[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: [InetBib] Re-2: Geschlechtergerechtigkeit



Hallo, Professor Umstätter,

gestatten Sie, dass ich Ihnen wiederum widerspreche und belladonna
Recht gebe: die Rollen haben sich sicherlich verändert seit der
Jahrhundertwerden, aber sie sind immer noch, v.a. auf dem Lande und im
internationalen Vergleich mit anderen Industrienationen, zementiert
und werden leider nach wie vor auch staatlich/ politisch gefördert
oder zumindest bevorzugt, auf dem Rücken von Frauen und Müttern.

Sie müssen bitte akzeptieren, dass Frauen das klarer sehen können,
einfach als betroffene, als es vielleicht Männern erscheinen mag!
Das liegt (teils) in der Natur der Dinge, wie anderswo schon erörtert:
jemand der nicht in dieser Sache betroffen ist, kann einfach nicht
einfach behaupten, das Betreffende sei nicht der Fall, nur weil er es
nicht so wahrnimmt, wahrnehmen kann!

Sie, die Frauen machen diese Erfahrungen, nicht Männer: das macht
diese Erfahrungen keineswegs weniger gültig, bitter oder richtig! Aber
es bedeutet schon, dass Männer das nicht wirklich beurteilen können.
Ebensowenig wie der Papst Schwangerschaft.
Was anscheinend schwer erträglich ist.

Und was natürlich noch nie einen daran gehindert hat, sich zu äußern,
aber die Frage ist schon, wie.
Natürlich kann jeder eine Meinung dazu haben, und die auch verkünden,
aber etwas weniger Selbstsicherheit und Heilsgewißheit in der
Äußerung der Vermutung stände fast jedem Mann gut zu Gesicht dabei.
Die ungute Geschichte der Medizin an der Frau könnte hier Warnung sein.

Ich finde es sehr schade, dass sich auch bei Ihnen die typische
apodiktische Behauptung findet, wie in

Genau das ist merkwürdigerweise nicht mehr der Fall.

Schön wärs!
...so schade - ich habe Ihre klarsichtigen, fundierten Beiträge immer geschätzt.
Und ja auch in mehr als einer Weise drum gebeten :-)

Ebenso findet sich die indirekte, unterschwellige und versteckte
Schuldzuweisung an "die Frauen", und die noch in der klassischsten
und, mit Verlaub, miesesten Form -

immer mehr Hausfrauen auf den Arbeitsmarkt drängten, konnten die Arbeitgeber 
durch Angebot und Nachfrage
die Arbeitskräfte immer schlechter bezahlen

Diese Logik führt in Konsequenz natürlich zurück zur Kinderarbeit.
Ich glaube aber nicht, dass die Lösung sein kann, das so geschehen und
laufen zu lassen, Angebot und Nachfrage u.a. Mechanismen unhinterfragt
als Gottesgesetz hinzunehmen, und die Ursache für das alles bei der
Frauen"befreiung" und in deren Wünschen und Forderungen zu suchen und
nicht z.B. im marktwirtschaftlichen Wahn...

Und mit Mechanisierung/ Computerisierung hatte das natürlich gar
nichts zu tun -  und Männer haben mehr Recht auf (mehr oder weniger
gut) bezahlte Arbeit, weil sie das/ die immer schon hatten? Und weil
Frauen schlechter bezahlt werden?
Beißt sich da wohl eine fette Katze in den Schwanz? Die Hintergründe
sind ganz offensichtlich andere.

Familienideale und ihr Ab- oder Zunehmen haben ebensoviel und immer
auch was mit Männer-Verhalten zu tun wie der Umstand, dass die Schere
zwischen Arm und Reich seit 30 Jahren ebenso wächst wie die Gewinne
der Reichen, die in 90% der Fälle Männer sind (Witwen und Erbinnen mal
nicht gerechnet) und großer Unternehmen, in denen dort, wo es drauf
ankommt, fast ausschließlich Männer sitzen - denen die sozial
verheerenden Folgen ihres Handelns nicht nur keine Kopfschmerzen,
sondern vielleicht sogar Freude machen, und denen Gewinn bzw. Macht um
jeden Preis alleinige Religion und Gott ist - oder warum sollte
irgendwer einen Krieg in der 3. Welt auslösen wollen bzw. nicht alles
zu seiner Beendigung tun?

Und weiter, andere Ebene

1. eine gefährdete Alterversorgung (in den 68ern war es verpönt mehr als zwei 
Kinder zu haben)
2. immer mehr Ritalin-bedürftige Kinder

(Das mit der Verpöntheit höre ich zum ersten Mal, das klingt ja nach
chinesischen Verhältnissen! War die Zweikinderei nicht wiederum eine
Folge des Wirtschaftslebens und natürlich der Möglichkeit der
Geburtenkontrolle, und bedurfte die Vielkinderei daher keinerlei
Verpönung? Meine Urgroßmutter hatte 15 Kinder - das sind 15 Jahre des
Lebens in ununterbrochener Schwangerschaft und Stillzeit, und immer
eins mehr am Schürzenzipfel! Wie fänden Sie dies als
Lebensperspektive, Herr Umstätter? Damit kann man doch sogar Karnickel
erschrecken!
Über den faktischen Ritalin-Bedarf kann man übrigens auch trefflich
streiten - WER das Zeug wirklich braucht, und warum.)

Dass es "traditionelle" Familien immer noch gibt, weiter geben wird
und auch gerne geben kann und darf - wenn denn nur alle Beteiligten
sich darüber klar sind, was das für sie bedeutet - und dass diese
genauso Rechte und die Erfüllung ihrer Bedürfnisse haben sollen, und
auch Frauen in diesen und ihre Arbeit, wie alle anderen
Gesellschaftsteile auch , steht m.E., und jedenfalls an dieser Stelle,
außer Frage.

Ich bin aber nicht bereit, dies Althergebrachte nur so & deshalb als
besser, sinnvoller oder auch nur als "gut" zu akzeptieren, weil "das
schon immer so war". Ich wäre da für wissenschaftliche Optimierung...
Zur Zeit besteht aber das allermeiste, was auf diesem Sektor von sich
gegeben wird, aus Ideologie und Zweckbehauptung.

Weiter ist es so, dass viele Frauen - Frechheit! Das KANN doch nicht
zählen! - arbeiten WOLLEN, dass das Drängen auf den Arbeitsmarkt vor
über 50 Jahren auch eine direkte Kriegsfolge (wie schon im 1.WK) war -
nicht nur von der Wirtschaft gewünscht wg. Männermangel, niedrigerer
Löhne, Schüchternheit im Fordern und weniger Rechte - die Frauen
selber, die in den Munitionsfabriken den ersten Vorgeschmack von
eigenem Geld, damit relativer Unabhängigkeit, geregelten Arbeitszeiten
und gesellschaftlicher Teilhabe und Mitverantwortung außerhalb des
Haushalts bekamen, WOLLTEN solche Arbeit.

(Und das auch noch AUF IHRE WEISE. Davon allerdings sind wir noch
Lichtjahre entfernt, auch in dieser Debatte.)

Ist es wirklich so vermessen und unerhört, nach all dem Geleisteten
nicht huschhusch wieder an Herd und Bett zu wollen?

Aber oho!: Es gibt sogar Frauen, die beides wollen: Arbeit UND Kinder/
Familie (nicht ich!)!
Warum auch nicht?
Männer konnten das doch auch haben, seit wohl 150 Jahren bürgerlicher
Familie mindestens?

Und da zeigt sich plötzlich, wo die Arbeit steckt, wer sie gemacht hat
und immer noch macht - Arbeit, über die noch gar nicht so lange als
Arbeit geredet wird. Weil Frauen das ja alles bekanntlich gerne tun,
und etwas, das frau gerne tut, keine Arbeit ist - was Männer nie daran
gehindert hat, sich für genau das auch bezahlen zu lassen, und, oft
zugleich, ihren Frauen Bezahlung oder ein Taschengeld zu verweigern.
Weibliche Arbeit im Haushalt zählt(e) schlicht nicht als Arbeit.

Weil oder obwohl sie soziale Komponenten/ Funktionen beinhaltet, über
die auch jetzt noch kaum je als Arbeit geredet wird, und über die so
zu reden ich sehr schade und unromantisch fände, aber erkennen kann,
dass es anders wohl nicht gehen wird...?

Solche Vorteile mag mann natürlich nicht einfach so anhingeben, vor
allem, wenn klar ist, dass die zu Gerechtigkeit notwendigen
Veränderungen gesellschaftlicher Art kaum weniger umwerfend als die
technologischen der letzten Jahrzehnte sein müssen. Und die
Abschaffung vieler Privilegien bedeuten.
Neugier auf das mögliche Neue gibt es wenig. Mann behält lieber das
alte Übel - viele Frauen auch, leider.

--------------

In der Tat könnte man es merkwürdig finden, dass Frauen unter den
gegebenen Bedingungen noch Kinder haben wollen.

Ich persönlich glaube, dass gerade in der "jungen Praktikanten-Szene"
(for lack of a better term, wie im Prenzlberg oder Schanzenviertel,
die mit den hohen Lifestyle-Ansprüchen) viele junge Frauen sich
entschlossen und noch entschließen, Kinder zu bekommen, wenn sich
zeigt(e), dass es mit ihrer Karriere nichts werden würde, sondern
allenfalls mit der von Freundi - und zwar bedauerlicher Weise m.E.
ganz oft dies nicht als Kind, sondern als Selbstrechtfertigung.

Und plötzlich ist dann alles anders...
Sicher sind nicht alle dieser Kinder Unfälle. Sondern ganz viele
erwünscht und ersehnt und geliebt.

Und doch bezweifle ich die Qualität des Grundes.
Die Rechtfertigung der eigenen Existenz sollte nicht auf Fortpflanzung
beruhen. Eigentlich sollte sie gar keine brauchen (Rechtfertigung,
meine ich).

Wir sind doch keine Tiere, oder?
Was eine Behauptung ist, die paradoxerweise besonders gerne von
denjenigen (M.... ich schreibs jetzt nicht!) aufgestellt wird, die
sonst schwer für die "natürliche" Rolle der Frau eintreten.
Die kriegen noch nicht mal diesen Widerspruch mit, und wollen mir
sagen, wo es langgeht?!

Und übrigens ist "ich hab wenigstens für meine Rente vorgesorgt" auch
überhaupt kein toller Grund für Vermehrung.
Hab ich ehrlich schon gehört, auch wenn das wahrscheinlich vorgeschoben war...
Das ist ein Schlachthofargument. Massenmenschenhaltung wäre sicher ne
Lösung, klar doch.
Es kann, sollte, darf doch beim Kinderkriegen nicht um Kassenausgleich gehen?!

Wenn doch, verwundern mich jedenfalls ADHD oder wie das heißt,
Fettsucht, soziale Störungen usw. bis hin zum Amoklauf gerade auch in
den "traditioneller" strukturierten Familien nur noch wenig.

Obwohl, es war ja im Mittelalter nicht viel anders, auch da waren
viele Kinder eine Altersabsicherung... Vielleicht sollte sich mal wer
über eine Ökonomie der Neuzeit Gedanken machen?

----------

Aber, lieber Herr Umstätter, zu schreiben

Interessant ist, dass ihre Zahl trotzdem wächst,  wobei dann allerdings Hartz 
IV besonders oft zu Gast ist

ist m.E. nachgerade zynisch - Ich denke, dass es sehr oft so ist, dass
die Herren oder Jüngelchen sich bei Schwangerschaft höchst
überraschend (für machen Frauen) ebenso unwillig wie unfähig zeigen
eine Vaterrolle zu übernehmen (man wollte ja nur spielen), und da, wo
es vorher vielleicht sogar 2 Gehälter gab, gibt es plötzlich eine
einzelne Frau, die aus der Babypause direkt in HartzIV gelangt.
"Gerne" auch ohne Unterhalt.

Z.B. weil sie sich erfrecht, eigene Vorstellungen und Ansprüche von
Erziehung und Familie zu haben, an den Umgang ihres Partners mit ihr,
Respekt und Rücksichten, wohl gar Mithilfe im Haushalt zu verlangen -
und evtl. nicht wirklich einsieht, warum ein weiteres, vielleicht gar
undankbares und unfreundliches, Maul mitgestopft werden sollte - oder
dto Socken.

Nebenbei - ich kann Ihnen versichern, dass Hartz IV mitnichten "zu
Gast" ist, sondern wie ein fetter Alp im Nacken sitzt und nicht nur da
weh tut.

Sie werden sicher nicht verlangen, dass Frauen Demütigungen, dumme
Sprüche, negative Hinweise auf ihr Aussehen, Fähigkeiten Nichtgenügen,
vielleicht sogar Gewalt, still zu ertragen haben - um damit eben
mitnichten einem alten Familienideal zu genügen, das eben meist nur
ein Ideal war und bestimmt nicht frei von Mißbrauch, aber sehr wohl
frei von der offenen, ehrlichen Rede darüber?

Na gut, das alles kann sie ja auch auf dem Amt oder im Beruf haben...

Es kann Ihnen auch nicht verborgen geblieben sein, dass halbwegs
anständig bezahlte Teilzeitjobs, die eine Kindererziehung wenigstens
eben halbwegs möglich machen würden, sehr rar sind - schon eine halbe
FaMI-Stelle bringt zumindest zunächst mal keine 1000 Euro in die Kasse
und reicht in teureren Städten kaum für die Miete, geht also kaum ohne
Partner - während in der gegenwärtigen Lage selbst um Praktika und
miserable 400 Euro-Putzjobs Kämpfe entbrennen.

Oder dass sehr viele Arbeitgeber (alleinerziehende) Mütter nicht
einstellen, weil die ja bei jedem Schnupfen des Kindes zu Hause
bleiben - wenns denn stimmt? Was aber ja gesellschaftlich sinnvoll und
wünschenswert wäre und anderswo nicht nur dies, sondern auch möglich
ist?

Oder dass
- einerseits auf den Müttern herumgehackt wird, die ihre Kinder nicht
selber erziehen,

- während andererseits denen, die es tun, die Sache schon durch den
Mangel an Geld, Beratung, bezahlbarer / geförderter Unterstützung das
Leben so schwer wie möglich gemacht wird und, sofern alleinstehend,
ihnen immer noch Hilfe verweigert, aber implizit, und so ganz
hintergründig, nicht etwa Selbstbestimmtheit, sondern Lotterleben und
"Unfähigkeit, einen Mann zu halten", unterstellt werden - diese Kinder
gelten nach wie vor schlechter, wenn es auch kaum je noch offene
Diskriminierung gibt -
kurz, erwünscht sind nur eheliche Kinder;

- sodann auf solchen Müttern herumgehackt wird, die die Frechheit
haben, bis  mindestens zum 6. Lebensjahr ihres Jüngsten zu Hause
beliben zu wollen, als "überbehütend" z.B., vielleicht auch als
"arbeitsscheu", und sie von von Ämtern teils massiv unter Druck
gesetzt werden; und

4) die, die arbeiten wollen, keine Arbeit finden, schon weil es keine
Kitas gibt (Vereinigungsversprechen, kann sich noch wer erinnern?),
von den jämmerlichen jetzt-450€ Jobs die Hälfte abgezogen wird; eine
Tätigkeit von mehr als 2 Stunden am Tag eh nicht erlaubt ist.
Das heißt im Klartext: Putzjob, sonst geht legal gar nichts, nicht mal
an z.B. Inventuren kann teilgenommen werden!

Ein double bind ist nix dagegen - mich wundert allenfalls, dass nicht
mehr Mütter in der Klapse oder zur Kur sind.
Das kann aber auch daran liegen, dass Hartzis auf sowas keinen
Anspruch mehr haben.

In die Rentenversicherung wird nicht mehr eingezahlt, und davon, was
aus diesen Leuten, ja wertlosen Existenzen, die wohl kaum 40 Jahre
entgeltlich gearbeitet haben werden, wenn es mal so weit ist, redet
keiner. Vielleicht gibts ja dann Rentnerarbeitslager.

Das Kindergeld wird auf die Stütze angerechnet, schon Nachhilfestunden
oder Förderunterricht für die Lütten sind nicht bezahlbar, an Musik-
oder Sportstunden über längere Zeiträume oder auch mal einen
Kinobesuch, Gott bewahre, zum Geburtstag ist gar nicht zu denken!
Und Kleidung, die mensch zu einem Bewerbungsgespräch oder einem
besseren Besuch tragen könnte, ist nicht bezahlbar.
Aber sowas hat frau dann sowieso nicht mehr, geschweige denn Rendezvous.
Zu Hause vor der Glotze sitzen oder spazieren gehen geht, alles andere
ist zu teuer.
Oder am Computer, und kämpfen.

Weiter müsste bekannt sein, dass für alle diese Fälle in einigen
Ländern dieser Welt zum Glück sehr viel besser Vorsorge getroffen ist
als in diesem, und es funktioniert, was beweist, dass Gerechtigkeit
und eine Entspannung der Lage möglich wäre.

Oder?

Wenn mir jetzt jemand erklären könnte, warum es (mal abgesehen von den
angeblichen oder tatsächlichen ökonomischen Gründen) so schwer ist,
hierzulande die sinnvollen und dringend notwendigen Verbesserungen der
Lage durchzusetzen, und welche Privilegien und Bequemlichkeiten so
wichtig sein können, dass zwischengeschlechtliche Gerechtigkeit nicht
wünschenswert ist, oder welcher Zacken aus der männlichen Krone
bricht, wenn man sie durchsetzt?!

Decidedly off-topic, aber mindestens genauso notwendig, hier und überall!

1 schönen Abend noch -

Silke Ecks

-- 
http://www.inetbib.de


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.