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[InetBib] www.was-verlage-leisten.de - hier: angeblicher Rosinenkuchen



Lieber Herr Steinhauer,

zu Ihrer in dieser Liste veröffentlichten Auseinandersetzung mit den Texten auf 
unserer Website www.zweiter-korb.de folgende Replik:

Zeitschriftenangebot künstlich aufgebläht
Sie kritisieren, dass das Angebot wissenschaftlicher Zeitschriften künstlich 
aufgebläht und überteuert sei. Wie Sie wissen, gilt für Wissenschaftler die 
Regel „publish or perish“. Wenn die Mittel für die Forschungsförderung wachsen 
– und das tun sie seit Jahren weltweit -, dann wächst auch die Zahl die 
Forschungsergebnisse und damit der Publikationsdruck auf die Verlage und/oder 
open access-Anbieter. Entsprechend wachsen die absolute Zahl wissenschaftlicher 
Zeitschriften / OA-Websites und die Umfänge dieser Zeitschriften bzw. die Zahl 
der OA angebotenen Titel.

Warum diese Aufblähung „künstlich“ sein soll, erschließt sich mir nicht. 
Natürlich führt dieses Phänomen dazu, dass sich irgendwie und irgendwo ein 
„dirty low end of publishing“ bildet (übrigens im OA-Bereich genauso wie bei 
den Journals). Geschieht dies bei Verlagsangeboten, liegt Ihre Funktion als 
Bibliothekar darin, durch Ihr Bestellverhalten dafür zu sorgen, dass 
Zeitschriften, bei denen das Preis-Leistungsverhältnis nicht stimmt, keine 
Nachfrage finden. Seien Sie sicher, dass es diese Zeitschrift dann nicht mehr 
lange geben wird, wenn es dem Verlag nicht gelingt, sie nachhaltig zu 
verbessern und attraktiv zu machen. Ob es im OA-Bereich eine ähnlich schnelle 
und wirkungsvolle Regulierung gibt, weiß ich übrigens nicht.

Zeitschriftenangebot überteuert
In den letzten drei Jahren hat sich die durchschnittliche jährliche 
Preissteigerungsrate bei wissenschaftlichen Zeitschriften weltweit um etwa 
sieben Prozent bewegt. Dies entspricht der Kumulation des jährlichen weltweiten 
Zuwachses von veröffentlichten Forschungsergebnissen von knapp vier mit der 
durchschnittlichen Inflationsrate in den USA von etwa drei Prozent. Wenn das 
„Überteuerungen“ sind, dann wüsste ich nicht, wie diese bei OA-Angeboten 
ausbleiben sollten. Der Verlag Wiley VCH hat im vergangenen Jahr gut 30 Prozent 
mehr eingesandte Beiträge bei seinen wissenschaftlichen Zeitschriften 
verzeichnet mit der Folge, dass er aufgrund erhöhter Kosten und einer erhöhten 
Ablehnungsrate seine Zeitschriftenpreise erhöhen musste. Aber auch der 
OA-Anbieter, der bisher jeden zweiten eingereichten Artikel veröffentlicht hat 
und wegen vermehrter Einsendungen oder zur Erhöhung seiner impact rate die 
Ablehnungsquote verdoppelt, wird den Autoren höhere Kosten auferlegen m
 üssen. (Jedenfalls, wenn er den durch die abgelehnten Artikel veröffentlichten 
Aufwand auf jene Autoren abwälzt, deren Forschungsergebnisse veröffentlicht 
werden. Wenn jeder Autor unabhängig von einer späteren Veröffentlichung seines 
Artikels eine Gebühr zur Kostendeckung zahlt, stellt sich dieses Problem nicht. 
Dafür muss der Autor bei diesem Modell die Kosten faktisch aus eigener Tasche 
zahlen, wenn er seiner Anstellungs- oder Förderorganisation nicht begründen 
will, warum die Veröffentlichung seiner Forschungsergebnisse abgelehnt wurde.)

Staatlich angeordneter open access?
Sie stellen in Abrede, dass hinter den Bemühungen des Kulturausschusses des 
Bundesrats um die Ergänzung von § 38 UrhG der Wunsch steckt, open 
access-Veröffentlichungen dienstrechtlich anordnen zu können.

Zunächst einmal stimme ich Ihnen zu, dass es hochgradig verfassungswidrig wäre, 
wenn der Staat dies täte. Anders als Sie würde ich aus diesem Umstand aber 
nicht herleiten, dass darin nicht dennoch die Motivation für den 
Änderungsvorschlag zu § 38 UrhG liegt. Bereits der ursprüngliche Vorschlag aus 
den Reihen der Kultusministerkonferenz (vgl. Pflüger/Ertmann, ZUM 2004, 436 
ff.) zielte darauf ab, über eine Änderung des § 43 UrhG den 
Anstellungskörperschaften von Professoren und Mitarbeitern 
öffentlich-rechtlicher Forschungseinrichtungen ein gesetzliches Recht auf open 
access-Veröffentlichung auf ihren Websites zu verschaffen. Nachdem sich dieser 
Plan aufgrund des verfassungsrechtlich begründeten Widerstands als zunächst 
nicht durchsetzbar erwies, wurde errsatzweise der § 38 UrhG-E lanciert. Dass 
sich an dem Wunsch und Willen der KMK, § 38 UrhG-E mit einer Verpflichtung 
angestellter Wissenschaftler zu OA-Veröffentlichungen via Dienstvertrag zu 
koppeln, nichts
  geändert hat, sollten Sie sich vielleicht von Dr. Pflüger aus dem 
baden-württembergischen Kultusministerium einmal persönlich bestätigen lassen.

Aber auch wenn man diese zweite Ebene hinweg denkt, überzeugt § 38 UrhG-E 
nicht. Welchen Forscher bringt es ernsthaft weiter, auf nicht zitierfähige 
Veröffentlichungen frei zugreifen zu können? Lassen sich im Hinblick darauf, 
dass § 38 UrhG-E letztlich nur das bewirkt, Investitionen in eine solche 
OA-Parallelwelt rechtfertigen, oder sollte man die Gelder nicht lieber in die 
Zugänglichmachung zitierfähiger Versionen stecken? Zumal sich die notwendigen 
Investitionen wohl zu einem nicht geringen Teil darauf richten würden, den 
unter § 38 UrhG-E veröffentlichten Artikel mit dem dazu gehörigen Original in 
Verbindung zu stellen, um auf diese Weise Investitionen und Renommee des 
ursprünglichen Veröffentlichungsortes zu schmarotzen.

Wenn man sich unter www.sherpa.com ansieht, dass der weit überwiegende Teil der 
Verlage und wissenschaftlichen Gesellschaften in den schnelllebig 
publizierenden Wissenschaften längst den grünen Status erreicht hat, muss aber 
vor allem die Frage gestattet sein, ob § 38 UrhG-E nicht ein Problem löst, dass 
sich in der Praxis längst nicht mehr stellt. Offensichtlich hat die „Abstimmung 
mit den Füßen“ der Wissenschaftler, die von ihrem Verlag eine liberale 
Einstellung zu post-print-Veröffentlichungen erwarten, doch längst 
stattgefunden und den Markt gezwungen, auf breiter Front zu reagieren.

Retrodigitalisierung älterer Zeitschriftenjahrgänge
Mit einigem Witz weisen Sie auf einen scheinbaren Widerspruch in der 
Argumentation auf www.zweiter-korb.de hin. Dort wird tatsächlich sowohl 
hervorgehoben, dass viele Verlage ihre (Zeitschriften-)Bestände bis ins 19. 
Jahrhundert retrodigitalisiert haben, als auch die geplante Schaffung einer 
Vorschrift zur erleichterten Digitalisierung geschützter Werke durch den 
ursprünglichen Vertragspartner des Autors (§ 137l UrhG-E) unterstützt.

Dieser Widerspruch lässt sich allerdings mit einem Blick in 
www.nationallizenzen.de auflösen. Dort kann man nämlich feststellen, dass es im 
Wesentlichen die angloamerikanischen Verlage sind, die ihre backfiles digital 
anbieten, weil dies von der dortigen Rechtsordnung ermöglicht wird. 
Zeitschriften deutscher Wissenschaftsverlage sind dagegen so gut wie nicht 
vertreten, weil dies aufgrund der derzeitigen urheberrechtlichen Situation – 
die auch das DigiZeitschriften-Projekt nicht löst, sondern geflissentlich 
ignoriert – nicht mit zumutbarem Aufwand möglich ist.

Mit freundlichen Grüßen

Christian Sprang
(Börsenverein)

Liebe Liste,

der Börsenverein hat auf seiner Seite ein rhetorisch sehr anerkennenswertes 
Dokument mit seiner Sicht der Dinge zum Zweiten Korb und zu Open Access 
plaziert. 
http://www.was-verlage-leisten.de/images/stories/faqs%20gesamtversion%20061030.pdf
Nach der Lektüre kommt man sich als Bibliothekar richtig schlecht vor, wenn man 
gar noch durch sein Engagement für OA schuld daran ist, wenn wichtige 
Innovationen der traditonsreichen Verlage unterbleiben.

Nach dieser ersten Verstimmung zeigt ein zweiter Blick aber, daß der 
Börsenverein einen leckeren Rosinenkuchen in den Zweiten Korb gelegt hat. Man 
kann die Dinge so sehen, wie dort beschrieben. Nur vollständig ist diese Sicht 
nicht. Hier ein paar Eindrücke, ganz subjektiv natürlich und nicht vollständig.

"Wissenschaftler in den Bereichen Technik, Naturwissenschaften und Medizin 
(sog. STM-Segment) lesen heute 44% mehr Artikel als vor 25 Jahren und nutzen 
dabei doppelt so viele Zeitschriften. Haben sie 1977 im Schnitt 150 Artikel 
gelesen, sind es heute 216. Dabei sind die Kosten pro genutztem Artikel 
dramatisch gesunken.7 Die Artikel stammten 1977 aus 13 Zeitschriften, heute aus 
23. ... Für kleinere Bibliotheken, die früher im Schnitt 106 gedruckte 
Zeitschriften abonniert hatten, hat sich mit 1221 die Zahl der zugänglichen 
Zeitschriften vervielfacht." 

Hm, wenn man im STM-Bereich aber nur 23 Titel braucht, reichen 106 doch 
vollkommen aus. Es scheint, als will der Börsenverein für "Porschefahren in der 
Spielstraße" werben. Das Zeitschriftenangebot ist künstlich aufgebläht und 
daher überteuert.

Die Kritik zu § 38 UrhG des Bundesratsentwurfs ist ein hübscher Juristentrick à 
la "Legt ihr's nicht aus, so legt ihr's unter":

"Verfolgt wird vielmehr das Ziel, alle in öffentlichen 
Beschäftigungsverhältnissen stehenden wissenschaftlichen Autoren separat 
(arbeitsvertraglich) zu verpflichten, ihre Beiträge in einem repository 
abzuliefern."

Das ist nun tatsächlich Blödsinn. Das vorgeschlagene 
Zweitveröffentlichungsrecht gibt allein dem Autor die Möglichkeit, anderweitig 
und eben auch OA zu publizieren. Von einer Pflicht dazu ist überhaupt nicht die 
Rede. Bei Wissenschaftlern können derartige Pflichten arbeitsvertraglich oder 
dienstrechtlich wegen Art. 5 III 1 GG (Wissenschaftsfreiheit) gar nicht 
begründet werden. So jedenfalls die ganz h.M. Ich darf hier verweisen auf: Jörg 
Geerlings, Urheberrechtliche Konfliktlagen des Beamten im Dienstverhältnis, in: 
DÖD 2006, H. 9, S. 195-199, besonders S. 197.

"Um den Verwertungsstau von älteren Werken in digitalen Medien zu lösen 
(„Hebung der Archivschätze“), wird in § 137 l UrhG-E eine Übergangsregelung für 
solche Nutzungsarten eingeführt, die zwischen dem Inkrafttreten des 
Urheberrechtsgesetzes im Jahre 1966 und der jetzigen Novelle neu erfunden 
worden sind. Zur Nutzung berechtigt werden dabei solche Vertragspartner, denen 
ein Urheber alle wesentlichen Nutzungsrechte ausschließlich sowie räumlich und 
zeitlich unbegrenzt eingeräumt hat, sofern der Urheber der Nutzung nicht 
widerspricht."

Dazu möchte ich auf den hervorragenden Aufsatz von Spindler und Heckmann 
verweisen:
Der rückwirkende Entfall unbekannter Nutzungsrechte (§ 137 I UrhG-E) - Schließt 
die Archive?, in: ZUM 2006, H. 8/9, S. 620-630.
http://bibliotheksrecht.blog.de/2006/09/15/unbekannte_nutzungsrechte_in_korb_zwei~1127500

Wie gesagt, das Papier des Börsenvereins ist rhetorisch sehr gut. Besonders 
beeindruckt hat mich die Argumentation, daß die neuen technischen Entwicklungen 
die erhöhten Bezugspreise für Zeitschriften rechtfertigen. Es geht nicht um 
Gewinne der Verlage. Nein, es geht um Investitionen in die 
Informationsinfrastruktur. Das ist also die richtige Optik. 
Dazu gehört dann wohl auch dies:
"Um dafür die Möglichkeiten moderner Digitaltechnologien optimal zu nutzen, 
haben die wissenschaftlichen Fachverlage in den vergangenen 10 Jahren ganz 
erheblich in die neuen Medien investiert. Mittlerweile sind viele Verlage im 
Stande, digitalisierte Fassungen ihrer Zeitschriften bis zurück ins 19. 
Jahrhundert anzubieten."

Als Vorschlag zur rhetorischen Verbesserung des Papiers sollte angesichts des 
noch nicht in Kraft befindlichen § 137 l UrhG-E dieses Argument nicht fehlen: 
"Die Verlage konnten diese Anstrengung nur leisten, weil sie alle Autoren der 
vor 1995 erschienenen Artikel bzw. ihre Rechtsnachfolger mit hohem Aufwand 
ausfindig gemacht und ihr Einverständnis eingeholt haben." Ja, und 
bewundernswert, daß keiner widersprochen hat. Oder, habe ich da etwas falsch 
verstanden...
;-)

Eric Steinhauer



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