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Re: [InetBib] Was Verlage sich leisten



Liebe Frau Löw,

habe der FR einen Leserbrief geschrieben am 31.10.:

Leserbrief zu Artikel vom 28.10.2006:

Das kulturelle Tafelsilber

URL: http://www.fr-aktuell.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton?em_cnt=998934

Absender        :       Dr. Joachim Eberhardt
...
Leserbrief      :

Prof. Höffe ist sicher ein großer Kantkenner. Aber man braucht nicht nur bei Kant Sachkenntnis und Aufmerksamkeit. So hilft bei der Frage des Urheberrechts die Rechtsphilosophie und der Begriff des "Verbrechers" wenig, mehr der genaue Blick auf das, worum es in der Novelle geht. Etwas mehr als die Wiederholung der Propaganda der Verlage sollte man vom logikfesten Philosophen schon erwarten! Höffes zentrale These, auf der das übrige aufbaut, lautet (wenn man die Rhetorik beiseite lässt): "Es liegt auf der Hand, dass die Verbreitung durch die Bibliotheken mittels Bildschirmen die Verkäufe der entsprechenden Bücher und Zeitschriften erheblich einschränken wird".

1. Ist das so? 2. Wollen Bibliotheken und Museen das überhaupt?
Ad 1. Buchstabieren wir die verschwiegenen Prämissen aus.
Weil Bibliotheken die Bücher auf Bildschirmen präsentieren dürfen, werden weniger Bücher gekauft. Wer kauft weniger Bücher? Die Bibliotheken? Bibliotheken kaufen in der Regel Bücher ohnehin nicht mehrfach, es sei denn, für eine Lehrbuchsammlung oder wegen großer Nachfrage in der Ausleihe. Beide Zwecke würden kaum durch eine Bildschirmpräsentation in der Bibliothek befriedigt. Bibliotheken würden darum nicht auf den Kauf von Büchern verzichten, nur weil sie diese zusätzlich digital anbieten dürften. Wie steht es mit den Nutzern der Bibliothek? Kaufen die vielleicht ein Buch nicht, weil es in der Bibliothek am Bildschirm zu lesen ist? -- Eine absurde Vorstellung; eher noch dürfte man vermuten, dass die Möglichkeit zur Ausleihe manchen Bibliotheksbenutzer vom Kauf abhält. Aber das müsste man mal empirisch untersuchen und nicht einfach solche Zusammenhänge behaupten!

Ad 2. Der Gesetzgeber irrt sich womöglich darin, dass eine solche Möglichkeit den Betroffenen, also z.B. Bibliotheken, überhaupt attraktiv erscheint; soll heißen: er baut eine Schranke in das Urheberrecht ein, an welcher Forschung und Wissenschaft womöglich kein Interesse haben. Gehen wir davon aus, dass 1 Seite zu digitalisieren 25 Cent kostet (diese Angabe orientiert sich an den Preisen eines Digitalisierungsauftrags): dann würde die Möglichkeit, ein 100-Seiten-Buch an mehreren Leseplätzen anzubieten -- wo es weder ausgedruckt noch auf den privaten USB-Stick der Benutzer übertragen werden dürfte -- 25 Euro kosten; Höffes letztes Buch "Wirtschaftsbürger, Staatsbürger, Weltbürger" aus dem Beck-Verlag mit seinen 309 Seiten 77,25 Euro. Ganz schön viel angesichts der Tatsache, dass man das Buch gebraucht bereits für 7 Euro bekommt!

Noch ein Wort zu den Pflichtstücken: etwas, dass die Verlage über Gebühr aufbauschen. In der Regel gibt ein Verlag 4 Exemplare seiner Publikation im Rahmen des Pflichtexemplarrechts ab: zwei an die Deutsche Nationalbibliothek, wo sie im Lesesaal zu benutzen sind. (Daran würde sich nichts ändern, wenn die Nationalbibliothek außerdem im Lesesaal Terminals aufstellen würde; allenfalls würden die Werke geschont, was ja dem Auftrag der Nationalbibliothek entspricht.) Die andern zwei bleiben im Bundesland, in dem der Verlag seinen Standort hat; der Münchener Beck-Verlag würde Höffes Werk also der Bayerischen Staatsbibliothek übergeben. Wie es den Absatz gefährdet, dass dort sein Buch auch in Terminals im Lesesaal gelesen werden könnte (falls sich die Staatsbibliothek die Mühe der Digitalisierung machen würde, eigentlich haben die dort wichtigeres zu tun), bleibt sein Geheimnis. In jedem Fall sorgt die Bayerische Staatsbibliothek dafür, dass Höffes Buch auch noch in 500 Jahren den Interessierten zur Verfügung steht: deutlich länger als die Halbwertszeit seiner Argumentation!

Dr. Joachim Eberhardt
Wissenschaftlicher Bibliothekar



Löw Luise von schrieb:
Perlentaucher/Frankfurter Rundschau, 28.10.2006: Der Philosoph Otfried Höffe sieht mit der nutzerfreundlichen Novellierung des Urheberrechts den Untergang des Abendlands, wenn nicht gar der Wissenschaftsverlage heraufziehen: "Vermutlich noch einschneidender ist das Vorhaben, den Eigentumsschutz bei der Terminalnutzung in Bibliotheken enden zu lassen: Öffentliche Bibliotheken, Museen und Archive sollen künftig jedes Werk aus ihren Beständen, selbst ein kostenlos überlassenes Pflichtstück, an beliebig vielen elektronischen Leseplätzen zugänglich machen. Es ist keine Panikmache der wissenschaftlichen Verlage, dass ein Gutteil von ihnen dadurch in ihrer Existenz bedroht wird. Mitbedroht sind Autoren und Buchhändler."

Was sagen die BibliothekarInnen dazu?

Luise von Löw
München





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