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Re: [InetBib] Hallo? Jemand zu Hause?
Seien wir ehrlich: Zur großen Blütezeit der Little Science, insbesondere
zur Zeit der Aufklärung, sahen sich viele Wissenschaftler dazu berufen
gemeinsam dem Rest der Welt die Vorteile und Fortschritte des Wissens (als
evidence based information) deutlich zu machen. Das wurde zum Siegeszug
der Wissenschaft. In der heutigen, von der Big Science dominierten
Wissenschaft geht es dagegen hauptsächlich darum, eigene Projekte gegen
konkurrierende Projekte durchzusetzen. (Wer bekommt z.B. das meiste Geld
im Streit um das Global Warming?) Damit wurden Zeitschriften bzw. Verlage
zunehmend zu Foren des Wettbewerbs. Insbesondere durch das Peer-Reviewing
und ihre weltweit führenden Online-Datenbanken haben die USA sich hier die
bislang unangefochtene Spitzenposition erarbeitet, wie man sich in fast
jeder wissenschaftlichen Bibliothek hierzulande ansehen kann, auch wenn
wir zusehen können, wie sich das langsam ändert.
Wie man an den “Key questions in the UK’s shift to open-access research“
leicht erkennen kann (M. Bonitz und A. Scharnhorst
http://www.wissenschaftsforschung.de/JB02_83-88.pdf haben das
szientometrisch schon vor zehn Jahren gezeigt), ist daraus ein Wettbewerb
der Länder um die beste Wissenschaft geworden.
Es ist nicht nur veraltet, Zeitschriften auf Papier zu drucken und in noch
immer Papier- zentrierten Bibliotheken aufzustellen, ebenso veraltet ist
es, noch immer Peer Reviewer als Gatekeeper der Wissenschaft fungieren zu
lassen.
Das Internet als Fließbandproduktion von Wissen gibt uns heute die
Möglichkeit, das alte weltweit führende Referatenorgane-System unter
modernen Bedingungen wieder zu reaktivieren, in dem Wissenschaftler ihr
Wissen zur Diskussion aller Fachleute stellen, und nicht nur den meist
weit überforderten Peer-Reviewern. Deren wirkliche Aufgabe war selten eine
hohe Qualität einer Zeitschrift zu erreichen, als vielmehr, sie in den
schwarzen Zahlen zu halten. Da ist die Unterscheidung zu einem
Bild-Zeitung-Redakteur recht gering.
Wir müssen hier nicht diskutieren, wie viel nobelpreisträchtige Arbeiten
von Peer-Reviewern schon abgelehnt wurden, wir müssen aber die Qualität
deutscher Zeitschriften dadurch heben, dass alle Fachleute dieser Welt sie
wieder für wahrnehmungswürdig und diskutabel erachten.
Wir diskutieren zu wenig über die Inhalte von IWP, LIBREAS etc. Die
Wissenschaft, insbesondere die Big Science muss wieder objektiver,
wirtschaftlich und politisch weniger beeinflussbar und in ihren Inhalten
zielorientierter auf Wissensgewinn ausgerichtet sein.
Die Tatsache, dass es möglich ist, die Zeitschriften von Elsevier zu
Boykottieren ist ein höchst bedenkliches Zeichen für den Zustand heutiger
Wissenschaft. Dass Wissenschaft sozusagen Open Access sein muss, ist im
Prinzip eine Selbstverständlichkeit, auch wenn wir deutlich beobachten,
dass immer mehr wissenschaftliche Einrichtungen durch ihre Geheimhaltung
mehr Gewinn machen, als durch die Publikation.
Früher wurde Wissen während der Weltkriege möglichst geheim gehalten, und
brach sich danach wieder Bahn in die Öffentlichkeit, im Moment haben wir
aber keine Nachkriegszeit, die geheimes Wissen frei setzt. Dagegen
enthalten auch die wissenschaftlichen Zeitschriften immer mehr Reklame für
bestimmte Projekte, Interessengruppen oder Produkte. Wer sich noch daran
erinnert, wie sich die Informationstheorie, die Informatik oder auch die
Atomphysik nach dem zweiten Weltkrieg, wie ein Lauffeuer, ausbreitete,
weiß wovon ich spreche.
Es geht weit mehr um die Qualität deutscher Zeitschriften, als um die
Selbstverständlichkeit von Open Access.
MfG
W. Umstätter
im Prinzip haben Sie recht, Herr Graf, auch wenn es mit dem roten
Teppich nicht genug ist. Ich bin nicht mehr so pessimistisch mit dem HI
und OA-Z - vielleicht hat die jetzige Diskussion doch was bewirkt. Wenn
nicht, werde ich mich wohl doch dran machen mässen.
RK
Am 06.05.2012 14:02, schrieb Klaus Graf:
On Sun, 06 May 2012 13:29:08 -0700
Rainer Kuhlen<rainer.kuhlen@xxxxxxxxxxxxxxx> wrote:
Dass die Informationswissenschaft in Deutschland nicht an
OA
interessiert sei oder keine Kompetenz auf dem Gebiet
habe, sollte nicht
generalisiert werden.
Naja, Ihr Engagement in allen Ehren, aber sonst fallen
einem nicht viele Informationswissenschaftler ein, die sich
so vehement fuer Open Access einsetzen. Sie sind ein
"weisser Rabe".
Was ich unertraeglich finde ist die Unterstellung, man
koennte ein qualitaetsvolles Open-Access-Journal nicht als
Emeritus betreuen.
Gerade in Konstanz duerfte man Ihnen einen roten Teppich
seitens der Open-Access-Beauftragten ausrollen, wenn Sie
ein OA-Journal gruenden wollten. Wir sprechen hier nicht
ueber PLoS One mit 14.000 Artikeln jaehrlich (und hohen
Artikelgebuehren).
Man kann ein hochangesehenes OA-Journal quasi ohne ein
Geschaeftsmodell betreiben:
http://archiv.twoday.net/stories/75229491/
11.500 Journals weltweit nutzen das Open-Source-System
"Open Journals"
http://pkp.sfu.ca/ojs-journals
Die Herausgeber muessten die Begutachtung organisieren und
vielleicht auch mal beim Redigieren Hand anlegen.
Dass Sie nicht ein paar Leute zusammenbekaemen, die
ehrenamtlich diese Arbeit uebernaehmen, scheint mir bei
Ihren ausgezeichneten Verbindungen eine eher abwegige
Annahme.
Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!
Klaus Graf
--
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Prof. Dr. Rainer Kuhlen
Department of Computer and Information Science
University of Konstanz, Germany
Rochstr. 4
10178 Berlin
URL: www.kuhlen.name
Email: rainer.kuhlen@xxxxxxxxxxxxxxx
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