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Re: [InetBib] Abgeleitete Textformate/ TDM-Schranke (§ 60d UrhG)



Lieber Herr Röpke,

vielen Dank für den spannenden Beitrag den Sie und Ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter verfasst haben! Gerade weil das Recht der aus wissenschaftlicher Perspektive gewünschten Nutzung urheberrechtlich geschützter Daten Grenzen setzt und auch nach der anstehenden Urheberrechtsänderung im Sommer 2021 weiter setzen wird, finde ich den von Ihnen verfolgten technischen Lösungsansatz außerordentlich interessant.

Lieber Herr Hartmann,

ich begrüße und teile Ihr Eintreten für ein wissenschaftsfreundliches Urheberrecht. Gleichwohl habe ich mit Ihrer Aussage "Daten sind urheberrechtsfrei" - zumindest in dieser Pauschalität - meine Probleme. Wenn diese zutreffen würde, dann wäre § 60d UrhG weitgehend überflüssig. Er wäre höchstens noch als Schranke der Rechte an Datenbanken notwendig. Trotzdem haben Sie unzweifelhaft recht, sofern man eine Datendefinition zugrunde legt, die auf Bits und Bytes abzielt. Wenn man als Forschungsdatum hingegen z.B. den Text eines Literaten, den Zeitungsbeitrag eines Journalisten oder die Satellitenaufnahme eines Astronomen versteht, wird schnell deutlich, dass Forschungsdaten im Einzelfall sehr wohl urheberrechtlichen Schutz genießen können. Anders ausgedrückt: Ob Daten urheberrechtsfrei sind, muss leider für jedes Forschungsvorhaben gesondert geprüft werden. In manchen Fälle ist dies einfach zu bejahen, in anderen hingegen mit erheblichem Aufwand verbunden (z.B. wenn Gemeinfreiheit eingetreten sein könnte und dafür das Todesdatum von Urhebern zu ermitteln ist).

Ich verstehe aber Ihre Intention und danke Ihnen dafür, dass Sie daran erinnern, dass man den urheberrechtlichen Schutz von Forschungsdaten nicht einfach pauschal unterstellen sollte.

Mit besten Grüßen

Peter Brettschneider


Am 10.11.2020 um 11:34 schrieb Thomas Hartmann via InetBib:
Guten Morgen Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Röpke,

besten Dank für den Hinweis auf diesen Artikel, in dem detaillierter TDM, dessen urheberrechtlichen Einzelheiten und eher politische Einordnungen vorgestellt werden. Über den angesprochenen Ausweg, Datencorpora eher segmentiert bzw. sequentiell zu nutzen, und damit eventuelle vereinzelte Urheberrechtsbarrieren technologisch zu umgehen, haben wir auch schon nachgedacht; generell erscheint es natürlich nicht wünschenswert, einzelne Methoden oder Tools in einem Innovationsfeld wie TDM speziell bzw. "nur" vorauseilend wegen eventueller Urheberrechtsunklarheiten zu empfehlen.

Ich möchte dazu aufrufen, sich zuerst nur zwei Grundprinzipien des Urheber- und Immaterialgüterrechts zu vergegenwärtigen:

1.) Daten sind urheberrechtsfrei (!)

2.) "Das TDM selbst ist in der Regel keine urheberrechtsrelevante Handlung" (!), Quelle: Artikel

Wenn wir dann noch berücksichtigen, dass die dem TDM zugrunde liegenden Daten- und Textcorpora von unseren öffentlichen Einrichtungen regelmäßig umfassend eingekauft werden, sollten wir nicht unreflektiert urheberrechtlich schmale Argumente v.a. der Rechteinhaber annehmen, die ihren Ursprung vor vielen Jahrzehnten haben. Die in dem Artikel näher besprochenen Bestimmungen bringen Komplexität und Unsicherheit für die Anwender/innen mit sich, welche die Nutzung von TDM behindern kann (denken Sie nur an andere "Vorbilder" wie Zweitveröffentlichungsrechte, elektronische Leseplätze).

Das ist keine Kritik speziell an dem Artikel, in dem die Autoren/innen immerhin stellenweise - wenn auch vorsichtig - konstatieren, dass die Sache "schief" liege. Grundlegender positioniert sich (generell zum Urheberrecht) das vor wenigen Tagen von einer interdisziplinären Forschergruppe veröffentlichte "Urheberrecht 2030– Memorandum zur Zukunft des kreativen Ökosystems in Europa", siehe https://eu2020-bmjv-intellectual-property.de/storage/documents/Copyright_2030_de.pdf

Viele Grüße, Thomas Hartmann (FIZ Karlsruhe)


Am 09.11.2020 um 21:58 schrieb Röpke, Jörg via InetBib:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

hiermit möchte ich Sie auf den Artikel "Abgeleitete Textformate: Text und Data Mining mit urheberrechtlich geschützten Textbeständen", erschienen in der "Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften" (ZfdG), aufmerksam machen.

http://dx.doi.org/10.17175/2020_006

Das "Text und Data Mining" (TDM) mit urheberrechtlich geschützten Texten unterliegt trotz der TDM-Schranke (§ 60d UrhG) weiterhin Einschränkungen, die u. a. die Speicherung, Veröffentlichung und Nachnutzung der entstehenden Korpora betreffen und das volle Potenzial des TDM in den Digital Humanities ungenutzt lassen. Als Lösung werden "abgeleitete Textformate" vorgeschlagen: Hier werden urheberrechtlich geschützte Textbestände so transformiert, dass alle wesentlichen urheberrechtlich relevanten Merkmale entfernt werden, verschiedene einschlägige Methoden des TDM aber weiterhin zum Einsatz kommen können. Bibliotheken und Archiven kommt hierbei eine zentrale Rolle bei der Etablierung abgeleiteter Textformate zu, weil sie rechtmäßigen Zugang zu umfangreichen urheberrechtlich geschützten Textbeständen haben.

Grüße

Jörg Röpke
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