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Re: [InetBib] Eric Steinhauer: Was ist ein Buch? (2005)



Lieber Herr Umstätter,

man kann beim Alten bleiben, warum soll man sich die Mühe einer neuen 
Definition machen.
Ich nenne Ihnen drei Gründe:
Als Verleger weiß ich, dass es getrennte Kulturen von Buch und Zeitschrift 
gibt. Und die setzen sich auch im Digitalen fort, auch wenn die Produkte 
ähnlicher werden. Mir stellt sich damit die Frage nach dem Kern des Produktes, 
der die Unterscheidung auch unabhängig von seiner Materialität ausmacht.
Zum Zweiten: gerade das Verleihen oder Verschenken von E-Books zeigt, dass man 
die Trennung von Inhalt und Träger beachten muss. Auch beim gedruckten Buch 
kann ich den Inhalt nicht ohne Träger verschenken, sonst macht man eine Kopie 
auf einen neuen Träger. Genau so ist es beim E-Book. Mit dem Reader oder dem 
Computer darf man es immer verleihen, nicht aber indem man es auf einen neuen 
Träger dupliziert.
Zum Dritten: ein Inhaltsverzeichnis oder Register war zwar bislang oft 
Bestandteil des Buches. Im Digitalen wird das aber heute oft von der Software, 
vom Verlag oder Leser erzeugt, ist also nicht mehr zwingend Autorenleistung und 
sollte deshalb vom eigentlichen Inhalt differenziert werden.
Das sind nur drei Gründe, die eine neue Definition nahelegen.
Bauernschläue der Verleger können Sie streichen. Mir ist kein Punkt bekannt, wo 
wir Rechte durch Definitionstricks beanspruchen. Die Verlagsverträge sehen 
heute eine umfassende Rechteübertragung vor, ohne Tricks.
Wie gesagt: man darf auch weiterhin Wellensittiche Aras nennen, wenns beliebt. 
Man muss sich nicht um Differenzierung bemühen. Ich hatte auf den Versuch einer 
Buchdefinition über das Materielle reagiert. Die scheint mir unbefriedigend. 
Anderen mag sie reichen.

Herzliche Grüße
Matthias Ulmer

Am 04.05.2013 um 19:10 schrieb h0228kdm <h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxxx>:

Lieber Herr Ulmer,

der Sinn von Definitionen ist es, zu einer möglichst exakten Kommunikation 
beizutragen, in dem man Worte in ihren Wortfeldern klar begrenzt. Menschliche 
Sprache ist eigentlich dazu da, Missverständnisse zu minimieren. Dass das 
insbesondere für Kinder anfangs sehr schwierig ist, wenn alles nur ein 
Dingsda ist, und dass unsere Muttersprache uns trotzdem die Möglichkeit geben 
muss, auch mit wenig exaktem Wissen uns auszudrücken, wird oft übersehen. 
Eine differenzierte Sprache ist damit ein Zeichen von Bildung. Für viele 
Kinder sind kurze Zeit lang alle Vierbeiner Wauwaus. Dass viele Eltern daraus 
„Hund“ machen wollen ist eigentlich unsinnig, weil ich auch schon hörte, wie 
ein Kind zu einem Elefanten im Zoo tief beeindruckt Wauwau sagte. Dagegen 
waren alle Vögel, auch Aras, Gagags. Von einem solchen Kind zu verlangen, 
dass es zum Ara Ente sagt ist pädagogisch nicht besonders einfallsreich. Das 
Kind kennt aber in einer bestimmten Entwicklungsphase nur Vögel und 
Vierbeiner.

Ein Buch ist ein Informationsmedium (Oberbegriff) und besteht damit aus 
seiner Information und und ihrem Informationsträger. Seine "materiellen 
Eigenschaften" betreffen also nur einen Teil, den Informationsträger.

Wenn ich ein Buch gelesen habe, und dies jemandem mitteile, ist es egal ob 
ich das E-Book oder den Print-out dessen las. Darum haben doch die Verlage so 
viel Wert darauf gelegt, sie identisch zu machen, damit die Urheberrechte 
bzw. Verwertungsrechte beim Digitalisat bei ihnen bleiben. Außerdem erhielten 
wir damit identische Zitierungen. Da kann man doch nicht im Nachhinein 
einfach behaupten ein gedrucktes Buch und sein identisches E-Book seien ewig 
getrennte Begriffe, nur weil man nun plötzlich den Lesern von E-Books alle 
Besitzrechte absprechen möchte.

Es ist ja bekannt, wie unlogisch Menschen werden können, wenn sie nur nach 
ihrem eigenen Vorteil trachten – das nennt man Bauernschläue, weil man in der 
Geschichte der Menschheit die Bauern gern als dumm bezeichnet hat, und diese 
das dann zu ihren Gunsten ausnutzten. Ärgerlich wird es, wenn sogar 
akademisch gebildete Menschen (Banker, Juristen, Ärzte, Politiker etc.) sich 
entsprechend dumm stellen, und ihre guten Ruf damit ruinieren.

Der Versuch, das gedruckte Buch durch „Linearität des Inhalts“ zu definieren 
funktioniert doch auch nicht, sonst hätten die Autoren bzw. Verleger nicht 
längst Schlagwortregister, Fußnoten, Querverweise etc. eingebracht. Übrigens 
hatte Ted Nelson seinen „Hypertext“ noch ohne Apple Computer oder WWW 
entworfen.

Die heiße Diskussion vor etlichen Jahren um den Begriff Datenbank, hatte 
einen anderen Hintergrund. Als Datenbanken die Abstracts der Zeitschriften 
übernahmen, entstand die Frage, wofür sie ein Copyright beanspruchten. Sie  
hatten ihre Angaben ja lediglich aus Zeitschriften- und Buchpublikationen 
übernommen. Ausgedruckt hießen die Literaturdatenbanken damals noch 
Bibliografien. Die Argumentation war dann, dass schon die Ordnung bzw. 
Umordnung der Dokumente durch Schlagwörter eine eigene intellektuelle 
Leistung ist. Dass wir bei Büchern auch zwischen Lexika, Nachschlagewerken, 
Lehrbüchern, Monografien (thematische „Abgeschlossenheit“), sog. 
Vielautorenwerken, Bibliografien etc. unterscheiden macht deutlich, dass man 
jedes Buch auch als Datenbank aufbereiten kann – das war ja der Witz der 
Volltextdatenbanken.

Ansonsten dachte ich, dass es gerade für Sie als Verleger nicht ganz 
gleichgültig ist, ob jemand von einer Broschüre, einem Buch, einer 
Loseblattsammlung oder einem Zeitschriftenband spricht. Eine solche 
Abgrenzung muss eine Definition leisten.

Es ist doch ganz einfach, wenn jemand heute ein gedrucktes Buch oder ein 
E-Book meint soll er das auch sagen, und nicht nur Buch oder Dingsda ;-)

MfG

Walther Umstätter

Am 2013-05-04 16:31, schrieb Matthias Ulmer:
Wenn man das Buch rein durch seine materiellen Eigenschaften
beschreibt, dann bleiben Buch und E-Book ewig getrennt. Und ein
aufgebundener Zeitschriftenjahrgang wird auch zum Buch.
Abstrahiert man zunächst vom Materiellen, dann kann man Buch
vielleicht durch Textlichkeit, Konzentration von Autor bzw Leser,
Abgeschlossenheit und Linearität des Inhalts charakterisieren. Das
hätte den überraschenden Effekt, dass der Brockhaus und andere Lexika
in dieser Definition kein Buch mehr sind, sondern eine Datenbank, die
mal als digitale Version, mal als Kartei und mal als Buch angeboten
wird.
Das ist auch keine absolut widerspruchsfreie Definition, sie führt
aber vielleicht weiter als "49 Seiten Papier, gebunden, meist 19x27cm
mit Auflage über 19 Ex..."
Gruss
Matthias Ulmer
Am 04.05.2013 um 15:45 schrieb h0228kdm <h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxxx>:
Hallo,
zur Definition,
„Dem Wortsinn nach wird eine Diplomarbeit sicher ein Buch sein, insofern man 
darunter eine "in einem Umschlag oder Einband durch Heftung zusammengefaßte, 
meist größere Anzahl von leeren, beschriebenen oder bedruckten einzelnen 
Papierblättern oder Lagen bzw. Bogen" versteht. So liest es sich bei Hiller, 
Wörterbuch des Buches.“
Dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden, auch wenn die Abgrenzung zu 
gebundenen Periodka oder auch Broschüren nicht ganz unwichtig ist. Als 
„Handhabare Informationseinheit ist es sicher kein juristischer Begriff, der 
sich mehr auf Urheber-, Verwertungs- oder Kopierrecht bezieht. Die können 
sich auch auf eine einzelne Seite oder ein Bild beziehen.
Das im Buchhandel erscheinende Buch ist ebenso ein Unterbegriff von Buch, 
wie das e-Book, die Diplom-, Magisterarbeit, Dissertation, Habilitation etc. 
E-Books sind ja absichtlich zum gedruckten Buch soweit möglich identisch 
gemacht worden, können aber an verschiedenen Orten der Welt (auch auf 
Papier) angesehen werden.
Auf die Auflagenhöhe würde ich hier auch keinen Bezug nehmen, da sich diese 
z.B. bei Neuauflagen oder beim publishing-on-demand jederzeit ändern kann.
Die Definition des Buches im „Lehrbuch des Bibliotheksmanagements“ S. 9 
(2010) lautet daher:
„Buch im eigentlichen Sinne ist nach seiner Form ein nicht periodisch 
erscheinendes Druckwerk mit meist hundert bis tausend Seiten, die durch 
Heftung oder Leimung verbunden und durch einen Einband oder Umschlag 
geschützt sind. Trotz erheblicher Schwankungen in Form und Größe nimmt es im 
Regal meist weniger als 3 x 25 x 25 cm ein. Es ist damit eine handhabbare 
,Informationseinheit’. In elektronischer Form spricht man vom E-Book.
Entsprechend der UNESCO sollte bei Büchern die Zahl von 49 Seiten nicht 
unterschritten werden. Anderenfalls spricht man von einer Broschüre. Obwohl 
die Broschur (softcover) sich vom Namen her auf den flexiblen Umschlag 
bezieht, ist sie auch insofern ein Kennzeichen für den Umfang, da sich diese 
Einbandform vorwiegend für Publikationen mit weniger als drei Oktavbögen 
eignet.
Nach seiner Funktion wird das Buch zur Verbreitung von Literatur eingesetzt 
und dient zur Übermittlung von Schrift und Bild. Das ,digitale Buch' oder 
E-Book war anfangs zweifellos nichts anderes, als die digital gespeicherte 
Form herkömmlicher Bücher. Daraus entwickelte sich allerdings im Laufe der 
letzten Jahre eine Publikationsform, die durch zusätzliche Ton und 
Bewegtbildeigenschaften, durch Animation und Modellierung multimedialen 
Charakter gewann. Hier sprechen wir nicht mehr vom Buch, sondern von 
Multimediaangeboten.“
MfG
Walther Umstätter
Am 2013-05-04 13:28, schrieb Karl Dietz:
Hallo,
neulich gingen zwei Buchhinweise von H. Steinhauer an inetbib.
Am 23.04.2013 konnte eines davon für umme down-geloaded werden.
Und liegt nun sicher auf etlichen Festplatten.
Eine Frage vor der wdh. aus 2005, die damals an inetbib ging:
Kann dieses eBook nun auch verliehen werden?
zB an Freunde? in einer Bibliothek? ...
On 9/7/05
Ein Buch im Sinne von § 53 Abs. 4 UrhG? Eine Legaldefinition kenne ich
nicht. Ist Buch hier ein besondrer Rechtsbegriff oder ist der allgemeine,
gar der buchwissenschaftliche Buchbegriff zugrundezulegen. Für Juristen
eine
herrliche Frage! Dem Wortsinn nach wird eine Diplomarbeit sicher ein Buch
sein, insofern man darunter eine "in einem Umschlag oder Einband durch
Heftung zusammengefaßte, meist größere Anzahl von leeren, beschriebenen
oder
bedruckten einzelnen Papierblättern oder Lagen bzw. Bogen" versteht. So
liest es sich bei Hiller, Wörterbuch des Buches. Danach ist eine
Diplomarbeit, sofern sie nicht als lose Blätter in einer Juris-Mappe
angeboten wird, ein Buch im tatsächlichen Sinn. Nun könnte man vom Sinn
und
Zweck des § 53 Abs. 4 UrhG  eine einschränkende Auslegung vornehmen und
nur
solche Bücher als Buch gelten lassen, die im Buchhandel erschienen sind.
Auf
die erhebliche Auflagenhöhe würde ich hierbei nicht abstellen, da hier
Widersprüche mit den Vorschriften über Pflichtexemplare auftreten können.
Dort unterliegen schon Auflagen ab 20 Exemplaren einer
Ablieferungspflicht,
vgl. etwa § 3 Abs. 1 Nr. 3 PflExG Berlin. Als gesetzgeberischer Zweck für
§
53 Abs. 4 findet sich in der Kommentarliteratur der Gedanke, daß eine
Einsparung von Anschaffungskosten durch Kopien verhindert werden soll.
Also
kann man sagen, was ich nicht anschaffen kann, weil es nicht anschaffbar
ist, da kann ich auch keine Anschaffungskosten ungerechtfertigt
einsparen.
Also wäre § 53 Abs. 4 UrhG bei nicht im Handel erhältlichen
Diplomarbeiten
unanwendbar. Hinter dem Schutz der Anschaffung steht aber der Schutz der
wirtschaftlichen Interessen der Nutzungsberchtigten, also etwa des
Autors.
Meiner Ansicht nach ist er auch im Falle einer nicht gehandelten Arbeit
insoweit schützenswert, als er immerhin die Möglichkeit hat, die Arbeit
im
Handel anzubieten. Er würde dann aber durch die freie Kopiermöglichkeit
seiner "ungehandelten" Diplomfassung in seinen Absatzchancen geschmälert.
Wenn ich die Ansicht von Herrn Müller zugrundelege, dann kann nämlich
folgendes passieren: Die nicht im Buchhandel erhältliche Diplomarbeit von
Dipl.-Ing. Emsig steht mit seiner Zustimmung in seiner
Hochschulbibliothek.
Diese Arbeit dürfte frei kopiert werden. Wenn Emsig sich entscheidet, auf
eigene Kosten seine Arbeit völlig textidentisch bei einem
Print-on-demand-Anbieter im Buchhandel mit ISBN erscheinen zu lassen,
dann
dürfte dieses Buchhandelsexemplar nicht kopiert werden. Das ist
merkwürdig.
Das Urhberrecht schützt doch Werke als geistige Schöpfungen und nicht
Werkstücke. Das Werk aber ist in beiden Ausgaben, Diplom-Version und
ISBN-Buch, völlig identisch. Von daher würde ich meine Lösung vorziehen
und
für § 53 Abs. 4 UrhG einen tatsächlichen, lebensweltlichen Buchbegriff
zugrundelegen. Das scheint mir konsequenter.
Unterhalten kann man sich freilich darüber, ob man nicht bei einer
"bloßen"
Diplomarbeit zwei Jahre nach Einstellen in die Bibliothek § 53 Abs. 4
UrhG
doch entsprechend anwendet. Anderenfalls wäre der Schutz der im
Buchhandel
nicht vertriebenen Arbeit weitergehend. Wie schon im letzten posting
geschrieben, bin ich hier etwas unschlüssig. Tendiere jetzt aber doch
wohl
zu einem vorsichtigen ja was die Möglichkeit einer Ganzkopie in den
Grenzen
von § 53 Abs. 4 UrhG angeht.
Eric Steinhauer
In: www inetbib de
Eine der vielen high light mails in nun bald 20 Jahren inetbib.
s.a.
Helmut Hiller: Wörterbuch des Buches, 1967
http://books.google.de/books?id=12tMAAAAMAAJ
+
Leiter/in Stb Denkendorf. StZ 04.05.2013
+
MfG, Karl Dietz
blog.karldietz.de
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