunter eine "in einem Umschlag oder Einband durch
Heftung zusammengefaßte, meist größere Anzahl von leeren, beschriebenen
oder
bedruckten einzelnen Papierblättern oder Lagen bzw. Bogen" versteht. So
liest es sich bei Hiller, Wörterbuch des Buches. Danach ist eine
Diplomarbeit, sofern sie nicht als lose Blätter in einer Juris-Mappe
angeboten wird, ein Buch im tatsächlichen Sinn. Nun könnte man vom Sinn
und
Zweck des § 53 Abs. 4 UrhG eine einschränkende Auslegung vornehmen und
nur
solche Bücher als Buch gelten lassen, die im Buchhandel erschienen
sind.
Auf
die erhebliche Auflagenhöhe würde ich hierbei nicht abstellen, da hier
Widersprüche mit den Vorschriften über Pflichtexemplare auftreten
können.
Dort unterliegen schon Auflagen ab 20 Exemplaren einer
Ablieferungspflicht,
vgl. etwa § 3 Abs. 1 Nr. 3 PflExG Berlin. Als gesetzgeberischer Zweck
für
§
53 Abs. 4 findet sich in der Kommentarliteratur der Gedanke, daß eine
Einsparung von Anschaffungskosten durch Kopien verhindert werden soll.
Also
kann man sagen, was ich nicht anschaffen kann, weil es nicht
anschaffbar
ist, da kann ich auch keine Anschaffungskosten ungerechtfertigt
einsparen.
Also wäre § 53 Abs. 4 UrhG bei nicht im Handel erhältlichen
Diplomarbeiten
unanwendbar. Hinter dem Schutz der Anschaffung steht aber der Schutz
der
wirtschaftlichen Interessen der Nutzungsberchtigten, also etwa des
Autors.
Meiner Ansicht nach ist er auch im Falle einer nicht gehandelten Arbeit
insoweit schützenswert, als er immerhin die Möglichkeit hat, die Arbeit
im
Handel anzubieten. Er würde dann aber durch die freie Kopiermöglichkeit
seiner "ungehandelten" Diplomfassung in seinen Absatzchancen
geschmälert.
Wenn ich die Ansicht von Herrn Müller zugrundelege, dann kann nämlich
folgendes passieren: Die nicht im Buchhandel erhältliche Diplomarbeit
von
Dipl.-Ing. Emsig steht mit seiner Zustimmung in seiner
Hochschulbibliothek.
Diese Arbeit dürfte frei kopiert werden. Wenn Emsig sich entscheidet,
auf
eigene Kosten seine Arbeit völlig textidentisch bei einem
Print-on-demand-Anbieter im Buchhandel mit ISBN erscheinen zu lassen,
dann
dürfte dieses Buchhandelsexemplar nicht kopiert werden. Das ist
merkwürdig.
Das Urhberrecht schützt doch Werke als geistige Schöpfungen und nicht
Werkstücke. Das Werk aber ist in beiden Ausgaben, Diplom-Version und
ISBN-Buch, völlig identisch. Von daher würde ich meine Lösung vorziehen
und
für § 53 Abs. 4 UrhG einen tatsächlichen, lebensweltlichen Buchbegriff
zugrundelegen. Das scheint mir konsequenter.
Unterhalten kann man sich freilich darüber, ob man nicht bei einer
"bloßen"
Diplomarbeit zwei Jahre nach Einstellen in die Bibliothek § 53 Abs. 4
UrhG
doch entsprechend anwendet. Anderenfalls wäre der Schutz der im
Buchhandel
nicht vertriebenen Arbeit weitergehend. Wie schon im letzten posting
geschrieben, bin ich hier etwas unschlüssig. Tendiere jetzt aber doch
wohl
zu einem vorsichtigen ja was die Möglichkeit einer Ganzkopie in den
Grenzen
von § 53 Abs. 4 UrhG angeht.
Eric Steinhauer
In: www inetbib de
Eine der vielen high light mails in nun bald 20 Jahren inetbib.
s.a.
Helmut Hiller: Wörterbuch des Buches, 1967
http://books.google.de/books?id=12tMAAAAMAAJ
+
Leiter/in Stb Denkendorf. StZ 04.05.2013
+
MfG, Karl Dietz
blog.karldietz.de
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http://www.inetbib.de
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http://www.inetbib.de