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[InetBib] Abgeleitete Textformate/ TDM-Schranke (§ 60d UrhG)
- Date: Wed, 11 Nov 2020 13:57:09 +0000
- From: "Grishina, Evgenia, Dr. phil. via InetBib" <inetbib@xxxxxxxxxx>
- Subject: [InetBib] Abgeleitete Textformate/ TDM-Schranke (§ 60d UrhG)
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich habe eine klare Position:
- Forschungsdaten sind Ergebnisse forschenden Handelns (heute in
digitalen Formaten).
- Literarische Werke sind keine Ergebnisse forschenden Handelns, daher in
toto niemals FD.
- Literarische Werke können zum Gegenstand forschenden Handelns gemacht
werden (was ja täglich geschieht); die Ergebnisse dieses forschenden Handelns
können FD genannt werden.
- Wichtig ist also, dass zwischen Werk und Forschungsdatum der
Zwischenschritt forschenden Handelns besteht. Damit ist auch das
Urheberrechtsproblem aus der Welt.
Beste Grüße,
Evgenia Grishina
[cid:image001.png@01D1C626.83C8B200]
Universitätsbibliothek / BZ 119
Fachreferate
Germanistik, Allgemeine Sprach- und Literaturwissenschaft, Medienwissenschaft,
Computerlinguistik/Digital Humanities
OPEN ACCESS
Universitätsring 15
54296 Trier
Liebe Kollegen und Kolleginnen,
Hier haben wir also einen Widerspruch.
Ich bezog mich auf das TDM und geisteswiss. Korpora. Ich möchte an dieser
Stelle noch einmal betonen, dass ich im FDM keine rechtsverbindlichen Aussagen
machen darf und es auch nicht kann. Dazu holen wir uns die beste Expertise. Das
Gesetz schützt die Darstellung von Forschung, auch das ist im FDM sehr wichtig.
Korpora und die Vervielfältigungen des Ursprungsmaterials sind nach
Abschluss der Forschungsarbeiten zu löschen. Zulässig ist es aber das
Korpus und die Vervielfältigungen des Ursprungsmaterials den in den §§
60e und 60f genannten Institutionen zur dauerhaften Aufbewahrung zu
übermitteln.
Beim TDM geht es darum, dass Ergebnisse schnell verbreitet werden können.
Forschungsdaten sollen nämlich schnell zu Erkenntnissen führen!
Daten, Informationen, der "Gehalt" (gerade für WissenschaftlerInnen
häufig zentral) sind nicht Gegenstand des Urheberschutzes, denn das
Urheberrecht zielt bekanntlich auf den Schutz von Werken, also
gewissermaßen den Trägern von Informationen und Gehalt. In diesem
Zusammenhang auch zur Erinnerung: Im Immaterialgüterrecht gibt es
keinen generellen Rechtsschutz für (ggfs. großartige)
wissenschaftliche Leistungen!
Genau!
Ich sehe einen literarischen Text im digitalen Format als
Forschungsdatum an.
Er ist ein Informationsobjekt und somit wichtig für wissenschaftliche
Ergebnisprozesse.
Was Forschungsdaten sind, welches Format und welche Funktion sie haben,
wird in den Wissenschaftsdisziplinen, nach wie vor, unterschiedlich
beurteilt, wie Gerald (Jagusch) aus dem Bereich der
Ingenieurwissenschaften heraus, es hier schreibt. Daten / Werk - es gibt
schon Definitionen (nestor), die ich erst suchen muss.
Und ja: Für Wissenschaftsdomänen, die vor allem mit Texten und
bildhaften Forschungsdaten arbeiten, trifft das nicht zu, da bleibt es
beim bekannten Rechtsrahmen (so wie es Herr Hartwig schreibt und wie
auch Koll. Brettschneider gestern völlig zutreffend ausgeführt hat).
Konsens.
Von Anfang an.
Mit herzlichen Grüßen,
Annette Strauch
Am 11.11.2020 um 09:59 schrieb Jagusch, Gerald via InetBib:
Liebe KollegInnen,
ich beobachte seit längerem, dass der Begriff Forschungsdaten sehr ausufert
und dadurch die Diskussionen, insb. die rechtlichen, eher erschwert werden.
Persönlich bin ich auch eher der Meinung von Herrn Hartwig.
Kennt jemand eine konzise Definition, die Werke von Daten abgrenzt?
Wäre es nun mal an der Zeit eine solche Definition zumindest für Deutschland
/ deutsches Recht zu erarbeiten und in den Gremien der üblichen Akteure
(RDA-DE, DINI/nestor-AG Forschungsdaten, NFDI) abzustimmen?
Das erschiene mir sehr sinnvoll.
Man könnte mehrere Stufen zu definieren versuchen, auch wenn es natürlich nie
juristisch perfekt sein wird.
* Daten im Sinne von Nullen und Einsen
*
* Zwischenstufen?
*
* Werke im Sinne des URhG
Ich habe mir mal erlaubt das hier auf der DFN-FDM-Liste quer zu posten, um
noch mehr KollegInnen zu erreichen.
Vielen Dank und schöne Grüße,
Gerald Jagusch
> -----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: InetBib [mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxx] Im Auftrag von Falk Hartwig
via InetBib
Gesendet: Mittwoch, 11. November 2020 09:33
An: inetbib@xxxxxxxxxx; annette.strauch@xxxxxxxxxxxxxxxxx
Betreff: Re: [InetBib] Abgeleitete Textformate/ TDM-Schranke (§ 60d UrhG)
Liebe Frau Strauch,
Sie unterstützen die Ansicht, Daten seien urheberrechtsfrei ("Ich sehe es
primär so wie es Herr Hartmann schreibt") und sehen einen literarischen Text
im digitalen Format als Forschungsdatum an. Daraus folgt, der literarische
Text im digitalen Format könne nicht urheberrechtlich geschützt werden. Hier
haben wir also einen Widerspruch.
Natürlich sind Daten urheberrechtsfrei. Aber eben nur so lange, wie Daten
eben noch Daten bleiben. Wenn ich Werke zu Daten mache, liefere ich
unsinnigen und hinderlichen Urheberrechtsbestimmungen doch erst recht Futter.
Ein literarischer Text bleibt ein literarischer Text. Der literarische Gehalt
einer Erzählung von Schiller ändert sich nicht, wenn ich diese in irgendeinem
digitalen Format lese anstatt auf Papier. Auch originär digital entstandene
Werke, etwa multimedial, bleiben Werke. Sie können, wenn man ihnen eben kalt
und technokratisch begegnen will, als eine Summe aus Daten angesehen werden.
Das gilt für den Schiller-Text aber ganz genauso. Auch mit Tinte auf Papier
geschriebene Zeichen sind Daten.
Ich möchte niemandem zu nahe treten ... Aber das trendige
Forschungsdatenmangement scheint mir zu einem Selbstläufer zu werden, der
meint, das Rad neu erfinden zu müssen, weil wir den digitalen Wandel haben.
Ich verstehe die Problematik in den Bereichen, wo tatsächlich empirische
Daten, Messdaten etc. anfallen.
Beste Grüße,
Falk Hartwig
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Annette Strauch via InetBib [mailto:inetbib@xxxxxxxxxx]
Gesendet: Dienstag, 10. November 2020 17:42
An: inetbib@xxxxxxxxxx
Cc: Annette Strauch <straucha@xxxxxxxxxxxxxxxxx>
Betreff: Re: [InetBib] Abgeleitete Textformate/ TDM-Schranke (§ 60d UrhG)
Lieber Herr Hartwig, liebe Kollegen,
schafft man sich das in Rede stehende Problem nicht erst dadurch, dass
plötzlich alles ein Forschungsdatum sein kann.
Nein.
Einen literarischen Text zu einem Forschungsdatum zu erklären, ist absurd.
Ein literarischer Text ist auch ein Forschungsdatum: Literatur in einer
PDF-Datei z.B.
Forschung ist doch nun in der Tat meistens digital, nicht wahr, so auch die
textbasierte Forschung in den Literaturwissenschaften (Textsammlungen von
lit. Texten, Sachtexten od. wenn wir uns mit Handschriften beschäftigen). Es
geht hier um die verworrenen Fragen beim Urheberrecht. Im
Forschungsdatenmanagement sind diese Themen essentiell im Kontext von
nachhaltiger Forschung und wissenschaftlicher Integrität (Kultur der
Redlichkeit).
TDM-Schranke (§ 60d UrhG)
Ich sehe es primär so wie es Herr Hartmann schreibt
1.) Daten sind urheberrechtsfrei (!)
2.) "Das TDM selbst ist in der Regel keine urheberrechtsrelevante
Handlung" (!)
Hier ging es um das TDM.
Sonst wäre jeweils eine Einzelfallbetrachtung notwendig.
Wohl kann ich aber mit oder aus Daten ein Werk schaffen, das seinerseits
einen Urheberrechtsschutz genießt.
Ja.
Einen literarischen Text zu einem Forschungsdatum zu erklären, ist absurd.
Digitaler Wandel?
Herzliche Grüße,
Annette Strauch
Am 10.11.2020 um 16:54 schrieb Falk Hartwig via InetBib:
Lieber Herr Brettschneider, Kolleginnen und Kollegen,
schafft man sich das in Rede stehende Problem nicht erst dadurch, dass
plötzlich alles ein Forschungsdatum sein kann. Einen literarischen Text zu
einem Forschungsdatum zu erklären, ist absurd. Ein Forschungsgegenstand war
er schon immer und ist er auch weiterhin. Ein Text kann eine Schöpfungshöhe
aufweisen, die einen Urheberrechtsschutz rechtfertigt. Erhobene, gemessene,
erstellte oder aggregierte Daten haben keine Schöpfungshöhe. Wohl kann ich
aber mit oder aus Daten ein Werk schaffen, das seinerseits einen
Urheberrechtsschutz genießt. Einen Sack voll Sand nennen wir doch auch einen
Sack voll Sand und nicht Sandkorn oder einen Sack Sandkörner.
Beste Grüße, Falk Hartwig
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Peter Brettschneider via InetBib [mailto:inetbib@xxxxxxxxxx]
Gesendet: Dienstag, 10. November 2020 16:09
An: inetbib@xxxxxxxxxx
Betreff: Re: [InetBib] Abgeleitete Textformate/ TDM-Schranke (§ 60d
UrhG)
Lieber Herr Röpke,
vielen Dank für den spannenden Beitrag den Sie und Ihre Mitstreiterinnen und
Mitstreiter verfasst haben! Gerade weil das Recht der aus wissenschaftlicher
Perspektive gewünschten Nutzung urheberrechtlich geschützter Daten Grenzen
setzt und auch nach der anstehenden Urheberrechtsänderung im Sommer 2021
weiter setzen wird, finde ich den von Ihnen verfolgten technischen
Lösungsansatz außerordentlich interessant.
Lieber Herr Hartmann,
ich begrüße und teile Ihr Eintreten für ein wissenschaftsfreundliches
Urheberrecht. Gleichwohl habe ich mit Ihrer Aussage "Daten sind
urheberrechtsfrei" - zumindest in dieser Pauschalität - meine Probleme.
Wenn diese zutreffen würde, dann wäre § 60d UrhG weitgehend überflüssig.
Er wäre höchstens noch als Schranke der Rechte an Datenbanken notwendig.
Trotzdem haben Sie unzweifelhaft recht, sofern man eine
Datendefinition zugrunde legt, die auf Bits und Bytes abzielt. Wenn
man als Forschungsdatum hingegen z.B. den Text eines Literaten, den
Zeitungsbeitrag eines Journalisten oder die Satellitenaufnahme eines
Astronomen versteht, wird schnell deutlich, dass Forschungsdaten im
Einzelfall sehr wohl urheberrechtlichen Schutz genießen können. Anders
ausgedrückt: Ob Daten urheberrechtsfrei sind, muss leider für jedes
Forschungsvorhaben gesondert geprüft werden. In manchen Fälle ist dies
einfach zu bejahen, in anderen hingegen mit erheblichem Aufwand verbunden
(z.B. wenn Gemeinfreiheit eingetreten sein könnte und dafür das Todesdatum
von Urhebern zu ermitteln ist).
Ich verstehe aber Ihre Intention und danke Ihnen dafür, dass Sie daran
erinnern, dass man den urheberrechtlichen Schutz von Forschungsdaten nicht
einfach pauschal unterstellen sollte.
Mit besten Grüßen
Peter Brettschneider
Am 10.11.2020 um 11:34 schrieb Thomas Hartmann via InetBib:
Guten Morgen Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Röpke,
besten Dank für den Hinweis auf diesen Artikel, in dem detaillierter
TDM, dessen urheberrechtlichen Einzelheiten und eher politische
Einordnungen vorgestellt werden. Über den angesprochenen Ausweg,
Datencorpora eher segmentiert bzw. sequentiell zu nutzen, und damit
eventuelle vereinzelte Urheberrechtsbarrieren technologisch zu
umgehen, haben wir auch schon nachgedacht; generell erscheint es
natürlich nicht wünschenswert, einzelne Methoden oder Tools in einem
Innovationsfeld wie TDM speziell bzw. "nur" vorauseilend wegen
eventueller Urheberrechtsunklarheiten zu empfehlen.
Ich möchte dazu aufrufen, sich zuerst nur zwei Grundprinzipien des
Urheber- und Immaterialgüterrechts zu vergegenwärtigen:
1.) Daten sind urheberrechtsfrei (!)
2.) "Das TDM selbst ist in der Regel keine urheberrechtsrelevante
Handlung" (!), Quelle: Artikel
Wenn wir dann noch berücksichtigen, dass die dem TDM zugrunde
liegenden Daten- und Textcorpora von unseren öffentlichen
Einrichtungen regelmäßig umfassend eingekauft werden, sollten wir
nicht unreflektiert urheberrechtlich schmale Argumente v.a. der
Rechteinhaber annehmen, die ihren Ursprung vor vielen Jahrzehnten
haben. Die in dem Artikel näher besprochenen Bestimmungen bringen
Komplexität und Unsicherheit für die Anwender/innen mit sich, welche
die Nutzung von TDM behindern kann (denken Sie nur an andere
"Vorbilder" wie Zweitveröffentlichungsrechte, elektronische Leseplätze).
Das ist keine Kritik speziell an dem Artikel, in dem die
Autoren/innen immerhin stellenweise - wenn auch vorsichtig -
konstatieren, dass die Sache "schief" liege. Grundlegender
positioniert sich (generell zum
Urheberrecht) das vor wenigen Tagen von einer interdisziplinären
Forschergruppe veröffentlichte "Urheberrecht 2030- Memorandum zur
Zukunft des kreativen Ökosystems in Europa", siehe
https://eu2020-bmjv-intellectual-property.de/storage/documents/Copyri
g
ht_2030_de.pdf
Viele Grüße, Thomas Hartmann (FIZ Karlsruhe)
Am 09.11.2020 um 21:58 schrieb Röpke, Jörg via InetBib:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
hiermit möchte ich Sie auf den Artikel "Abgeleitete Textformate:
Text und Data Mining mit urheberrechtlich geschützten
Textbeständen", erschienen in der "Zeitschrift für digitale
Geisteswissenschaften"
(ZfdG), aufmerksam machen.
http://dx.doi.org/10.17175/2020_006
Das "Text und Data Mining" (TDM) mit urheberrechtlich geschützten
Texten unterliegt trotz der TDM-Schranke (§ 60d UrhG) weiterhin
Einschränkungen, die u. a. die Speicherung, Veröffentlichung und
Nachnutzung der entstehenden Korpora betreffen und das volle
Potenzial des TDM in den Digital Humanities ungenutzt lassen. Als
Lösung werden "abgeleitete Textformate" vorgeschlagen: Hier werden
urheberrechtlich geschützte Textbestände so transformiert, dass alle
wesentlichen urheberrechtlich relevanten Merkmale entfernt werden,
verschiedene einschlägige Methoden des TDM aber weiterhin zum
Einsatz kommen können. Bibliotheken und Archiven kommt hierbei eine
zentrale Rolle bei der Etablierung abgeleiteter Textformate zu, weil
sie rechtmäßigen Zugang zu umfangreichen urheberrechtlich
geschützten Textbeständen haben.
Grüße
Jörg Röpke
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