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Re: [InetBib] Missbrauch der Erinnerung - Zivilcourage (war: Bibliothek blockiert Wikileaks)
- Date: Mon, 13 Dec 2010 19:10:09 +0100 (CET)
- From: Haase Jana <haase.jana@xxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Missbrauch der Erinnerung - Zivilcourage (war: Bibliothek blockiert Wikileaks)
Liebe Kollegen und Kolleginnen,
bleiben wir doch bei den einfachen und ganz nahen Ereignissen - und dem
aufmerksamen Zeitunglesen. Wie vielen ist entgangen oder ganz schnell
entfallen, wer in diesem Land in diesem Jahr seinen "Job verloren hat" und
warum: hier die Beispiele Margot Kläßmann und Reiner Speer:
dezember 2009
http://www.haz.de/Nachrichten/Politik/Deutschland-Welt/Kaessmann-fuer-Abzug-deutscher-Soldaten-aus-Afghanistan
februar 2010
http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,680230,00.html
september 2010
http://www.tagesschau.de/inland/afghanistaneinsatz134.html
oktober 2010
http://www.bild.de/BILD/politik/2010/09/23/innenminister-rainer-speer/brandenburg-ruecktritt.html
dezember 2010
http://www.tagesspiegel.de/berlin/brandenburg/platzeck-speer-soll-mandat-niederlegen/3591366.html
Die Fähigkeit, zwischen den Zeilen oder den Zeiten zu lesen und die
Aufmerksamkeit nicht zu verlieren für das Wesentliche sollten wir uns erhalten.
Viele Grüße
--
Jana HaaseAm Friedrichshain 19 c10407 BerlinTel. 030 441 50 84
----- ursprüngliche Nachricht ---------
Subject: [InetBib] Missbrauch der Erinnerung - Zivilcourage (war: Bibliothek
blockiert Wikileaks)
Date: Mo 13 Dez 2010 14:01:49 CET
From: Martin.Steinmetz@xxxxxxxxxxxxxx
To: Inetbib<inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Sehr geehrte Frau Mahrt-Thomsen,
Sie schreiben:
Es ist beschämend zu hören, wie KollegInnen bei
dem ersten Angriff von oben auf das Recht des freien
Zugangs zu Informationen schon abtauchen und die Erinnerung
an die NS-Zeit dazu missbrauchen, jeden Rest von Zivilcourage
heute gleich an der (Verbuchungs-) Theke abzugeben.
ich verwahre mich gegen den Vorwurf, die Erinnerung an die NS-Zeit zu
missbrauchen.
Wenn ich meine Familiengeschichte zurückverfolge, blicke auf
Einzelschicksale, die den Bogen von Täterschaft über Mitläufer über
unschuldig mitgefangen/mitgehangen reicht. Ich blicke auf ein
alltagstypisches Sich-arrangieren-müssen, aber auch auf kleine Akte des
Widerstands, z.B. Hören von Feindsender, das mit hoher Strafe bedroht war.
Und ich blicke auf die Folgen: Gefallen, Gefangenschaft, Flucht und
Verlust von Haus und Hof.
Ich kann mir schon ein Bild machen, was damals möglich war und was heute.
Auch ich habe aus der Geschichte gelernt. Natürlich haben wir es heute
unendlich viel leichter. Und mir ist auch der Satz von Erich Kästner
bekannt, der sinngemäß lautet:
"Man darf nicht solange warten mit dem Aufbegehren, bis aus freier
Meinungsäußerung Hochverrat wird." Klar.
Trotzdem habe ich Verständnis dafür, wenn Menschen Angst haben. Gerade
heutzutage in den USA. Es ist schon mancher Unschuldige durch die Mühlen
der Justiz gedreht worden. Trotz Rechtsstaat, trotz funktionierender
Justiz! Ich verweise mal auf den Fall Kurnaz
http://de.wikipedia.org/wiki/Kurnaz Oder kennen Sie den deutschen Fall
Andrej Holm? Es reichen heutzutage nötigenfalls "linguistische
Übereinstimmungen" (!!!), dass der Staatsschutz vor Ihrer Tür steht ...
http://www.freitag.de/2007/47/07471301.php In den USA dürfte das "dank"
des Patriot Acts noch viel schneller gehen!!!
Und apropos Jobverlust:
Wenn ich mir Ihren Lebenslauf anschaue,
geb. 1943, 1964-67 diplombibliothekarische Ausbildung in Berlin, 1967 bis
2008 Mitarbeiterin der Stadtbibliothek (Friedrichshain-) Kreuzberg, davon
27 Jahre Leiterin einer Stadtteilbibliothek.
(http://www.vifa-recht.de/fachtagung2010/referenten.php)
dann wissen Sie wohl nur theoretisch, was das heißt, durch die Maschinerie
der Arbeitsagentur geschleust zu werden.
Wer je längere Zeit arbeitslos war - und ich war das! - hätte diese Zeilen
Gleich dem ersten Druck nachzugeben und das mit der Angst vor dem
Jobverlust
(fehlt nur noch das Argument:
"Ich muss ja für meine Familie sorgen") zu rechtfertigen, ist ein
bisschen
wenig.
nicht so leichtfertig von sich gegeben.
Besten Gruß
Martin Steinmetz
_____________________
Landeshauptstadt Mainz
Bibliotheken der Stadt Mainz - Wissenschaftliche Stadtbibliothek
Dipl.Bibliothekar Martin Steinmetz
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