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Re: Nochmal: Erinnerungsservice



Sehr geehrter Herr Koch,

zwar lese ich aus einem Ihrer Schlußsätze heraus, daß Sie die Diskussion
allmählich für beendet halten, aber ich kann denn doch nicht mehr an
mich halten, auch noch etwas dazu zu bemerken.
Meinem Eindruck nach ist das Ablehnen von einem Erinnerungsservice bei
den meisten Vertretern dieser Meinung sehr prinzipieller Natur. Es gibt
eine Leihfrist und die hat man gefälligst einzuhalten und wenn nicht,
dann aber Mahngebühr. Und andere machen so etwas auch nicht, also warum
dann die Bibliothek? Bücher, die man entleiht, entzieht man damit
anderen Benutzern. (???) Ich frage: Wozu sind sie denn sonst da?

Reinhard Koch schrieb:
> 
> Haben Sie sich denn mal Gedanken gemacht, daß es, ich zitiere Sie, "eine
> aus Sicht" der Bibliothek "erfreuliche Dienstleistung wäre", wenn die
> Benutzer ihre Bücher einfach pünktlich zurückbringen oder um
> Verlängerung nachsuchen würden? Ihre Ausführungen suggerieren, und das
> verstimmt mich etwas, es sei nun, nachdem die Bibliothek Ihnen Unmassen
> von Büchern ausgeliehen hat (die damit anderen Benutzeren entzogen
> sind)  nun auch noch deren Problem, für Ihre Fristüberwachung zu sorgen.
> Mir kommen wirklich die Tränen. Sehr geehrter Herr Tempel, es geht mir
> nicht eigentlich um Sie, sondern es geht mir um die abstrahierte
> Konsumhaltung und die Übernahme von Verantwortung nur nach dem
> Auswahlverfahren, die dahinter sichtbar ist. Aus diesem Grunde meinte
> ich gestern, man müsse nicht alles machen, was man könnte. Frau Bargmann
> berichtete ebenfalls, daß auch der Polizist nicht hinter den Menschen
> herläuft und sie daran erinnert, daß die Parkzeit für ihr Auto bald
> abläuft.
[...]
> Was von Herrn Tempel et al. gerne möchten, ist das Bedienen einer auch
> in der Formulierung eher kindlichen Konsumhalteung (" ... eine aus Sicht
> des Benutzers erfreuliche
> Dienstleistung wäre es doch. Ich habe mir so etwas oft gewünscht.") bei
> vollkommener Umkehrung der Verantwortung zu Lasten der Bibliotheken.
> Anstatt erst mal dankbar zu sein, daß die Bibliothek ihm, ja: ihm,  _so
> viele Bücher_ ausgeliehen und nicht mit Rücksicht auf andere Benutzer
> (um die es hier ja nicht geht, sondern man gerade um das eigene,
> ureigenen Bedürfnis) die Zahl der ausgeliehenen Bücher begrenzt hat.

Der Benutzer soll DANKBAR sein, daß die Bibliothek ihm was ausleiht??!
Der Bibliothekar sollte aber dankbar sein, daß der Benutzer ihm sein
Gehalt finanziert! (Finde ich jedenfalls.)
Prinzipielle Erwägungen führen in Dienstleistungsfragen selten zu guten
Ergebnissen. Das Erwarten, Ersehnen und Erhoffen einer guten und
komfortablen Dienstleistung hat wohl kaum etwas mit Kindlichkeit zu tun.
Einen Dienst, der keine Mühe macht und nichts kostet aus prinzipiellen
Erwägungen heraus nicht anzubieten, finde ich einfach albern und
unangemessen. Ich hätte eher Bedenken, ob die Benutzer nicht mit
unerwünschter Post zugemüllt werden, wenn man sie an die Leihfrist
erinnert und fände es gut, wenn man auswählen könnte, ob man die
Erinnerung wünscht oder nicht. Einige Menschen schaffen es ja auch ohne
jede Erinnerung, ihre Sachen stets pünktlich abzugeben. 
Bei uns ist es jedenfalls so, daß wir die Leihfrist nicht vergöttern,
außer wenn Vorbestellungen vorliegen. Ansonsten verlängern wir
automatisch zweimal die Frist auch ohne Aufforderung durch den Benutzer
und erinnern ihn dann an die Abgabe. Es gibt dadurch eher weniger
lästige Mahnfälle als daß die Benutzer verschlampen, aber natürlich gibt
es trotzdem hartnäckige Egoisten, die die Bücher für sich behalten
wollen und nicht verstehen, daß es ihre Pflicht ist, anderen die
gleichen guten Arbeitsmöglichkeiten zuzugestehen, die sie selbst haben.
Fragt sich, ob die durch Mahngebühren wirklich zu beeindrucken sind. Auf
jeden Fall aber ist das Kommunikationsklima zwischen Bibliothek und
Bibliotheksbenutzer schon angenehmer, wenn man versucht, sich in die
Belange des Benutzers hineinzudenken und seine Interessen bei allen
Entscheidungen im Auge hat. Und zwar nicht die Interessen eines
bestimmten einzelnen Benutzers, sondern der Gesamtheit der wirklichen
und potentiellen Benutzer.

Dies meint
--
Ruth Huebner
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