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Nochmal: Erinnerungsservice



Sehr geehrter Herr Tempel,

Sie schrieben:
> 
> Liebe Liste,
> 
> der Service einer Erinnerung an das bevorstehende Leihfristende mag > zwar
> nicht unbedingt nötig und bislang, auf konventionellem Postweg, zu  > teuer
> gewesen sein, aber eine aus Sicht des Benutzers erfreuliche
> Dienstleistung wäre es doch. Ich habe mir so etwas oft gewünscht, da
> ich
> meistens eine große zweistellige Anzahl von Bücher aus einer bis zu
> zweistelligen Anzahl von Bibliotheken zu Hause hatte. Da war es nur 
> bei
> sorgfältiger, sehr aufwendiger Buchführung möglich, 
> Fristüberschreitung
> und Mahngebühren zu vermeiden. Zumal die regelmäßige Kontrolle 
> diverser
> Nutzerkonten in verschiedenen Bibliothekssystemen auch reichlich
> aufwendig ist ... 

usw. usw., etc. pp.

Haben Sie sich denn mal Gedanken gemacht, daß es, ich zitiere Sie, "eine
aus Sicht" der Bibliothek "erfreuliche Dienstleistung wäre", wenn die
Benutzer ihre Bücher einfach pünktlich zurückbringen oder um
Verlängerung nachsuchen würden? Ihre Ausführungen suggerieren, und das
verstimmt mich etwas, es sei nun, nachdem die Bibliothek Ihnen Unmassen
von Büchern ausgeliehen hat (die damit anderen Benutzeren entzogen
sind)  nun auch noch deren Problem, für Ihre Fristüberwachung zu sorgen.
Mir kommen wirklich die Tränen. Sehr geehrter Herr Tempel, es geht mir
nicht eigentlich um Sie, sondern es geht mir um die abstrahierte
Konsumhaltung und die Übernahme von Verantwortung nur nach dem
Auswahlverfahren, die dahinter sichtbar ist. Aus diesem Grunde meinte
ich gestern, man müsse nicht alles machen, was man könnte. Frau Bargmann
berichtete ebenfalls, daß auch der Polizist nicht hinter den Menschen
herläuft und sie daran erinnert, daß die Parkzeit für ihr Auto bald
abläuft.

Etwas anders wird auch meine Sichtweise, wenn es, wie bei Herrn
Sawallisch, um von den Kindern entliehene Bücher geht, oder wie bei Frau
Jacob, es sich um eine Jugendbibliothek handelt. Aber auch hier würde
ich, um nun nicht einen noch weitergehenden Aufwand (Erinnerungsservice
nur bis zum vollendeten 16. Lebensjahr, wie wäre es damit; wo doch
gerade bei Erwachsenen das Gedächtnis eher schlechter wird) zu
betreiben, bei der von jedem Bauzaun hinlänglich bekannten Warnung:
"Eltern haften für Ihre Kinder" bleiben wolen.

Was von Herrn Tempel et al. gerne möchten, ist das Bedienen einer auch
in der Formulierung eher kindlichen Konsumhalteung (" ... eine aus Sicht
des Benutzers erfreuliche
Dienstleistung wäre es doch. Ich habe mir so etwas oft gewünscht.") bei
vollkommener Umkehrung der Verantwortung zu Lasten der Bibliotheken.
Anstatt erst mal dankbar zu sein, daß die Bibliothek ihm, ja: ihm,  _so
viele Bücher_ ausgeliehen und nicht mit Rücksicht auf andere Benutzer
(um die es hier ja nicht geht, sondern man gerade um das eigene,
ureigenen Bedürfnis) die Zahl der ausgeliehenen Bücher begrenzt hat.

Auch Herrn Graf, dem ich bei seinen Zuschriften oft zustimme, ohne, daß
er es merkt, kann ich hier und heute nur sagen: Die Bibliothek ist zwar
für die Erzeugung erzieherischer Effekte sowie Verbesserungen der Moral
nicht zuständig. Sie möchte einfach nur, daß die Benutzer ihren Part des
Ausleihverhältnisses erfüllen. Sonst nichts. Ich würde die Beurteilung
eines Verhaltens am erzielten Effekt messen. Mahngebühren können sehr
schmerzen, und die Moral frage zunächst nicht danach, wie sie zustande
gekommen ist. Möglicherweise erzeugt die Bibliothek durch Mahngebühren
einen erzieherischen Effekt; ihre primäre Absicht, das zu tun, ist es
nicht.

Auch die Mail, die eben  von Herrn Hrusa eingegangen ist, ändert nichts
an meiner Auffassung. Ich kann zwar seine Haltung nachvollziehen, aber
gut heiße ich sie nicht. Diese Diskussion kann man so oder so führen,
und ich habe nur _meine_ Haltung geäußert.

Wie wäre es nun zum Schluß mit dem nicht ganz ernst gemeinten Vorschlag,
daß Sie das Erinnerungsschreiben nicht _vor_ der ersten, sondern _nach_
der vergeblichen letzten Mahnung senden? Spätestens dann dürfte auch der
hartgesottenste Benutzer, vor soviel Höflichkeit kapitulierend und unter
Zahlung der offenen Gebühren seine Bücher komplett abgeben. Sollte das
immer nocht nichts helfen, stellen Sie ihre Bemühungen doch einfach ein.
Vor solch hartnäckiger Verweigerungshaltung sollte man dann auch Respekt
haben,

findet Reinhard Koch

-- 
Reinhard Koch, Dipl.-Bibliothekar
Universität Frankfurt, Bibliothek Gesellschafts- und
 Erziehungswissenschaften, Abt.: Didaktisches Zentrum
Robert-Mayer-Straße 5, 60325 Frankfurt, 3. Stock, Zi. 301
Tel.: 069/798-23595, Fax: 069/798-23805
http://www.uni-frankfurt.de/fb04/studium/bibliothek_did.html


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