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Re: [InetBib] Frage zu Hybridpublikationen
- Date: Thu, 6 Aug 2009 20:57:12 +0200
- From: Walther Umstaetter < h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Frage zu Hybridpublikationen
Dass Verleger zwar wissen, dass kostenfreie Internetangeboten zur
Erhoehung
ihrer Verkaufszahlen fuehren, dies aber geheim halten, ueberzeugt mich
noch nicht ganz ;-) Es entbehrt auch sicher nicht einer gewissen Komik,
einem Verleger vorzuwerfen, er sei nicht an hohen Verkaufszahlen
interessiert.
Dass eigentliche Problem scheint mir wo anders zu liegen. Es geht
nicht um verlegerisch
uninteressante Publikationen mit geringen Auflagenzahlen, sondern um
solche,
die ohnehin schon viele Leser haben, bei denen man also auch Geld
verdienen kann,
und bei denen die Gefahr besteht, dass die Absatzzahlen wirklich
einbrechen.
Der vorgeschlagene Test von Herrn Graf ist also der typische Fall einen
systematischen Fehler zu begehen, denn Verleger sind
sicher nicht daran interessiert Ladenhueter zu publizieren.
Insofern nehme ich Herrn Ulmers Aussage "ICH BIN NICHT GEGEN OPEN
ACCESS!"
durchaus ernst, soweit es um wissenschaftliche Publikationen geht, bei
denen,
ohnehin nichts zu verdienen ist. Darum wurden ja die meisten
Disserationen
frueher von Bibliotheken verteilt und nicht verlegt. Die Verlage, die
heute fast ohne
eigenen Kostenaufwand PDF-Dateien ins Netz stellen, um damit Geld zu
verdienen
sind ja eine Sache fuer sich. Sie muessen nicht viel Geld vorlegen,
und zeigen,
dass man nicht alle Verleger in einen Topf werfen darf.
Wenn aber Verlage schon widererwarten Ladenhueter im Angebot haben,
dann werden sie
das ungern im Internet publik machen. Abgesehen vom delayed Open
Access, bei dem es ja
schon seit laengerem nur um die Frage geht, ab wann, sollte eine
Publikation kostenfrei ins Netz,
damit das Interesse daran noch einmal steigt.
Ansonsten ist es bedauerlich, dass man hier teilweise die "Farbbeutel"
nur auf der einen Seite zaehlt.
Die eigentliche Frage von Herrn Kohle, nach einer "fundierteren
Marktanalyse" ist ja berechtigt.
Sie ist aber schwierig, weil schon Merton 1973 sehr richtig auf den
wissenskommunistischen Charakter von
wissenschaftlichen Publikationen hingewiesen hat. Den man aber nicht
mit einem Kommunismus
Marxistischer Praegung verwechseln darf, denn die Betroffenen sind
hier nicht die Proletarier des
Insdustrizeitalters, sondern die Wissenschaftler von heute.
Publiziertes Wissen (und nur dieses)
gehoert der Allgemeinheit. Finanziert und verbreitet wurde und wird es
weitgehend auch fuer die
Allgemeinheit, sonst gaebe es keine Bibliotheken. Verlage waren und
sind dabei wichtige Katalysatoren.
Von der Industrie sei hier abgesehen, weil die ihr Wissen meist direkt
vermarktet, patentiert und nicht
selten geheim haelt.
MfG
W. Umstaetter
On Aug 6, 2009, at 6:05 PM, Matthias Ulmer wrote:
Lieber Herr Müller,
die Verlage halten meines Wissens nichts geheim. Sehen Sie es mal so
rum: wenn jemand keine Angaben macht, dann heißt das nicht, dass er
nicht will, sondern oft auch nur, dass er nicht kann.
Nehmen wir das von Ihnen genannte Beispiel Erfolgreiches Scheitern
von Herrn Kuhlen. Wir reden zwar und Herr Kuhlen liest ja in der
Regel auch inetbib. Aber wir hängen noch immer an der Aussage von
Ihnen, dass das Buch hybrid angeboten wurde, dass Sie es nach PDF-
Genuss gedruckt gekauft haben und dass nach Ihnen vorliegenden
Informationen sich das Buch in einer erfreulichen Höhe verkauft.
Das ist als Information noch nicht sehr viel. Relevant wäre folgende
Aussage:
"Die normale Auflage eines solchen Buches liegt bei 1000 Exemplaren,
die Verkaufserwartungen in den ersten drei Jahren liegen bei 400, 200
und 100. Durch das parallele Angebot eines kostenlosen E-Book-
Downloads konnten 500, 250 und 120 abgesetzt werden."
Leider formuliert man vor der Publikation nicht immer klare
Zielwerte. Und nachher weiß man nicht, ob man sie wegen der
Hybridpublikation verfehlt hat oder weil das Buch nicht gut war oder
weil zeitgleich eine Konkurrenz erschienen ist oder weil der Autor
leider kurz nach Erscheinen das Fachgebiet gewechselt hat usw.
Bei der Google Buchsuche ist der Klassiker, dass die Verlage sagen:
ja, ich habe monatlich 200 buy-clicks bei meinen Titeln, die GBS ist
für mich also sehr erfolgreich. Wenn man aber nachfragt, dann ist den
wenigstens klar, dass der buy-click nur ein click-through zu Amazon
etc. ist und die Umwandlungsrate dort vielleicht bei 5% liegt. Aus
200 wird dann 10 und die Gesichter lang und länger.
Also auch hier in "Großbuchstaben": Ich will nichts vertuschen oder
einfach leugnen, ich sehe nur bei allen mir vorliegenden Infos bisher
keine klare Linie. Ich spreche dabei nicht von wissenschaftlichen
Monografien sondern von allen Warengruppen.
Ich werde mich bemühen, ob wir im Börsenverein einen Status Quo der
aktuellen Erfahrungen zum Thema Hybridpublikationen zusammentragen
können. Das wird aber nicht viel aussagekräftiger als Herrn Grafs 62
Weblinks. Da sagt der eine, dass OA für neue Autoren ganz toll ist.
Der nächste meint, damit könne man schnell bekannt werden und dann
beim nächsten Buch einen Verlag finden. Der dritte meint, dass sich
das Buch trotz OA-Angebot immer noch verkauft. Noch einer sagt, dass
er OA für Werbezwecke und als Lesemuster ganz wichtig findet usw.
usw., Das wird im Börsenverein nicht viel anders sein. Zu wenig
Erfahrung und zu viele Einzelaussagen, die nicht in Verbindung
gebracht werden können.
Wir haben in der Berufsschule gelernt, dass die Bibliotheken eine
wichtige Werbefunktion für die Verlage haben und das kostenlose
Leseangebot keineswegs den Umsatz schmälert sondern eher neue Käufer
erzeugt. Ich glaube das auch. Aber ob das je wirklich nachgewiesen
werden konnte? (Falls es eine Studie gibt, dann würde ich mich über
einen Hinweis freuen).
Zum Dialog: es gibt ja sehr viel Dialog zwischen Bibliothekaren und
Verlegern. Hier zum Beispiel. Es wäre hilfreicher, wenn er sachlich
geführt wird. Man sucht sich zum Gespräch ja doch Personen aus, mit
denen man ein Thema inhaltlich bewegen kann, weiter kommt. Es ist
zwar unterhaltsam, wenn man sich gegenseitig mit Farbbeuteln bewirft.
Wenn aber von vornherein klar ist, dass man die Position von Herrn
Hilty oder Hoeren absurd findet und die ganz sicher auch nicht
kommen, um dazu zu lernen; wozu soll man sich und dem Publikum das
antun? Wenn man persönlich von Herrn Kämper oder Herrn Graf laufend
beschimpft wird, dann sind das auch nicht die Namen, die man für die
Rednerliste vorschlägt. Ich finde das ja amüsant. Aber fürs eigene
Amusement macht man ja eine Konferenz nicht.
Und zwischen Börsenverein und Wissenschaftsorganisationen gibt es
ebenfalls Gespräche. Es ist ja alles nicht so schlimm wie es scheint.
Freundliche Grüße
Matthias Ulmer
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Geschäftsführer: Matthias Ulmer
Am 06.08.2009 um 16:07 schrieb Müller, Harald:
Herr Müller: ICH BIN NICHT GEGEN OPEN ACCESS!
Lieber Herr Ulmer!
Herzlichen Dank für diese klare Aussage. Jetzt sind wir schon zwei,
die in einem
spezifischen Punkt die gleiche Meinung vertreten. Ich kann mich
auch gleich mit
einer ebenso klaren Aussage outen: ICH BIN FÜR DAS GEDRUCKTE BUCH!
Ansonsten: ich habe in meiner Mail lediglich versucht, den Stil und
die Methoden
des Heidelberger Appell bzw. seiner Apologeten zu imitieren. Ob mir
das gelungen
ist, mögen andere entscheiden. Obwohl, die zwischen Ihren Zeilen
durchschimmernde Emotionalität läßt einiges vermuten.
Jetzt lassen Sie uns doch mal zur Sache kommen: Natürlich können
nur Verlage
fundierte Zahlen vorlegen. Genau dieses geschieht aber nicht. Seit
Jahren werden
vom Börsenverein gebetsmühlenartig immer wieder Behauptungen
aufgestellt, aber
nie wird ein Beweis angetreten. Als Jurist kritisiere ich das, weil
spätestens
vor Gericht eine die Fakten offen gelegt werden müssen. Deshalb hat
Herr Kollege
Hubertus Kohle doch seine freundliche Aufforderung hier
veröffentlicht.
Verleger, Wissenschaftler und Bibliothekare (bzw. die jeweils
feminine
Alternative) haben teilweise gemeinsame und teilweise
unterschiedliche
Interessen. Das ist normal. Aber wenn man nur aufeinander
rumprügelt, statt auf
der Basis der übereinstimmenden Positionen versucht, möglichst
viele der
divergierenden Interessen zu realisieren, amüsiert sich zwar die
Pleps, aber die
Beteiligten können nicht so recht zufrieden werden. Warum gibt es
keine
Gespräche Verlage/Börsenverein und Bibliotheken/
Wissensorganisationen? (Laut
Pressemitteilungen z.B. groß angekündigt anlässlich des Prozesses
Ulmer-Verlag
gegen UB Darmstadt). Warum werden zu Veranstaltungen wie der
kürzlich in
Frankfurt zum Heidelberger Appell nur Claqueure geladen und nicht
eloquente
Verfechter von Gegenpositionen (ich nenne nur die Namen Kuhlen,
Hilty, Hoeren,
Steinhauer, Graf (ja, genau der!) oder Kämper)?
Freundlich einladend grüßt
--
Dr. Harald Müller
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