Sehr geehrte Frau Ramelow, sehr geehrte Liste -
der Guardian ist keine amerikanische Zeitung - wenn es dazu käme, dass
selbst ungenannt bleibende Instanzen sich so weit versteigen, Zugänge
zu Wikileaks über diese oder eine andere nicht-amerikanische Zeitung
zu blockieren, hätten wir einen "internationalen Vorfall".
Vergleiche mit China würden in einem solchen Fall m.E. nicht annähernd
weit genug greifen.
Es scheint mir z.Zt. schwer vorstellbar, dass dies passieren könnte.
Die LOC hat, was sie getan hat, freiwillig getan, ohne Not.
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Aus dem Library Journal-Artikel, auf den Herr Delin verlinkte, stammen
diese Sätze, ziemlich weit oben:
"The OMB memo does not call for agencies to block access to any
websites, but the notice does state that federal employees and
contractors may not access classified material on non-classified
government systems, "including classified documents available on
WikiLeaks and other websites.""
[...]
"The OMB, which is part of the executive branch, has no direct
authority over the Library of Congress—which, as its name implies, is
under the jurisdiction of the legislative branch. But like all
government agencies, the LC is subject to federal laws regarding
classified information."
Übersetzung nach meinem Verständnis:
"Das Memo des OMB fordert Behörden/ Dienststellen nicht auf, Zugang zu
irgendwelchen Websites zu blockieren, aber die Notiz stellt fest, dass
Staatsangestellte und Vertragspartner keinen Zugang zu klassifiziertem
Material auf nicht-klassifizierten Regierungs-[Computer-]Systemen
nehmen dürfen, "einschließlich klassifizierter Dokumente, die die auf
Wikileaks und anderen Webseiten verfügbar sind"."
[...]
"Das OMB, das Teil der Exekutive/ der ausführenden Organe ist, hat
keine direkte Autorität über die Kongressbibliothek - die, wie der
Name impliziert, der Rechtsgewalt der Judikative/ legislativen Organe
unterstellt ist. Jedoch ist die LC, wie alle Regierungsstellen,
Bundesgesetzen unterworfen, die klassifizierte Informationen
betreffen."
Ich finde, das ist ziemlich deutlich.
Ich habe keine Grund, diese Angaben des LJ anzuzweifeln. Und wenn dies
so stimmt, stellen diese Angaben das Handeln ganz ungeachtet jeder
persönlichen Meinung der LOC in ein sehr bedauerliches Licht.
Möglicher Handlungsspielraum ist offenbar - nun, ungefragt und wohl
auch ungeschickt, verspielt worden. Was (hoffentlich nicht!)
richtungsweisend sein oder werden könnte.
Es wäre ungleich interessanter gewesen, zu sehen, welche RECHTLICHEN
Mittel die US-Regierung zu ergreifen bereit wäre.
Und es scheint nach alledem, dass das Vertrauen, dass sie solche
wählen würde, auch in den USA nicht sonderlich groß ist.
(Es bleiben Fragen offen: Der Status der "systems" der LOC ist mir
nicht bekannt, und wer ist ein Vertragspartner? In wie weit ist ein
Lesekartenbesitzer oder Nutzer der LOC ein Vertragspartner in diesem
Sinne?)
Das OMB ist "the White House's Office of Management and Budget" - also
eine zumindest beratende und die Vergabe von Mitteln koordinierende
Stelle (beim US-Präsidenten), somit sicherlich mit Controlling- und
letzlich vielleicht auch mit Personalvollmachten ausgestattet, und
damit nicht ganz ohne Einfluß und Gewicht - da könnte schon der
Stupser mit der Feder reichen, Zaunpfähle sind zum Winken gar nicht
nötig.
Aber früher mußte man wenigstens manchen Leuten schon noch Instrumente
aus härterem Metall zeigen...