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Re: NRW-Lizenz



On Thu, 08 Jul 2004 17:46:34 +0200
 Frank Halisch <Halisch@xxxxxxxxxx> wrote:

> Ich weiche ab!
> Jenseits von Fragen "falscher" oder "richtiger"
> Übersetzung, über die natürlich Herr Graf
> entscheidet...(Und Herr Graf wird mir wahrscheinlich auch
> gleich erklären, dass ich alles falsch verstanden habe
> und nicht genügend Englisch kann):
> Ich als Wissenschaftler werde doch einem Dritten nie
> erlauben, meine geistigen Ergüsse (so gut oder schlecht
> sie auch sein mögen) zu "bearbeiten".
> "derivative" finde ich überall nur als "abgeleitet";
> nrigendwo finde ich was von "Bearbeitung".
> 
> Viele Grüße, Frank Halisch
> (für Open Access, aber dagegen, das andere meine Texte
> bearbeiten)

Ich habe sachlich Kritik geuebt und denke, dass sich jeder
anhand von
http://archiv.twoday.net/stories/93128/
selbst ein Bild machen kann, ob eine deutsche Uebersetzung,
die "derivative works" ganz unter den Tisch fallen laesst,
falsch oder richtig ist.

Ob man es fuer richtig findet, andere seine eigenen Texte
bearbeiten zu lassen, ist durchaus diskutierbar - da kann
ich Vorbehalte sehr wohl nachvollziehen, auch wenn ich
meine, ein akzeptables Beispiel (Uebersetzung) einer
Bearbeitung angegeben zu haben. Richtig ist allerdings
auch, dass die groessten bzw. bedeutendsten OA-Verlage
BiomedCentral und PLoS mit Creative-Commons-Lizenzen
arbeiten, die Bearbeitungen (derivative works) zulassen!

Was sollen denn bitteschoen "abgeleitete" Werke konkret
sein? Es sind Bearbeitungen! Die freie Benutzung
urheberrechtlich geschuetzter Werke ist ganz sicher nicht
gemeint, denn diese ist ohnehin in den Rechtsordnungen der
Welt ohnehin zulaessig.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass "derivative works" der
US-Rechtssprache entstammt. Ich zitiere aus
http://www.linuxjournal.com/article.php?sid=6366
die Definition The Copyright Act, at 17 U.S.C. §101:

    A ``derivative work'' is a work based upon one or more
pre-existing works, such as a translation, musical
arrangement, dramatization, fictionalization, motion
picture version, sound recording, art reproduction,
abridgment, condensation or any other form in which a work
may be recast, transformed or adapted. A work consisting of
editorial revisions, annotations, elaborations or other
modifications which, as a whole, represent an original work
of authorship, is a ``derivative work''.

Schon lange stand die Open Access Community in Kontakt mit
Creative Commons, das die Moeglichkeit, "derivative works"
zu erstellen, als ZENTRALE Wahlmoeglichkeit anbietet. Open
Access-Zeitschriften mit entsprechender CC-Lizenz erlauben
"derivative works" im folgenden Sinn:

http://creativecommons.org/learn/artistscorners/educators

"Sie dürfen:

    * das Werk vervielfältigen, verbreiten und öffentlich
aufführen
    * Bearbeitungen anfertigen
    * das Werk kommerziell nutzen"

NB: Leider bevormundet die CC-Website deutsche Surfer in
unerfreulicher Weise, die automatisch auf die deutsche
Version der CC-Lizenzen umgelenkt werden.

Einen Link weiter wirds dann wieder englisch:

""Derivative Work" means a work based upon the Work or upon
the Work and other pre-existing works, such as a
translation, musical arrangement, dramatization,
fictionalization, motion picture version, sound recording,
art reproduction, abridgment, condensation, or any other
form in which the Work may be recast, transformed, or
adapted, except that a work that constitutes a Collective
Work will not be considered a Derivative Work for the
purpose of this License."

Das Fazit ist: Es kann meines Erachtens nicht ernsthaft
bestritten werden, dass "derivative works" in der Berliner
Erklaerung Bearbeitungen im Sinne des US-Copyrights und der
CC-Lizenzen meinen.

Das deutsche Recht kennt Bearbeitungen und Uebersetzungen
in § 3 UrhG. Ich sehe in dieser Hinsicht keine wesentlichen
Unterschiede zur o.g. US-Definition.

Das Recht, ohne Zustimmung des Urhebers Bearbeitungen
anzufertigen, betrifft die sog. "permission barriers". Die
Berliner Erklaerung hat ausdruecklich eine Vielzahl
urheberrechtlich geschuetzter Nutzungen freigegeben. Dazu
zaehlen nun einmal auch die Bearbeitungen - ob man das nun
sinnvoll findet oder nicht.

(Hier waere zu fragen, warum etwa die Anwender der
CC-Lizenzen MIT derivative works wie PLoS und mit ohnen
hunderte von Autoren, die dort publizieren, dies sinnvoll
finden.)

Man kann der Ansicht sein, dass die meisten, die die
Berliner Erklaerung unterschrieben haben, sich ueber die
juristischen und urheberrechtlichen Konsequenzen nicht im
klaren waren. Aber diese Ansicht waere im Hinblick auf OA
nicht sonderlich hilfreich. 

Unbestritten ist, dass Open Access nach Art des
NRW-Ministeriums hundertmal besser ist als gar kein Open
Access. Aber man kann sich einer Debatte ueber die
wissenschaftlich fuer OA wuenschenswerten Nutzungen, die
die Urheberrechte der Welt nicht ohnehin den Nutzern
gewaehren (in Deutschland etwa die Privatkopie), nicht
dadurch entziehen, dass man so tut, als gaebe es keine
entscheidende Differenz zwischen OA-NRW und der Berliner
Erklaerung.

Wer NICHT moechte, dass
a) andere sein Werk bearbeiten
b) es durch andere kommerziell (ohne seine Beteiligung)
nutzen,
kann es aufgrund b) NICHT der NRW-Lizenz unterstellen. Er
kann aber ohne weiteres eine deutschsprachige CC-Lizenz
waehlen, die seinen Wuenschen entspricht! Auch das waere
natuerlich "Open Access" - nur eben nicht in
Uebereinstimmung mit der Definition der Berliner
Erklaerung.

Klaus Graf


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.