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Re: [InetBib] Microsoft hat seinen E-Book-Store geschlossen



Liebe Mitlesende,

dieser Lektüreempfehlung kann ich mich nur anschließen: Armin Talkes Text ist 
unbedingtes Muss für jeden urheberrechtlich Interessierten. 

Zu Harald Müllers neuen Argumenten: Die Archivkopie nach § 53 (2) hilft uns 
nicht weiter, denn die ist nur zulässig, wenn als Vorlage ein "eigenes 
Werkstück" verwendet wird - was bei Papierkopien von lizenzierten E-Books 
gerade nicht der Fall wäre. Und sicher: Die bloße Werknutzung ("Werkgenuss") 
durch den Bibliotheksnutzer ist kein urheberrechtlich relevanter Vorgang. Aber 
gilt das auch für die Nutzungsüberlassung durch die Bibliothek? Die hätte der 
Gesetzgeber schon unter den privilegierten Zwecken des § 60e (1) erwähnen 
müssen. Diese Form der "Gebrauchsüberlassung" war auch nicht Gegenstand des 
zitierten BGH-Urteils von 1990 ("Betriebssystem"-Urteil).

Doch egal, wie man das sieht: All diese Argumente greifen nur für Papierkopien 
lizenzierter E-Ressourcen - und die wären sowieso keine praktikable Lösung für 
die großen Lizenzpakete. Für die praktikable Lösung, also die Terminalnutzung, 
gilt leider der Vertragsvorrang nach Art. 5 (3) n InfoSoc bzw. § 137o und § 60g 
(2) UrhG.

Es bleibt schon dabei: Ein E-Book - und zumal ein an einen Lizenzvertrag oder 
AGBs gebundenes - kann nicht im gleichen Umfang genutzt werden wie ein 
gekauftes Papierbuch. Weder von Bibliotheken noch gar von Privatpersonen, für 
die die meisten Schranken der §§60a ff. sowieso nicht gelten und um die es im 
ursprünglichen Beitrag zum Microsoft-E-Book-Store ging, siehe Betreff. 

Viele Grüße,
Andreas Odenkirchen

Dr. Andreas Odenkirchen
Hochschule für Musik und Darstellende Kunst
Bibliothek
Eschersheimer Landstr. 29-39
D-60322 Frankfurt am Main
Tel. +49(0)69/154007-293
www.hfmdk-frankfurt.de

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: InetBib [mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxx] Im Auftrag von Harald Müller 
via InetBib
Gesendet: Freitag, 9. August 2019 10:13
An: Talke, Armin <Armin.Talke@xxxxxxxxxxxxxxxxx>; inetbib@xxxxxxxxxx
Betreff: Re: [InetBib] Microsoft hat seinen E-Book-Store geschlossen

Liebe InetbiblerInnen!

Die Darstellung von Armin Talke zum neuen Urheberrecht kann ich nur wärmstens 
zur Lektüre empfehlen!

Darin findet sich (S. 6) auch der Hinweis, dass zusätzlich zu den neuen 
Vorschriften der §§ 60a ff. BGB die bisher schon im Urheberrechtsgesetz 
enthaltenen Regelungen zum Kopieren weiterhin gelten. Dies betrifft z.B.
die gesetzlich erlaubte Anfertigung von „Archivkopien“ in § 53 Abs. 2 Satz 1 
Nr. 2 UrhG. Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die Begriffe 
„Nutzung“ und „Archiv im öffentlichen Interesse“ in Satz 2.
Schon bisher bestand keinerlei Zweifel, dass Archivkopien auch genutzt werden 
dürfen.

Und im Zusammenhang mit der Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken 
darf ich in aller Bescheidenheit auf die ständige Rechtsprechung des 
Bundesgerichtshofs (Gruß nach Karlsruhe!) verweisen:

/"Die Benutzung eines Werkes als solche ist kein urheberrechtlich relevanter 
Vorgang. Dies gilt für das Benutzen eines Computerprogramms ebenso wie für das 
Lesen eines Buches, das Anhören einer Schallplatte, das Betrachten eines 
Kunstwerkes oder eines Videofilms." /Urteil des BGH vom 4. 10. 1990. ( BGHZ 
112, 264-278), bestätigt in: BGH GRUR 1994, 363
(364 f.), BGH GRUR 1997, 215 (217).

Die Präsenznutzung von urheberrechtlich geschützten Werken in Bibliotheken, 
auch genannt „Werkgenuss“, ist nicht gesetzlich geregelt, sondern frei. Dies 
betrifft auch und gerade die Kopien zur Bestandserhaltung (§ 60e Abs. 1 UrhG) 
bzw. die Archivkopien gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UrhG. Da die vom BGH 
genannten Beispiele auch Software erwähnt, erstreckt sich der freie Werkgenuss 
auf alle Werkarten, analog und digital! Das ist auch der Grund, warum es in § 
60e UrhG keiner Erwähnung der Präsenznutzung in Bibliotheken bedarf.


Einen entspannten Sommer wünscht

Harald Müller

//Am 07.08.2019 um 10:15 schrieb Talke, Armin via InetBib:

Lieber Harald, lieber Herr Odenkirchen und liebe Mitlesende,

ich denke auch, dass Bibliotheken in bestimmten rechtlichen Grauzonen die 
Rückendeckung ihrer Körperschaften für Rechtsstreitigkeiten haben sollten.
Im hier besprochenen Bereich ist die Rechtslage aber zu eindeutig. Herr 
Odenkirchen hat Recht.


Näheres dazu kann man auch in dieser Publikation nachlesen: 
https://doi.org/10.17176/20190214-191742-0

1.       § 60e Abs.1 erlaubt prinzipiell noch keine Nutzung, sondern nur die 
Speicherung/Archivierung (S.7)

2.       § 60e Abs.2 regelt u.a., in welchen Fällen man diese Kopien (analog) 
"verleihen" darf. Das sind nur bestimmte, kleine Ausnahmen. (S.10)

3.       § 60e Abs.4 (Terminal-Schranke): Darf nach der Infosoc-Richtlinie, 
Art.5 Abs.3 (n), nicht genutzt werden, wenn "keine Regelungen über Verkauf 
und Lizenzen gelten" (wie ja bereits Herr Odenkirchen schreibt) . Das haben 
die Deutschen Gesetzgebungsorgane für die Umsetzung in Deutschland so 
ausgelegt, dass "Vereinbarungen, die ausschließlich die Zugänglichmachung an 
Terminals nach § 60e Absatz 4" ..." zum Gegenstand haben", die 
Terminal-Nutzung verhindern können. Wenn wir davon ausgehen, dass das 
richtlinienkonform ist (bin nicht 100 % sicher), sind allgemeine 
Lizenzverträge, die unter anderem die Terminal-Nutzung verbieten, insoweit 
unwirksam. ( S.15 und 29 ff.)

§ 60e UrhG: https://www.gesetze-im-internet.de/urhg/__60e.html


viele Grüße

Armin Talke

  ________________________________________
Armin Talke, LL.M.
Fachreferent für Politikwissenschaft / Referent für Rechtsfragen der 
Benutzung Wissenschaftlicher Dienst Staatsbibliothek zu Berlin - 
Preußischer Kulturbesitz

Potsdamer Straße 33
10785 Berlin

Tel.:         +49 30 266-4332 20
Fax:         +49 30 266-333501
armin.talke@xxxxxxxxxxxxxxxxx<mailto:armin.talke@xxxxxxxxxxxxxxxxx>
www.staatsbibliothek-berlin.de<http://www.staatsbibliothek-berlin.de/>
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--
Dr. Harald Müller
Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft"


Mail: mueller@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
       hmueller.mpil@xxxxxx
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Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.